"Das Zauberwort heißt Prävention."
Interview aus Berlin/Brandenburg
Brandenburgs Landesseniorenbeauftragter Norman Asmus erklärt im Interview, wie das Land den Herausforderungen der alternden Gesellschaft begegnen kann.
TK: Herr Asmus, als Landesseniorenbeauftragter sind sie zentraler Ansprechpartner und Übersetzer für die Interessen älterer Menschen in die Verwaltung und die Politik hinein. Was sind die drei größten Sorgen und Probleme der älteren Menschen in Brandenburg?
Norman Asmus: Im Zuge der aktuellen Fortschreibung der Seniorenpolitischen Leitlinien der Landesregierung habe ich eine Befragung in Auftrag gegeben, an der 844 Brandenburgerinnen und Brandenburger ab 60 Jahren teilgenommen haben. Erfreulich ist, dass 87 Prozent der Teilnehmenden mit ihrem Leben allgemein zufrieden waren.
Befragt nach Zukunftssorgen gaben drei Viertel der Antwortenden an, dass Krieg für sie die größte Sorge darstellt. Da die Befragung im Sommer 2022 kurz nach Ausbruch des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine stattfand, ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich, stimmt aber sehr nachdenklich. Bei der Vorgängerbefragung vor acht Jahren spielte dieser Umstand keine Rolle.
Danach folgen in der Befragung die Sorge um die eigene Gesundheit und die fehlende Mobilität im Alter, die regelmäßig bei solchen Erhebungen weit vorne rangieren.
"Wer rastet, der rostet!"
TK: Viele Menschen haben Angst, dass sich gute Pflege im Alter nicht leisten können. Wie kann die Landesregierung hier gegensteuern?
Asmus: Das Zauberwort heißt Prävention. Jede und jeder kann etwas für die eigene Gesundheit tun, um möglichst lange aktiv und fit zu bleiben. Mein Motto hierzu lautet: "Wer rastet, der rostet!". Regelmäßige Bewegung, eine bewusste Ernährung und ein lebendiges soziales Umfeld helfen dabei, gesundheitlichen Beeinträchtigungen frühzeitig zu begegnen. Die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist dabei übrigens immer eine gute Idee.
Mit dem Ende 2020 gestarteten "Pakt für Pflege" unterstützt die Landesregierung aktiv dabei, präventive Angebote insbesondere für Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen auf- und auszubauen. Ziel ist es, die häusliche Pflege zu stärken und damit ein von den meisten Menschen gewünschtes Älterwerden im vertrauten Wohnumfeld zu ermöglichen. Dafür stehen jährlich 20 Millionen Euro zur Verfügung.
Herzstück ist das Programm "Pflege vor Ort", über das jede Kommune ein Budget erhält, um von alltagsunterstützenden Angeboten bis zum gemeinsamen Mittagessen vielfältige Angebote vor Ort auf die Beine zu stellen. Es geht um die vermeintlich "kleinen" Hilfen, die aber häufig entscheidend dafür sind, dass Menschen mit Pflegebedarf zuhause wohnen bleiben können.
Mittlerweile machen 85 Prozent der Städte und Gemeinden mit - wie ich finde, eine tolle Entwicklung, die nach der Landtagswahl unbedingt fortgesetzt werden sollte.
TK: Ist Einsamkeit ein Thema? Wie kann man ihr entgegenzuwirken?
Asmus: Gerade im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Einsamkeit zugenommen genauso wie die Zahl der Betroffenen. Kinder, Jugendliche, Singles um die 30 und ältere Menschen litten besonders unter den Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen.
Gerade wenn Einsamkeit sich chronisch verfestigt, hat sie oftmals negative gesundheitliche Folgen.
Gerade wenn Einsamkeit sich chronisch verfestigt, hat sie oftmals negative gesundheitliche Folgen. Das beeinträchtigt die eigene Lebensqualität und belastet das Gesundheitssystem. Wir sind also gut beraten, solchen Entwicklungen gemeinsam zu begegnen.
Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Landesregierung die Bekämpfung von Einsamkeit in die Seniorenpolitischen Leitlinien als Ziel aufgenommen hat. Das beste Rezept dabei sind stabile soziale Netzwerke, funktionierende Nachbarschaften.
Hier wollen wir unterstützen, wie mit den vom Land geförderten 51 Familienzentren im ganzen Land Brandenburg, oft an Mehrgenerationenhäusern. Diese richten sich mit ihren vielfältigen Angeboten an Jung und Alt und helfen, Gemeinschaft zu erleben. Wenn es überall solche Orte gibt, dann hat Einsamkeit wenig Chancen.
TK: Was braucht unsere Gesellschaft, um würdevoll zu altern?
Asmus: Auf jeden Fall ein positives Altersbild jenseits von Klischees und Vorurteilen. Auch hier hat uns Corona zurückgeworfen als nur noch von einer vulnerablen Personengruppe die Rede war.
Heute umfasst die nachberufliche Lebensphase oft 20 bis 30 Jahre bei meist guter Gesundheit. Das lässt Raum für die Verwirklichung eigener Interessen und Wünsche, der von vielen Menschen genutzt wird. Das bedingt natürlich eine finanzielle Situation im Alter, die dies ermöglicht. Dazu gehört, etwas gegen verdeckte Altersarmut zu tun.
Bis zu 60 Prozent der anspruchsberechtigten Älteren nehmen die Ihnen zustehenden staatlichen Leitungen nicht in Anspruch, sei es aus Unkenntnis oder Schamgefühl. Hier bedarf es unterstützender Angebote im vertrauten Umfeld, wie den bereits genannten Familienzentren. Und zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass die gewonnenen Lebensjahre gerade im höheren Alter mit Pflegebedarf verbunden sein können.
Pflege wieder zur Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft zu machen, ist ein wichtiger Schritt, um eine Gesellschaft des langen Lebens positiv zu gestalten.
"Im Fitnessstudio begegnen mir immer mehr Ältere"
TK: Was tun Sie persönlich für ihre geistige und körperliche Fitness?
Asmus: Ich sagte ja schon, wer rastet, der rostet. Das beherzige ich auch selbst. Ich jogge gerne, am liebsten in Gesellschaft wie mit der Laufgruppe des Sozialministeriums, die regelmäßig beim Potsdamer Firmenlauf dabei ist. Man kann mich aber auch in einem Fitnessstudio treffen, in dem mir immer mehr Ältere an den Geräten begegnen. Zu Hause liegt die Yogamatte neben der Couch und mal gewinnt die eine, mal die andere.
Und die Arbeit für und mit Seniorinnen und Senioren hält mich geistig auf Trab, da kommt bei der Themenvielfalt keine Langeweile auf. Insofern hoffe ich, gut vorbereitet für das Älterwerden zu sein.
Zur Person
Norman Asmus ist gebürtiger Brandenburger, studierter Verwaltungswirt und hat sich sein ganzes Berufsleben mit Sozialpolitik beschäftigt. Seit 1996 ist er in unterschiedlichen Bereichen im Brandenburger Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) beschäftigt. Im Juni 2020 wurde er zum Landesseniorenbeauftragten ernannt.