Erste Bilanz: Telemedizin für krebskranke Kinder
Interview aus Schleswig-Holstein
Das Projekt KULT-SH zielt darauf ab, den Alltag von krebskranken Kindern und Jugendlichen zu erleichtern. Hierzu wird ein Teil der zeitaufwendigen Vor-Ort-Visiten durch telemedizinische Betreuung ersetzt. Im Interview berichten Prof. Dr. Denis Schewe und PD Dr. Dr. Fabian-S. Frielitz von den bisherigen Erfahrungen.
TK: Wie bewerten Sie die bisherige Nutzung des Behandlungsmodells KULT-SH aus Ihrer Sicht? Wie sind die Rückmeldungen der Teilnehmenden?
Prof. Dr. Denis Schewe: Die bisherige Nutzung des Behandlungsmodells KULT-SH bewerte ich sehr positiv. Die Rückmeldung der Teilnehmenden werden formal erst zum Studienende ausgewertet. Mündlich spürt man aber die Begeisterung von Patientinnen und Patienten sowie der Familien für das Projekt, insbesondere in den Telemedizin-Phasen. Es gab bisher keine Zwischenfälle, die eine Fortführung und einen Ausbau des Behandlungsmodells gefährden würden. Stand heute erscheint Telemedizin bei kinderonkologischen Patientinnen und Patienten in der Intensivtherapie sicher. Die Studie ist aber noch nicht abgeschlossen.
Mündlich spürt man die Begeisterung von Patientinnen und Patienten sowie der Familien für das Projekt, insbesondere in den Telemedizin-Phasen.
TK: In einem ländlich geprägten Bundesland wie Schleswig-Holstein gilt es, die Versorgung auch auf dem Land ausreichend sicherzustellen. Eine Prämisse des Projekts war es von Beginn an, lange Anfahrtswege zu vermeiden. Ließen sich teilnehmende Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Standort im selben Maße über das telemedizinische Angebot erreichen und durch das Angebot entlasten?
PD Dr. Dr. Fabian-S. Frielitz: Gerade in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein, zu dem auch Inseln zählen, können Betroffene durch die Vermeidung von Anfahrtswegen besonders profitieren. Auch muss darauf verwiesen werden, dass bei den zahlreichen Landstraßen und Baustellen vermeintlich kürzere Wegstrecken für die Familien zeitaufwendig sein können. Nicht zu unterschätzen ist neben dem reinen Transfer zur Klinik die grundsätzliche familiäre Organisation zur Wahrnehmung eines Termins im Krankenhaus, wenn Familien parallel auch die Geschwisterkinder des Betroffenen Kindes oder Jugendlichen einbeziehen müssen. Grundsätzlich kann man aber feststellen, dass teilnehmende Familien unabhängig von ihrem Standort gerne teilnehmen.
TK: Welche Unterschiede nehmen Sie zwischen den Gesprächen über die Audio-Video-Konferenzen und den persönlichen Vor-Ort-Gesprächen wahr?
Prof. Schewe: Inhaltlich laufen diese beiden unterschiedlichen Terminarten ganz ähnlich ab. Es ist aber deutlich spürbar, dass die Patientinnen und Patienten bei Vor-Ort-Gesprächen lieber Telemedizin gemacht hätten, wenn sie diese Behandlungsform schon kennen. Das Studiendesign sieht einen Wechsel der Therapiemodelle zur Halbzeit der Studienteilnahme vor. Nach einer Telemedizin-Phase wieder Vor-Ort-Termine in höherem Umfang wahrnehmen zu müssen, ist für die Familien schwierig. Nach Vor-Ort-Terminen in die Telemedizin wechseln zu dürfen, wird als Entlastung empfunden. Nichtsdestotrotz sind diese beiden Phasen für eine sinnvolle Evaluation des Projektes in puncto Sicherheit unerlässlich.
TK: Die wissenschaftliche Begleitung und die Evaluierung des Behandlungsmodells laufen. Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse bisher? Gibt es auf Basis dessen bisher Überraschungen oder besondere Auffälligkeiten, die Sie so nicht erwartet hätten?
PD Frielitz: Aus Sicht der Evaluation zeichnet sich bei den ersten Patienteninterviews (Qualitative Datenanalyse) eine hohe Patientenzufriedenheit ab. Die Möglichkeit Vor-Ort-Gespräche durch telemedizinische zu ersetzen, wird positiv wahrgenommen. Patientinnen und Patienten berichten, dass sie sich auch im Rahmen eines telemedizinischen Termins gut versorgt fühlen und wichtige Fragen genauso gut wie bei einem Vor-Ort-Gespräch mit ihrem behandelnden Arztpersonal besprechen können.
Wichtige Erkenntnisse wurden im Rahmen der Entwicklung der KULT-SH-App gemacht im Hinblick auf die Herausforderung, die Interoperabilität der eingesetzten Systeme zu lösen: Fieberthermometer-Messung, Sauerstoffsättigung-Sensormessung, Patientenaktenanbindung, Krankenhausinformationssystemanbindung, Anbindung an das Onlinefragebogentool.
Ich bin überzeugt, dass dieses Angebot gut in eine zukünftige Versorgung passt, die zunehmend digital geprägt sein wird.
Zudem stellt die Rekrutierung während der Pandemie bei einem gleichzeitigen maximalen Versorgungsangebot in den Kliniken das Projektvorhaben vor eine unerwartete Situation. Um weitere Effekte der KULT-SH-App (quantitative Datenanalyse) berichten zu können, müssen noch weitere Patientinnen und Patienten das Angebot genutzt haben. Ich hoffe, wir erreichen die notwendigen Fallzahlen, denn ich bin überzeugt, dass dieses Angebot gut in eine zukünftige Versorgung passt, die zunehmend digital geprägt sein wird.