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Dr. Olga Klimecki forscht seit über 17 Jahren zur Neuroplastizität des Gehirns. Sie untersucht die Effekte von Meditations- und Mitgefühlstrainings auf das soziale Verhalten und auf unserem Umgang mit Konflikten. Ihre Forschungen über die Veränderbarkeit des Gehirns durch Mitgefühl und Empathie sind bahnbrechend und wurden vielfach ausgezeichnet. Wir haben sie gebeten, uns über ihre Erfahrungen zu berichten.    

Frau Dr. Klimecki, was bedeutet es, Mitgefühl mit anderen und sich selbst zu haben? 

Mitgefühl ist dann wichtig, wenn es um schwierige, leidvolle Situationen geht - bei sich selbst und bei anderen. Dann geht es darum, dieser Schwierigkeit mit einem Gefühl von Wohlwollen und Freundlichkeit zu begegnen. Dieses Wohlwollen ist meist mit dem Wunsch verbunden zu helfen oder das Leid zu lindern. Das klappt natürlich nicht immer, aber der Wunsch ist sehr oft dabei. 

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Dr. Olga Klimecki

Ist Mitgefühl das gleiche wie Empathie?

Nein, das ist nicht das gleiche. Bei der Empathie hat man qualitativ die gleiche Emotion wie die andere Person. Meine Freundin freut sich, ich freue mich auch. Oder ich erlebe jemanden, der traurig ist, dann bin ich auch traurig. Man schwingt empathisch mit dem anderen mit. Gleichzeitig weiß man, dass man nicht selbst die Quelle des aktuellen Gefühls ist, sondern jemand anders. Wenn man das nicht weiß, sprechen wir von emotionaler Ansteckung. Zum Beispiel kann Lachen ansteckend sein, aber auch Angst und Unsicherheit.

Bei Empathie hat man qualitativ die gleiche Emotion wie die andere Person. 

Wenn wir mit jemand empathisch mitschwingen, der leidet, dann leiden wir auch. Das kann auch belastend sein. Mitgefühl hingegen bedeutet, dem Leid der anderen Person aus einer wohlwollenden Haltung heraus zu begegnen. Mitgefühl ist mit positiven Gefühlen verbunden, mit Wärme und Verbundenheit. Es werden dabei andere Hirnregionen aktiv als beim empathischen Mitleiden.  

Wie kann es sein, dass man angesichts des Leids von anderen positive Gefühle empfindet?

Viele Emotionen hängen mit sozialen Beziehungen zusammen. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich gibt es viele positive Gefühle, zum Beispiel Liebe, Zuwendung, das Gefühl von Verbundenheit oder Dankbarkeit. Positive Gefühle sind nicht nur mit Jubelschreien und Party verbunden - sie können viel subtiler sein, und trotzdem sind sie spürbar. 

Wenn wir uns zugehörig fühlen und Zusammenhalt spüren, dann werden Hirnregionen aktiv, die mit positiven Gefühlen einhergehen. Und nah sein kann man sich sowohl in guten Zeiten als auch in schwierigen Zeiten. Deshalb ist es möglich, auch dann positive Gefühle zu haben, wenn man das Leid eines anderen wahrnimmt. Die negativen Gefühle, die beim Leid eines anderen durch Empathie entstehen, sind dann nicht völlig weg, aber die positiven Gefühle sind zusätzlich da. 

Wenn wir Mitgefühl haben, werden Hirnregionen aktiv, die mit positiven Gefühlen einhergehen. 

Woran merken wir, dass jemand empathisch mitschwingt? 

Zum einen gibt es das, was wir innerlich fühlen. Das können wir schlecht messen. Aber Emotionen äußern sich zum Beispiel auch im Gesichtsausdruck, in der Stimmlage, mit bestimmten Wörtern, in der Sprechgeschwindigkeit, in der Körperhaltung und im Verhalten. In der Forschung können wir diese Signale identifizieren und analysieren, zum Beispiel mit Videos. Im Alltag nehmen die Menschen diese Signale untereinander auch wahr, oft ohne dass es ihnen bewusst ist. So kann jemand, dem Empathie oder Mitgefühl entgegengebracht wird, merken, dass ein anderer Mensch an seinem Leid Anteil nimmt. 

