Der aktuelle DiGA-Report der Techniker Krankenkasse (TK), des Forschungsinstituts Vandage und der Universität Bielefeld zeigt: Von 2020 bis 2023 ist der durchschnittliche Preis einer DiGA um 50 Prozent gestiegen. Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, berichtet, wie es um die Nutzung von DiGA steht, wo die meisten DiGA verordnet werden und was sich ändern muss, damit DiGA ohne nachweislich belegten Nutzen die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht immer stärker finanziell belasten.

TK: Im DiGA-Report II der TK liegt der Fokus auf der Preisbildung der DiGA. Können Sie das näher ausführen?

Maren Puttfarcken: Im Jahr der Einführung 2020 lag der durchschnittliche Preis einer DiGA bei 418 Euro pro Quartal, drei Jahre später sind es bereits 628 Euro - ein Plus von 50 Prozent! Hier sehen wir eine sehr deutliche Preisspirale nach oben. Hersteller sind dazu übergegangen, die Abschläge, mit denen sie bei den Verhandlungen mit der GKV rechnen, zuvor beim Einrichtungspreis einzukalkulieren. Hintergrund ist, dass die App-Anbieter im ersten Jahr ihre Preise frei festlegen können, ohne einen Nutzennachweis zu erbringen. Das ist ein zentrales Problem bei der Preisbildung. Erst im zweiten Jahr müssen sie einen Nutzennachweis erbringen, und auch erst dann finden die Verhandlungen mit der GKV statt.

Neben den sehr hohen Preisen haben wir einen weiteren Kritikpunkt: Wenn Hersteller Gründe aufführen, weshalb sie nach dem Erprobungsjahr keinen Nutzennachweis erbringen können, muss die GKV erstmal weiter den höheren Preis zahlen. In dem Betrachtungszeitraum unseres DiGA-Reports II traf das auf 29 von 45 DiGA zu. Im Schnitt werden die Apps 256 Tag länger als ursprünglich geplant zu den höheren Preisen in der Erprobung erstattet. Das sehen wir kritisch, denn zum einen sollten sich Versicherte sicher sein können, dass die DiGA ihnen nachweislich hilft und zum anderen belasten die höheren Preise die GKV - und damit die Versichertengemeinschaft.

Die Universität Bielefeld sieht, dass das "Erprobungsmodell" bei den DiGA mehr und mehr zu einer Wirtschaftsförderung für die Start-ups und zu einem strukturellen Kostenrisiko für die GKV wird. Maren Puttfarcken

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: Was passiert, wenn die Verhandlungen mit der GKV stattgefunden haben?

Puttfarcken: Die Hersteller müssen nach der Verhandlung mit der GKV den Teil des Preises, der rückblickend zu viel gezahlt wurde, an die Krankenkassen zurückzahlen. Tritt nun der Fall ein, dass die App-Anbieter keine Rücklagen gebildet haben, sorgt das für zwei Probleme: Zum einen bleiben die Krankenkassen auf einem Teil der Rückforderungen sitzen, zum anderen droht den Herstellern ggf. die Insolvenz. Das ist natürlich nicht schön und hart für die Hersteller, aber es kann auch nicht sein, dass mit den GKV-Geldern Anwendungen finanziert werden, die keinen nachweislichen Nutzen haben. Die Universität Bielefeld sieht, dass das "Erprobungsmodell" bei den DiGA mehr und mehr zu einer Wirtschaftsförderung für die Start-ups und zu einem strukturellen Kostenrisiko für die GKV wird. Daran muss sich etwas ändern.

TK: Wer nutzt die Apps auf Rezept - wo werden sie am meisten verordnet, welche Aussagen können Sie über Hamburg treffen?

Puttfarcken: Bundesweit wurden bis Ende 2023 106.000 Freischaltcodes für DiGA bei der TK eingelöst. Am häufigsten verschrieben wurden Apps für die mentale Gesundheit (32.384), gegen Übergewicht und Diabetes (18.594) und gegen Rücken- und Knieschmerzen (17.996). Das Durchschnittsalter der DiGA- Nutzerinnen und -Nutzer liegt bei 45 Jahren, wobei der Anteil der Frauen mit 67,5 Prozent höher liegt als bei Männern. Die höchste Nutzungsquote sehen wir in Berlin (9,1 Freischaltcodes pro 1.000 TK-Versicherten), aber Hamburg hat mit 8,3 Freischaltcodes pro 1.000 TK-Versicherten eine ähnlich hohe Quote.

Hintergrund

Der DiGA-Report II hat die Nutzung der DiGA durch TK-Versicherte seit der Einführung im Oktober 2020 bis zum Stichtag Ende Juni 2023 ausgewertet.