Schon jetzt sind in Berlin rund 186.000 Menschen, in Brandenburg gut 185.000 Menschen auf Pflege angewiesen. Bis 2055, so schätzt das Statistische Bundesamt, wird diese Zahl auf 273.000 in der Hauptstadt und rund 246.00 in der Mark anwachsen. 

Gleichzeitig werden schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft weniger Pflegekräfte zur Verfügung stehen. Auch die Kosten werden weiter steigen. 

Die Herausforderungen sind groß. Dringenden Handlungsbedarf sieht die TK Berlin/Brandenburg vor allem in folgenden Feldern:

  1. Unbürokratische Hilfe für Betroffene
  2. Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige und Freunde
  3. Verbesserungen für Pflegekräfte
  4. Faire Kostenverteilung
  5. Bessere Nutzung der Digitalisierung
  6. Strukturen der Versorgung am Lebensende stärken

1. Unbürokratische Hilfe für Betroffene

Menschen, die pflegebedürftig werden, benötigen schnelle und unbürokratische Hilfe. Viele Informationen, etwa zu freien Pflegeplätzen, sind allerdings noch immer nicht leicht zu finden. Die TK begrüßt deshalb die Einrichtung von regionalen und bundesweiten Online-Portalen, auf denen digital, tagesaktuell und transparent freie Plätze verschiedener Einrichtungen dargestellt werden. Wir fordern Brandenburg und Berlin auf, hier voranzugehen und sich für ein bundesweit einheitliches Angebot einzusetzen. Der Gesetzgeber sollte darüber hinaus alle Einrichtungen verpflichten, ihre freien Kapazitäten auf diesen Online-Portalen transparent zu machen.

Auch bei den Hilfeleistungen kann weniger Bürokratie betroffenen Menschen und Pflegepersonen das Leben deutlich erleichtern. Wir begrüßen daher, dass mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) nun Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem Entlastungsbudget zusammengefasst werden. Gleichzeitig sollte jedoch auch der Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat in ein flexibles Jahresbudget von 1.500 Euro umgewandelt werden, das zu einem beliebigen Zeitpunkt eines Jahres ausgeschöpft werden kann. Bislang müssen die Einzelbeträge bei höheren Ausgaben zunächst über mehrere Monate angespart werden.

2. Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige und Freunde

Mehr als drei Viertel der Pflegebedürftigen werden zu Hause von Angehörigen oder Personen aus dem Freundeskreis betreut. Für viele ist es ein Ausdruck von Fürsorge und Liebe, sich um nahestehende Menschen zu kümmern. Tatsächlich bringt diese herausfordernde Tätigkeit aber viele Pflegepersonen an ihre körperlichen und emotionalen Grenzen. Neben die Sorge um die zu Pflegenden tritt nicht selten die Angst, etwas falsch zu machen oder zu versagen.

Viele Betroffenen scheuen sich aus falscher Scham, offen über ihre Überforderung zu reden - dabei wäre gerade ein transparenter Umgang damit wichtig. Die TK tritt deshalb für eine Fehlerkultur und mehr Unterstützung von Pflegenden ein. 

So zeigt eine TK-Broschüre anhand konkreter Beispiele, wie man mit Krisen und Problemen umgehen kann. Der digitale "TK-PflegeCoach" ermöglicht es Angehörigen, sich Pflegetechniken und Maßnahmen des psychologischen Selbstschutzes anzueignen. Das kostenlose Online-Angebot "pflegen-und-leben.de" bietet in akuten Belastungssituationen anonym und datensicher Hilfe durch ein geschultes Psychologenteam.

3. Verbesserungen für Pflegekräfte

Der eklatante Mangel an Fachkräften ist schon jetzt eines der größten Probleme in der Pflege. Nach neuesten Berechnungen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) fehlten bereits im Jahr 2022 bundesweit rund 35.000 Pflegekräfte. Und er droht sich deutlich zu verschärfen - nicht nur wegen des demografischen Wandels.

Ungewöhnliche Arbeitszeiten und Wechselschichten, fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie starre Hierarchien in den Einrichtungen sind Faktoren, die Nachwuchs abschrecken und immer mehr Pflegekräfte aus dem Beruf drängen. Fehlende Karrieremöglichkeiten und mangelnde Anerkennung der großen Kompetenzen von Pflegefachkräften und ihrer wichtigen Arbeit am Menschen machen den Beruf als Alternative zum Studium gerade für junge Leute uninteressant.

Deshalb plädiert die TK in ihrem "Masterplan Pflege" nicht nur für eine Angleichung und Anhebung der Gehälter, vor allem in der Altenpflege, sondern auch für die Eröffnung neuer Karrierepfade und eine besser Arbeitsorganisation.

