Boomer-Revolution im Pflegeheim
Artikel aus Berlin/Brandenburg
Wir sind viele. Und wir sind anders: Wenn die Babyboomer ins pflegebedürftige Alter kommen, wird sich alles ändern - unsere Glosse.
Wir wollen es selbst nicht wahrhaben und den einen oder anderen Gesundheitsminister wird es überraschen, aber es ist leider unumstößlich: Wir Boomer von heute sind die Alten von morgen. Doch worüber bei all der berechtigten Sorge um unsere künftige Pflege viel zu wenig gesprochen wird: Wir sind nicht nur sehr viele - wir sind vor allem anders! Und manchmal etwas speziell.
Punk statt Volkslieder
Wir werden keine Volkslieder singen, sondern im Gruppenraum Punk oder Heavy Metal aufdrehen. Statt auf Kaffeefahrt geht es in die Waldbühne - zum gefühlt 110. Bühnenjubiläum der Stones, die dann - man darf es inzwischen getrost vermuten - noch immer nicht in Rente sind
Uns wird man nicht mit salzarmem Frikassee abspeisen - wir löffeln Quinoa-Bowls. Die dürfen dafür gern geliefert werden - an geregelte, selbstgekochte Mahlzeiten sind die meisten von uns ohnehin nicht mehr gewöhnt. Unser Essen auf Rädern bringt schon lange der Pizzabote oder der Asia-Lieferdienst.
Memory-Spielen als Gedächtnisübung? Wozu? Das Denken haben wir schon in guten Zeiten dem World Wide Web und dem Navigationssystem im Auto überlassen. Das Internet vergisst zum Glück ja nie.
Auch mit Seniorengymnastik kann man uns schwerlich aus dem Sessel locken: Yoga und andere Entspannungstechniken ersetzen uns schon heute locker jeden anstrengenden Sport. Warum sollte sich das ausgerechnet im Alter ändern?
Auf Hausarztbesuche im Pflegeheim können Teile unserer Generation gern ganz verzichten: Herzfrequenz und Blutdruck misst unsere Smartwatch seit Jahren automatisch und dank Dr. Google wissen viele ohnehin vermeintlich besser als jeder Arzt, was ihnen fehlt.
Zwangsduzen schmeichelt uns
Wenn wir im Pflegeheim geduzt werden, empfinden wir das keineswegs als respektlos. Im Gegenteil: Wir fühlen uns geschmeichelt, denn jedes Du macht doch irgendwie auch jung.
Statt vom Krieg werden wir den drei übrig gebliebenen Pflegekräften oder irgendeinem Roboter von den Corona-Jahren erzählen, vom Autofahren ohne Gurt und Tempolimit oder davon, dass man früher keine E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten schrieb, sondern tatsächlich noch telefonierte, wenn man anderen etwas sagen wollte.
Wie heißt es so schön: Man ist nur so alt, wie man sich fühlt? Genau so ist es: Obwohl wir Boomer immer älter werden, sind wir gefühlt jünger als alle Alten vor uns.