Thüringerinnen und Thüringer offen für nötige Veränderungen der Klinikstruktur
Artikel aus Thüringen
Die medizinische Daseinsvorsorge auch zukünftig sicherzustellen und an Behandlungsbedarf und Fachkräfterealität anzupassen, ist in Thüringen die zentrale gesundheitspolitische Aufgabe. Die Menschen im Freistaat sind für Strukturveränderungen, zum Beispiel in der Kliniklandschaft, offener, als es die eine oder andere veröffentlichte Meinung vermuten lässt.
"Selbst wenn wir alles Geld der Welt hätten, hätten wir nicht die Menschen, um alle (gesundheitsversorgenden) Strukturen aufrechtzuerhalten", sagte Dr. Bernhard Gibis, Leiter des Dezernates Sicherstellung und Versorgungsstruktur in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bereits vor fünf Jahren. In Thüringen ist diese Herausforderung bereits seit vielen Jahren offenkundig. Die neue Landesregierung wird Strukturen schaffen müssen, um eine Gesundheitsversorgung mit weniger Menschen zu organisieren. Inzwischen wird zudem immer offensichtlicher, dass auch das Geld knapp wird .
Thüringen hat bundesweit die höchste Dichte an Krankenhausbetten. Im Jahr 2022 wurden nur 65 Prozent der aufgestellten Betten auch tatsächlich genutzt. Wir wissen, zuletzt aus dem Gutachten zur Thüringer Krankenhausplanung, dass es im Freistaat ausreichend Klinikärztinnen und -ärzte und ausreichend Pflegekräfte in den Krankenhäusern gibt. Sie werden nur häufig nicht dort eingesetzt, wo sie tatsächlich gebraucht werden würden. Eine echte Reform in der Thüringer Krankenhauslandschaft lässt seit langem auf sich warten.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Menschen in Thüringen sind offen für nötige Strukturreformen .
Behandlungsqualität wichtiger als Wohnortnähe
Die meisten Thüringerinnen und Thüringer wissen, dass es ausreichend qualifizierte Menschen braucht, um Behandlungsqualität zu ermöglichen. Ein weiterer entscheidender Faktor für eine gelungene Behandlung ist eine gewisse Routine.
Mehr als acht von zehn Thüringerinnen und Thüringer ziehen für eine planbare Behandlung oder Operation ein Krankenhaus vor, das umfassende Erfahrungen mit der für sie anstehenden Behandlung oder Operation hat, auch wenn es weiter weg vom eigenen Wohnort ist als andere.
Behandelnder Arzt und Qualitätsindikatoren ausschlaggebend für Klinikwahl
Auch wenn Wohnortnähe und Qualität nicht direkt gegenübergestellt werden, ist die untergeordnete Bedeutung, das behandelnde Krankenhaus schnell von zu Hause zu erreichen, unübersehbar: Die Nähe zum eigenen Wohnort sahen die Hälfte der befragten Menschen als wichtigen oder sehr wichtigen Aspekt, wenn sie eine für ihre anstehende Behandlung oder OP passende Klinik suchen. Geringe Komplikationsraten und objektive Qualitätsdaten fanden mehr als neun von zehn Befragte wichtig. Damit haben Qualitätsindikatoren den höchsten Stellenwert für die Entscheidung.
Der Empfehlung ihres behandelnden Arztes beziehungsweise ihrer behandelnden Ärztin messen knapp 90 Prozent der Menschen im Freistaat eine hohe Bedeutung zu. Die Zahl der in der Klinik durchgeführten OPs im sie selbst betreffenden Bereich bewerten acht von zehn Thüringerinnen und Thüringer als wichtig oder sehr wichtig.
Persönliche Ängste nicht gegen Daseinsvorsorge ausspielen
All diese Einschätzungen zeigen, dass eine Versorgungsplanung, die an der Fachkräfterealität und Qualitätsindikatoren orientiert ist, von einer breiten Mehrheit der Menschen akzeptiert wird.
Natürlich ist ein Krankenhaus oder eine Fachabteilung immer auch Wirtschaftsfaktor und nicht zuletzt Arbeitgeber für die Region. Deswegen ist es absolut nachvollziehbar, wenn Menschen Angst haben, sobald die Rede davon ist, einen Klinikstandort zu verändern. Menschlich ist auch verständlich, dass diese Angst zu Wut werden kann.
Gleichzeitig muss es zuerst darum gehen, dass Gesundheitsversorgung sicher ist und möglichst auch in ein paar Jahrzehnten noch funktioniert. Ein zum regionalen Gesundheitszentrum umstrukturiertes Krankenhaus, in dem vor allem ambulant behandelt wird und kurzzeitige Übernachtungen ebenfalls möglich sind, bleibt Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. Zudem sorgt es dafür, dass Gesundheitsversorgung deutlich zielgenauer passiert.
Thüringen muss in die sektorenübergreifende Versorgungsplanung einsteigen, schnell und ganz besonders in ländlichen Regionen, die vom Bevölkerungsrückgang besonders betroffen sind und deren Attraktivität für Fachkräfte derzeit schwindet.
Hinweis für die Redaktion
Für die repräsentative telefonische Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Mai und Juni 2024 insgesamt 501 Personen ab 18 Jahre bevölkerungsrepräsentativ für das Bundesland Thüringen.