Die körperlichen und emotionalen Belastungen sind hoch: TK-versicherte Pflegekräfte in Berlin waren 2022 an 29,5 Tagen krankgeschrieben - über alle Berufe beliefen sich die Fehlzeiten nur auf 18,5 Tage. In Brandenburg konnten Beschäftigte in der Pflege sogar an 33,7 Tagen aufgrund von Krankheit nicht zur Arbeit kommen - während die AU-Tage allgemein nur 23,5 Tage betrugen. Ganz vorne bei den Gründen für die Krankschreibungen: Rückenprobleme und psychische Erkrankungen.

So lange fehlen Pfle­ge­kräfte nach Regionen

TK-Infografik zu Fehlzeiten von Pflegekräften nach Bundesländern. Basierend auf einer aktuellen TK-Auswertung. Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Die Fehlzeiten der Pflegekräfte unterscheiden sich je nach Region. Das geht aus einer aktuellen TK-Auswertung hervor.

Hier muss gegengesteuert werden: Die TK unterstützt deshalb gezielt diverse Projekte des betrieblichen Gesundheitsmanagements in Pflegeinrichtungen, unter anderem eine Studie zur Psychosozialen Gesundheit von Mitarbeitenden an der Berliner Charité.

4. Faire Kostenverteilung

Gute Pflege muss für die Betroffenen bezahlbar sein, ohne dass Menschen im hohen Alter noch den Gang zum Sozialamt antreten müssen. Tatsächlich steigt der Eigenanteil in der vollstationären Pflege seit Jahren kontinuierlich an. Im Jahr 2021 mussten Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen in Berlin im Durchschnitt 2.451 Euro aus eigener Tasche zahlen (ohne Zuschüsse), in Brandenburg waren es 2078 Euro. 

Die TK sieht mehrere Möglichkeiten, um pflegebedürftige Menschen finanziell zu entlasten und eine bezahlbare Betreuung in Pflegeinrichtungen zu gewährleisten.

  1.  Erhöhung der Leistungsbeträge. Steigende Kosten, unter anderem für Personal, dürfen nicht allein zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen. Die TK begrüßt deshalb die Anhebung der Leistungsbeträge durch die Bundesregierung und plädiert für eine jährliche Dynamisierung, die an volkswirtschaftliche Kennzahlen gekoppelt sein muss. Die dadurch entstehenden Mehr-ausgaben der Pflegekassen müssen jedoch kompensiert werden - zum Beispiel durch Übernahme der Rentenversicherungszahlungen für pflegende Angehörige durch den Bund. 
  2. Verstetigung der Steuerzuschüsse. Die pflegerische Versorgung von Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Höhere Kosten, etwa durch bessere Bezahlung der Pflegekräfte, dürfen nicht allein den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlen in Rechnung gestellt werden. Dier TK tritt deshalb für einen regelhaften und verbindlichen Steuerzuschuss ein, der in der Höhe an die Entwicklung der Leistungsausgaben gekoppelt ist.
  3. Höhere und verbindliche Beteiligung an den Investitionskosten durch die Bundesländer. Laut Sozialgesetzbuch (§ 9 SGB XI ) sind die Bundesländer gehalten, sich an den Investitionskosten der Pflegeinrichtungen zu beteiligen. Das geschieht jedoch in sehr unterschiedlicher Höhe. Das Land Berlin zahlt gerade mal sieben Euro pro Kopf und Jahr, das Land Brandenburg sogar nur drei Euro. Beide Länder liegen damit deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von 249 Euro. Die TK schlägt vor, die Übernahme der Investitionskosten für alle Bundesländer verbindlich zu regeln und auf eine angemessene Höhe festzulegen. 
  4. Finanzausgleich zwischen privater und sozialer Pflegversicherung. Die Pflegeversicherung ist seit 1995 eine Pflichtversicherung für gesetzlich wie für privat Versicherte. Während die Leistungen gleichwertig sind, ist die Finanzierung jedoch sehr unterschiedlich. Die Versicherungsbeiträge der sozialen Pflegeversicherung sind an das Einkommen der Mitglie-der gekoppelt - steigen die Ausgaben, werden die Beiträge vom Gesetzgeber regelmäßig erhöht. Die nächste Erhöhung liegt bereits auf dem Kabinettstisch. Private Anbieter der Pflegeversicherung hingegen machen die Beitragshöhe am Alter und am individuellen Gesundheitsrisiko ihrer Versicherten fest. Zugleich sind ihre Leistungsausgaben durchschnittlich geringer. Dies ermöglicht der privaten Pflegeversicherung, hohe Rücklagen aufzubauen und den Beitragsanstieg zu dämpfen. Doch gute Pflege ist eine solidarische Aufgabe aller. Um die ungleiche Verteilung der Lasten zu auszugleichen, fordert die TK deshalb. einen Finanzausgleich zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung.