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Online-Kurs Acht­sam­keit und Medi­ta­tion

Mit Achtsamkeit lassen sich Erfahrungen gelassener, offener und mitfühlender begegnen.

Wieso sind wir überhaupt empathisch? 

Wir verfügen über einen besonderen Mechanismus, mit dem wir empathisch sein können: Den Simulationsmechanismus. Das bedeutet, dass wir das Erleben des anderen teilen, als ob es unser eigenes Erleben wäre. Wir wissen, dass bei uns die gleichen Hirnareale aktiv werden, wenn wir Schmerz empathisch miterleben, als wenn die andere Person Schmerz empfindet. Das Gehirn tut so, als ob man in der gleichen Situation wäre. Es passiert zum Beispiel manchmal, dass mein kleiner Sohn sich stößt, und ich sage "au" - dabei hat er sich gestoßen, nicht ich. 

Muss ich ähnliche Erfahrungen gemacht haben, um empathisch sein zu können? 

Es ist hilfreich, wenn man eine ähnliche Situation schon einmal erlebt hat. Man kann sich das dann viel genauer vorstellen. Ein sehr leistungsorientierter Mensch, den ich kenne, war zum Beispiel mehrere Monate sehr krank. Er versteht jetzt viel besser, dass Menschen an ihre Grenzen kommen oder eine Pause brauchen. Mein kleiner Sohn könnte dagegen vermutlich nur schwer nachvollziehen, wie es ist, wenn eine romantische Beziehung zerbricht. 

Man muss zuerst die eigenen Ressourcen stärken. Dann kann man sich den anderen zuwenden. 

Können Menschen, die Leid erlebt haben, besonders mitfühlend sein?

Ja, das kann sein. Allerdings nur, wenn sie ihre Schwierigkeiten überwunden und wieder zu Kräften gekommen sind. Denn wenn Menschen viel Leid erfahren, zum Beispiel durch ein Trauma, zehrt das an den Ressourcen. Bevor sie mitfühlend sein können, müssen sie erst einmal wieder genug Ressourcen gewinnen. 

Auch wenn man sehr stark mitschwingt und an die Grenzen seiner Ressourcen stößt, schafft man es nicht mehr, Mitgefühl zu haben. Dann geht es darum, mit sich selbst Mitgefühl zu haben.

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Mehr Kraft durch Selbst­mit­ge­fühl

Wie wir mit Selbstmitgefühl Belastungen leichter bewältigen, erklärt die Psychotherapeutin Dr. Christine Brähler im Interview.

Wieso kann Empathie zu Stress führen?

Wenn es um leidvolle Erfahrungen geht, kann es bei der Empathie dazu kommen, dass man vom Leid der anderen Person überwältigt ist. Man merkt dann, dass man zu sehr mitleidet. Gerade bei helfenden Berufen - zum Beispiel in der Ausbildung von Ärztinnen, Therapeuten oder humanitär Helfenden - wird in so einem Fall oft vorgeschlagen, eine emotionale Grenze zu ziehen, wie eine Mauer zwischen sich und der anderen Person. Oder man versucht, die eigene Emotion zu unterdrücken, wenn man mit der anderen Person zusammen in einem Raum ist. 

Die psychologische Forschung zeigt aber: Solche Formen der Emotionsregulation sind kontraproduktiv. Wenn man nicht im Einklang ist mit den eigenen Gefühlen und versucht, negative Gefühle zu unterdrücken, verstärkt sich die Stressreaktion. Das hat unter anderem die Forschung an Menschen gezeigt, die in stressigen Situationen sehr häufig ein freundliches Gesicht zeigen müssen, zum Beispiel Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter. Sie haben oft sehr hohe Stresswerte. 

Wenn man versucht, negative Gefühle zu unterdrücken, verstärkt sich die Stressreaktion.

