Krankenhausreform: Planungssicherheit und Transformationsprozess
Interview aus Thüringen
Dr. Hans-Jörg Bittrich ist seit Juni 2023 Präsident der Landesärztekammer Thüringen. Im Interview spricht der Krankenhausarzt über das Ehrenamt und erläutert, was die Krankenhausreform für Thüringen bedeutet.
TK: Sie sind jetzt gut zwei Monate Präsident der Landesärztekammer Thüringen. Wie hat das Amt Ihren Alltag - beruflich wie auch privat - verändert?
Dr. Hans-Jörg Bittrich: Durch meine Zeit als Vizepräsident der Ärztekammer wusste ich in etwa, was auf mich zukommt. Insofern war ich gut vorbereitet. Auch das sehr gute Team, das ich habe und das ich schon kannte, hat mir meinen Einstieg erleichtert. Dennoch war ich ein bisschen über meinen plötzlich so vollen Terminkalender überrascht und das auch noch in der sogenannten Sommerpause. Inzwischen habe ich eine gute Abstimmung zwischen meiner Arbeit im Helios Klinikum und der als Präsident gefunden und freue mich über die allseitige Unterstützung, die mir zuteil wird. Sonst könnte man ein solches Amt auch nicht verantwortungsvoll ausüben.
Meine Abende verlaufen jedenfalls jetzt schon anders als früher, denn in zahlreiche Themen gilt es sich einzuarbeiten und über den aktuellen Sachstand bis ins Detail Bescheid zu wissen. Da hatte man als Vize schon eine komfortablere Position. Da mir die Arbeit aber Spaß macht, ist das alles nicht schlimm.
TK: Sie sagten neulich im MDR Thüringen Journal sinngemäß, dass die Krankenhausreform gute Chancen für Thüringen bietet. Können Sie das bitte noch etwas ausführen?
Dr. Bittrich: Eine Krankenhausreform ist aus unserer Sicht dringend notwendig. Den Krankenhäusern geht es wirtschaftlich schlecht. Den kalten Strukturwandel erleben wir schon bei einer Vielzahl geburtshilflicher Einrichtungen. Konkret heißt das, wir brauchen Planungs- und Zukunftssicherheit für jede bedarfsnotwendige Fachabteilung und einen längeren, gesicherten Transformationsprozess für die anderen Fachabteilungen.
Einer meiner Schwerpunkte der Kammerarbeit war bisher immer die Versorgungsqualität gewesen und die Reform zielt auf die Verbesserung der Versorgungsqualität. Die Finanzierung der Krankenhäuser zu 60 Prozent über eine Vorhaltepauschale und die Verringerung der Fehlsteuerung durch das DRG-System ist eine Chance für die Krankenhäuser, das, was bedarfsnotwendig ist, in guter Qualität zu leisten.
Wir brauchen Planungs- und Zukunftssicherheit für jede bedarfsnotwendige Fachabteilung und einen längeren, gesicherten Transformationsprozess für die anderen Fachabteilungen.
Dennoch ist noch vieles bei der Krankenhausreform unkonkret und ich vermisse einige Dinge wie die Frage der ärztlichen Weiterbildung. Die Ausgestaltung der Krankenhausreform muss in unserem Land erfolgen und zu einer gerechten Versorgungssituation in den Städten und ländlichen Regionen führen.
TK: Die beschlossenen bundesweit einheitlichen Leistungsgruppen sind ein Hauptbestandteil der Krankenhausreform. Kleinere Kliniken könnten in das sogenannte Level 1i eingestuft werden. Wie bewerten Sie das?
Dr. Bittrich: Krankenhäuser in Versorgungsstufen einzuteilen, ist viel zu komplex und wird meines Erachtens nach nicht erfolgen. Die bundesweit einheitlichen Leistungsgruppen an sich sind keine schlechte Idee, auch um eine gewisse Vergleichbarkeit zu erzielen. Für die Versorgung im Land muss berechnet werden, welche Fachabteilungen regional mit welcher Kapazität gebraucht werden.
Die Leistungsgruppen der Grundversorgung, also Innere Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe und Kinderheilkunde, muss man in einer zumutbaren Zeit erreichen können. Diese Fachabteilungen könnten dann in unterversorgten Regionen die ambulante Versorgung der Bevölkerung mit übernehmen. Die Verbindung von ambulanter und stationärer Behandlung ist ein schon lange gehegter Wunsch unserer Patientinnen und Patienten. Wichtig ist allerdings, dass wir die Versorgung effizient gestalten, Doppelstrukturen vermeiden und die Aufgaben dieser Häuser genau definieren. Da bin ich auf jeden Fall schon gespannt, wie das gelingen wird.
Die Verbindung von ambulanter und stationärer Behandlung ist ein schon lange gehegter Wunsch unserer Patientinnen und Patienten.
TK: Sie fordern immer wieder öffentlich, dass die Versorgung bei einem Herzinfarkt in Thüringen verbessert werden muss. Inwieweit lässt sich die grundsätzliche Forderung dahinter nach mehr Vernetzung und Kooperation auf die ärztliche Versorgung insgesamt übertragen?
Dr. Bittrich: Mit dem Herzinfarkt-Netzwerk wollen wir die direkte Übergabe von Patientinnen und Patienten vom Notarzt ans Herzkatheterlabor beschleunigen, sodass nach dem Auftreten von Symptomen eines akuten Herzinfarkts möglichst wenig Zeit bis zur rettenden Koronarintervention vergeht. Das funktioniert in einigen Regionen schon gut. Gerecht wäre es aber, wenn es im ganzen Land funktioniert. Das ist eine komplexe Aufgabe, bei der der Rettungsdienst, die Notfallzentren und die Kardiologen zusammenarbeiten müssen und die strukturelle Planung muss durch das Gesundheitsministerium erfolgen.
Ich sehe da gute Chancen, das schnell und erfolgreich in Thüringen umzusetzen. Diese strukturelle Planung und ärztliche Kooperation ist vor allem für die Versorgung lebensbedrohlicher Notfälle wichtig.
TK: Zuletzt ein Blick in die Glaskugel: Wie lange werden uns die Krankenhausreform und der nächste Thüringer Krankenhausplan Ihrer Meinung nach noch beschäftigen?
Dr. Bittrich: Für den nächsten Thüringer Landeskrankenhausplan gibt es konkrete Zeitangaben und ich hoffe, die können erreicht werden. Der Transformationsprozess wird aber länger dauern, als es uns lieb sein wird.
Der Transformationsprozess wird länger dauern, als es uns lieb sein wird.
Zur Person
Dr. Hans-Jörg Bittrich ist seit Juni Präsident der Landesärztekammer Thüringen. Zuvor war er bereits vier Jahre Vizepräsident der Landesärztekammer. Der Kinderarzt und Neonatologe lebt und arbeitet als Krankenhausarzt in Erfurt.