Gesund an der Uni: "Nur Pflaster kleben reicht nicht“
Interview aus Thüringen
Andrea Krieg verantwortet unter anderem das Universitäre Gesundheitsmanagement an der TU Ilmenau und ist Projektleiterin des Austauschforums Gesunde Hochschulen in Thüringen. Im Interview erläutert sie, was die Corona-Pandemie sie zum Thema psychische Gesundheit gelehrt hat.
TK: Frau Krieg, wie ist die TU Ilmenau mit Blick auf das Gesundheitsmanagement durch die Corona-Pandemie gekommen?
Andrea Krieg: Wir haben schnell viel dazu gelernt. Am wichtigsten war es, Sicherheit und Strukturen zu geben. Das bedeutet, dass die Hochschule in dieser Ausnahmesituation so klar und aktuell wie möglich kommuniziert hat, welche Regeln für die Studierenden und Beschäftigten gelten: Unter welchen Voraussetzungen darf ich an die Uni kommen? Falle ich durch die Prüfung, weil meine digitalen Zugänge nicht funktionieren? Wie ist das Infektionsgeschehen an der Hochschule? All das, was die Menschen für ihr Lernen und Arbeiten bei uns unter Pandemiebedingungen brauchten, erfuhren sie eindeutig und leicht nachvollziehbar von einer Stelle. Das war gut.
Wir haben einen Krisenstab, der sehr gut und aktuell gearbeitet hat. Wir als Gesundheitsmanagement sind Mitglied des Krisenstabs und haben uns auch in der Pandemie eingebracht.
Im zweiten Schritt waren die bekannten Schwerpunkte Bewegung und Ernährung interessant. Unser Sportzentrum hat zum Beispiel den sogenannten Pausenexpress als Onlineangebot etabliert. Das waren kurze digitale Sporteinheiten für Beschäftigte und Studierende. Auch ein großer Teil des Sportangebots unseres Sportzentrums wurde online zur Verfügung gestellt.
Die Beratungsstellen an der Universität haben ihre Angebote um digitale Beratungsformate ergänzt.
Es gab viele neue Herausforderungen, die die Pandemie für die Menschen an der Universität hervorgebracht hat und ich denke, dass wir das hier an der Uni ganz gut gemeistert haben.
Letztlich geht es bei allen Maßnahmen darum, den Menschen und das menschliche Miteinander im Blick zu behalten. Wenn der Mensch nicht gesund ist, ist es auch nicht die Organisation.
TK: Was haben Sie aus der Pandemie für die Gesundheitsförderung von Studierenden und Mitarbeitenden gelernt?
Krieg: Neben dem eben schon Genannten: Dass mentale und organisatorische Sicherheit grundlegend sind. Erst dann spielen die bekannteren Präventionsfelder Ernährung und Bewegung eine Rolle.
Langfristig muss es darum gehen, die Gesundheitskompetenzen zu stärken und die Selbstwirksamkeit zu erhöhen. Damit meine ich beispielsweise Resilienz und das Vermögen, für Veränderungen offen zu sein. Nicht immer nur darauf zu schauen, was nicht klappt, sondern auf das, was unter den gegebenen Bedingungen möglich ist.
Wir müssen an die grundsätzlichen Ursachen für zum Beispiel Überforderungssituationen, die sich während der Pandemie verständlicherweise verstärkt zeigten. Nur Pflaster kleben reicht nicht. Diese Erkenntnis hätte ohne die Pandemie sicher noch etwas auf sich warten lassen und bietet aus meiner Sicht große Chancen.
Langfristig muss es darum gehen, die Gesundheitskompetenzen zu stärken und die Selbstwirksamkeit zu erhöhen.
TK: Haben Sie bereits erste konkrete Schritte unternommen, um diese Fähigkeiten bei Studierenden und Mitarbeitenden zu erhöhen?
Krieg: Ja, seit Corona ist an den Hochschulen viel passiert. An der TU Ilmenau wurden viele neue Formate, auch in Zusammenarbeit mit dem Studierendenwerk, aufgelegt. Es wurde beispielsweise ein Sorgentelefon eingerichtet. Dafür wurden Studierende zu Mental health first aid Ansprechpersonen ausgebildet.
Wir haben im Rahmen des Studium generale verschiedene Angebote zur Weiterentwicklung von Gesundheitskompetenzen erarbeitet und auch hochschulübergreifend finden Angebote statt. Ich denke da an die Angebote des Vereins "Irrsinnig menschlich".
Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wertvoll der Austausch ist und was es heißt, nicht allein mit der Vielzahl der Herausforderungen umgehen zu müssen.
TK: Im Austauschforum "Von Hochschule - für Hochschule" der Initiative Gesunde Hochschule in Thüringen sprechen die zehn öffentlichen Hochschulen Thüringens regelmäßig miteinander. Welche Rolle spielt dort das Thema psychische Gesundheit?
Krieg: Der etablierte vertrauensvolle Austausch ist unheimlich hilfreich. Es ist nie gut, nur im eigenen Saft zu schwimmen. Das hat sich gerade bei diesem Thema gezeigt. Eine Hochschule konzipiert und probiert aus und wir anderen lernen und setzen entsprechend unserer Bedingungen um.
Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wertvoll der Austausch ist und was es heißt, nicht allein mit der Vielzahl der Herausforderungen umgehen zu müssen. Wir sind der TK sehr dankbar, dass sie uns in diesen Prozessen so unterstützt.
Zur Person
Andrea Krieg leitet das Referat Gleichstellung, Diversität und Gesundheit an der TU Ilmenau. Sie verantwortet unter anderem das Universitäre Gesundheitsmanagement und ist Projektleiterin des Austauschforums Gesunde Hochschulen in Thüringen.
Zu den Themenschwerpunkten der Diplom-Betriebswirtin zählen neben Gesundheit auch Wertekultur, Diversität und Konfliktbewältigung. Andrea Krieg ist ausgebildete Mediatorin, Supervisorin und Coach.