5. Bessere Nutzung der Digitalisierung

Die Digitalisierung gehört in allen Lebensbereichen längst zum Alltag, weil sie Arbeit und Leben er-leichtern kann. Auch in der Pflege müssen diese Möglichkeiten noch stärker genutzt werden.
Computer können und sollen Menschen nicht ersetzen. Aber die Digitalisierung kann Pflegenden mehr Zeit verschaffen, sich um andere Menschen zu kümmern. 

Die TK unterstützt pflegende Angehörige durch verschiedene Angebote, etwa digitale Pflegeanträge oder Online-Schulungen für Pflegende. Daneben treten wir für die Errichtung regionaler und bundesweiter Online-Portale zum Finden von freien Pflegeplätzen ein.

Auch im ambulanten Bereich muss die Digitalisierung weiter an Fahrt aufnehmen: Die digitale Dokumentation von Pflegemaßnahmen - zum Beispiel eine automatische Übertragung gemessener Vitalwerte in den Pflegebericht oder eine digitale Erfassung von Pflegemaßnahmen durch Sprachkennung - könnte Pflegekräften Bürokratie und viele Stunden im Büro ersparen. Bei der Kommunikation zwischen den Leistungserbringern und verschiedenen Trägern der staatlichen Daseinsfürsorge ließen sich Ressourcen sparen und Reibungsverluste vermindern, wenn die Kommunikation digitalisiert und Prozesse standardisiert würden. 

Noch sind allerdings an vielen Stellen analoge Verfahren, Doppelstrukturen und unterschiedliche Dokumentationswege die Regel.   

Technische Assistenzsysteme wie Insulinpumpen und Überwachungssysteme würden Pflegende deutlich entlasten und ihnen mehr Raum für die Beschäftigung mit Patientinnen und Patienten geben. Sie müssen dringend Eingang in das Pflegehilfsmittelverzeichnis finden. Dieses wurde zwar im April 2021 prinzipiell für E-Lösungen geöffnet, aber bis heute noch immer nicht mit digitalen Hilfsmitteln gefüllt. Auch die neuen Zulassungsmöglichkeiten für digitale Pflegeanwendungen (DiPAs) sollten aus Sicht der TK konsequent genutzt und weiterentwickelt werden. Maßgebliches Kriterium muss dabei immer der Nutzen für Pflegende und Gepflegte sein.

Viele Kliniken in Berlin und Brandenburg haben die Vorteile der Digitalisierung bereits erkannt und Mittel aus dem Krankenhauszukunftsfonds beantragt . Hier gilt es, nicht nachzulassen und die neuen technischen Möglichkeiten weiter im Sinne von Patientinnen und Patienten sowie Beschäftigten auszubauen. Entscheidend ist ebenso, dass die Genehmigungsbehörden Anträge zügig bearbeiten.

Viele digitale Möglichkeiten in der Pflege werden nur deshalb nicht ausgeschöpft, weil Menschen eine Scheu vor der Nutzung der neuen technischen Tools haben. Die TK will ihren Versicherten diese Scheu nehmen, in dem sie die digitale Gesundheitskompetenz fördert, etwa durch den DiSK-Pflegecoach.

Um professionelle Pflegekräfte für zum Einsatz digitaler Möglichkeiten zu gewinnen, schlagen wir zudem vor, die Digitalisierung in allen Lehrplänen der Aus- und Weiterbildung zu verankern.
 

6. Strukturen der Versorgung am Lebensende stärken

Sterben in Würde zu ermöglichen - auch das ist Teil der Pflege. Die letzten Lebensmonate und -Tage sind eine besondere Zeit für Sterbende und deren Angehörige. Professionelle Unterstützung hilft dabei, den Sterbenden würdevoll zu begleiten.

Die Menschen in der Region Berlin und Brandenburg können auf ambulante und stationäre Hospize sowie die Leistungen der ambulanten Palliativversorgung zurückgreifen. Die TK förderte als Teil des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) die ambulante Hospizarbeit 2022 in Berlin mit mehr als 1,6 Millionen von über drei Millionen Euro, in Brandenburg mit knapp 430.000 von rund 1,6 Millionen Euro.

Erfreulich ist es, dass immer mehr Menschen in ambulanten Hospizdiensten tätig sind und zuletzt neue stationäre Hospize gegründet wurden - unter anderem in Berlin-Neukölln oder Luckau. Diese bestehenden Strukturen gilt es zu stärken und auszubauen.

Gute Pflege braucht bessere Bedin­gungen

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