Datenanalysen sind #Chefinsache
Artikel aus Mecklenburg-Vorpommern
In der #Chefinsache blickt Manon Austenat-Wied auf die Datennutzungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen und telemedizinische Versorgungspotentiale.
TK: Frau Austenat-Wied, das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und das Digital-Gesetz (DigiG) ebnen den Weg für eine modernere Versorgungslandschaft. Welche Effekte haben die eingeführten Regelungen auf die Versorgungssituation in Mecklenburg-Vorpommern?
Manon Austenat-Wied: Das Wichtigste ist, dass die digitalen Gesundheitslösungen stärker im Versorgungsalltag der Patientinnen und Patienten ankommen. Wir brauchen Ärztinnen und Ärzte, die mehr Videosprechstunden anbieten und so die immer älter werdende Bevölkerung bei den grundlegenden medizinischen Anliegen versorgen können. Gleichzeitig müssen diese aber so organsiert und strukturiert sein, dass auch die Medizinerinnen und Mediziner sie als Mehrwert erleben. Diese Perspektive sollten wir bei allen digitalen Lösungen stärker in den Blick nehmen. Auch die elektronische Patientenakte (ePA) wird nur ein Erfolg, wenn alle wichtigen Daten dort wie selbstverständlich abgelegt sind und die Patientinnen und Ärzte damit unkompliziert arbeiten können.
Damit die Telemedizin fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung Mecklenburg-Vorpommerns wird, ist es gut, dass die Mengenbegrenzungen aufgehoben wurden. Mit der assistierten Telemedizin wird außerdem ein niedrigschwelliger Zugang zur Versorgung geschaffen. Auch dies betrachten wir positiv für die medizinische Versorgung unserer Kundinnen und Kunden im Bundesland. Die Entscheidung, ob ein Arzttermin in der Praxis oder per Videokonferenz stattfindet, kann nur der Arzt oder die Ärztin treffen. Die Frage, ob die Ärztinnen und Ärzte noch Budget für Videotermine haben, darf dabei keine Rolle spielen.
TK: Auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) ist in Kraft getreten. Welche Auswirkungen erwarten Sie durch dieses Gesetz?
Manon Austenat-Wied: Es ist wichtig, dass das Thema Gesundheitsdatennutzung im Gesundheitswesen wieder mehr Dynamik bekommt. Ein einfacher Anwendungsfall von der Kombination datenbasierter und digitaler Lösungen ist die digitale Medikationsübersicht in der elektronischen Patientenakte. Durch eine enge Verknüpfung mit dem weiterentwickelten E-Rezept können durch die Medikationsübersicht Wechselwirkungen vermieden werden und die Ärztinnen und Ärzte werden im Behandlungsverlauf unterstützt. Gleichzeitig gibt es aber auch Felder, wo die Gesundheitsdatennutzung noch deutlich zu gering ausgeprägt ist. Dabei denke ich etwa an die Planungsprozesse in der stationären Versorgung.
TK: Was meinen Sie damit konkret?
Austenat-Wied: Bereits seit 2011 schreibt das Land Mecklenburg-Vorpommern den Krankenhausplan fort und zementiert durch die bloße Festschreibung der Bettenkapazitäten Strukturen, die nicht mehr passgenau sind. Wenn das Land Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit den am Versorgungsprozess beteiligten Institutionen einen datenbasierenden Planungsansatz verfolgen würde, könnten wir die dortigen Strukturen viel besser an den Bedarfen ausrichten. Außerdem könnten wir unter Einbezug ambulanter Versorgungsdaten eine echte sektorenübergreifende Versorgungsplanung realisieren. Dafür bräuchte es aber vor allem im ambulanten Bereich schnellere Datenlieferungsfristen.
TK: Sie meinen die Übermittlung der Abrechnungsdaten an die Kassen?
Austenat-Wied: Ja, die Krankenkassen erhielten die entscheidenden Abrechnungsdaten der ambulanten Leistungserbringenden erst sechs bis neun Monate, nachdem die Versicherten bei der Ärztin oder beim Arzt waren. Das GDNG reduziert den Zeitraum immerhin auf maximal vier Monate. Wenn wir in Planungsprozessen und bei der Entwicklung passgenauer Angebote dynamisch sein wollen, brauchen wir eine schnellere Datenlieferung. Mit den tagesaktuell übermittelten Diagnosedaten könnten wir als Solidargemeinschaft individuell passgenauere Versorgungslösungen entwickeln, für eine bessere Gesundheit unserer Versicherten.
Wir - also alle Kranken- und Pflegekassen - haben durch das GDNG die Möglichkeit, unseren Versicherten auf Basis von Abrechnungsdaten personalisierte Hinweise zu geben, wenn diese dem individuellen Gesundheitsschutz dienen. Hier könnten wir gemeinsam mit den Leistungserbringenden - bei entsprechender Datenlage - noch besser für die Gesundheit der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern wirken.
TK: Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere positive Auswirkungen einer besseren Datenverfügbarkeit im Gesundheitswesen?
Austenat-Wied: Wie bereits skizziert, spielen repräsentative Daten in der Forschung und Entwicklung eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie in Planungsprozessen. Das Digital-Gesetz sieht auch vor, dass Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Medizinprodukte höherer Risikoklassen erweitert werden. Außerdem soll sich die Preisgestaltung stärker an Erfolgskriterien orientieren. Damit wird ein transparenter Qualitätswettbewerb zwischen den Anwendungen gefördert. Hier zeigt sich, dass Daten nicht nur ein wichtiger Faktor sind, um Innovationen zu ermitteln. Die Daten werden auch benötigt, um die Wirksamkeit von Innovationen zu ergründen. Aus meiner Sicht sollte das Land Mecklenburg-Vorpommern bei diesem Thema noch stärker Innovationstreiber sein. Mit zwei Universitätskliniken und einem hervorragenden Forschungsnetzwerk im demokratischen Ostseeraum, bestehen die Grundvoraussetzungen, um innovativ und wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Mit den beiden Gesetzen im Rücken und einer Portion Pioniergeist, kann die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Mecklenburg-Vorpommern weiter Fahrt aufnehmen.
TK: Vielen Dank für das Interview.