Und bei Mitgefühl entsteht kein Stress? 

Mitgefühl funktioniert anders: Es bietet uns eine positivere Möglichkeit, mit dem Leid von anderen umzugehen. Es kann sein, dass man mit der Emotion des anderen mitschwingt und auch traurig ist. Aber zusätzlich kann man, wenn man mitfühlt, ein Gefühl von Wohlwollen und positive, fürsorgliche Emotionen haben. Das wirkt dem Stress entgegen. 

Kann man lernen, Mitgefühl zu haben? 

Ja. Es ist eine Fähigkeit, die man trainieren kann wie andere auch. Manche lernen es leichter, andere weniger leicht. Meine eigenen Forschungen haben gezeigt: Ein Training in Mitgefühl auf der Basis von Achtsamkeit führt dazu, dass sich die Aktivierungen in den entsprechenden Hirnarealen stärker ausprägen. Außerdem verhielten sich die Teilnehmenden sich nach einem Mitgefühlstraining sozialer und halfen großzügiger. Aus einer großen randomisiert-kontrollierten Studie in Berlin und Leipzig, der ReSource-Studie, wissen wir auch, dass Teilnehmende an einem Mitgefühlstraining hinterher deutlich weniger Stress hatten, vor allem weniger sozialen Stress. 

In mehreren kontrolliert-randomisierten Studien mit meiner ehemaligen Doktorandin Patricia Cernadas Curotto haben wir Mitgefühl für sich selbst und andere trainiert. In einer Studie ging es darum, Mitgefühl mit sich selbst und anderen in Konflikten mit schwierigen Personen am Arbeitsplatz, in der Familie oder mit Freunden zu entwickeln. Das Training dauerte fünf Wochen. Es trug dazu bei, dass die Teilnehmenden sich der schwierigen Person näher fühlen und weniger Schadenfreude für ein Unglück der schwierigen Person empfanden. In einer anderen Studie lernten Paare fünf Wochen lang, Mitgefühl für sich und andere. Nach dem Training waren sie nicht nur zufriedener über das Streitverhalten in ihrer Partnerschaft, sondern sie konnten auch besser für ihre eigenen Belange einstehen. 

Hat Selbstmitgefühl ähnliche Effekte? 

Das ist aus meiner Sicht noch zu wenig erforscht. Es gibt Forschungen dazu, vor allem aus der Gruppe um Kristin Neff aus den USA, die zu Selbstmitgefühl arbeitet. Meist sind es Korrelationsstudien über den Zusammenhang von Selbstmitgefühl und verschiedenen anderen psychologischen Zuständen. Sie lassen meiner Meinung nach noch keine Kausalaussage über die Wirkung von Trainings zu Selbstmitgefühl zu. 

Selbstmitgefühl kann aber die Voraussetzung dafür sein, Mitgefühl für andere zu entwickeln. Ich habe es an mir selbst erlebt: Als ich das erste Mal vor etwa 15 Jahren Mitgefühl üben sollte, hatte ich gerade ganz frisch eine Trennung hinter mir. Ich konnte kein Wohlwollen entwickeln - es ging einfach nicht. Dann haben meine Lehrer gesagt: Versuch doch erst einmal, Selbstmitgefühl mit deinem Leid zu praktizieren. Das hat geklappt. Und dann klappte es im zweiten Schritt auch mit dem Mitgefühl für andere. 

Über Dr. Olga Klimecki

Dr. Olga Klimecki ist Neurowissenschaftlerin und Psychologin. Ihre Forschungen zu Mitgefühl, Meditation, Konflikten und prosozialem Verhalten gehören zu den renommiertesten Studien auf diesem Gebiet. Aktuell gehört sie zum Leitungsteam einer internationalen europäischen Langzeitstudie zu den Effekten von Meditation auf die mentale Gesundheit von älteren Menschen, der Silver Santé-Studie. Sie hat unter anderem an den Universitäten von Zürich, Genf und Dresden geforscht und gelehrt.