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Was ist Angst überhaupt und wofür brauchen wir sie?

Angst ist ein Gefühl oder, modern ausgedrückt: eine Emotion. Es gibt immer mal wieder Versuche, sogenannte Grundemotionen zu definieren, die jeder Mensch hat. Dabei gibt es zwar verschiedene Varianten, aber die Angst ist immer dabei. Sie warnt uns vor Gefahren und bereitet unseren Körper auf schnelles Handeln vor. Deswegen ist es sehr einleuchtend, dass Angst überlebensrelevant für den Einzelnen und die gesamte Spezies ist.

Können Sie das bitte genauer erklären: Inwiefern kann Angst Leben retten?

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Prof. Dr. Jürgen Margraf; Foto: Alexander Basta
Anhand eines Beispiels aus dem Tierreich lässt es sich gut verdeutlichen: Würde ein Frosch, der über sich etwas Langes, Spitzes sieht, erst überlegen, ob es sich um einen Zweig oder einen Storch handelt, wäre er im Zweifel tot. Um zu überleben, muss er unglaublich schnell wegspringen - die Angstreaktion setzt deshalb automatisch ein, noch bevor das Hirn den Angstreiz vollständig verarbeitet und bewertet hat. Aufgrund der schnellen, unbewussten Verarbeitung kann es natürlich passieren, dass Lebewesen ohne tatsächliche Gefährdung in Angst versetzt werden. Durch die bewusste Einschätzung der Situation kann die Angstreaktion dann aber schnell wieder gestoppt werden und der Körper entspannt sich.

Wie reagiert unser Körper auf Angst?

Der Körper muss das schnelle Handeln vorbereiten. Das heißt, die Atmung wird schneller und auch das Schlagvolumen des Herzens erhöht sich. Typischerweise spannen sich auch die Muskeln an. Das hat zur Folge, dass man zum Beispiel schwitzt oder zu zittern beginnt. Gleichzeitig werden andere Körperfunktionen wie die Verdauung heruntergefahren. 

Das klingt im wahrsten Sinne des Wortes beängstigend. Wie verliere ich denn die Angst vor der Angst? 

Angst vor der Angst ist vor allem ein Problem bei der sogenannten Panikstörung, aber auch bei der Agoraphobie - der Angst vor öffentlichen Plätzen - und in geringerem Ausmaß auch bei anderen Phobien und bei der sozialen Angststörung.

Hinter der Angst vor der Angst steht oft die Befürchtung, dass die Angstsymptome etwas potenziell Gefährliches bedeuten. 

Dahinter steht häufig die Befürchtung, dass die Angstsymptome etwas anderes, potenziell Gefährliches bedeuten könnten. Wird den Betroffenen hingegen klar, dass Beschwerden wie Herzklopfen oder Zittern aufgrund der Angst entstehen und nicht etwa bedeuten, dass man am Rande eines Herzinfarktes steht, dann verlieren diese Symptome ihren übermäßigen Schrecken. Wenn man dann noch systematisch Angstsituationen übt, nimmt die Intensität der Beschwerden und vor allem eben auch die Angst vor diesen Beschwerden, also die Angst vor der Angst, deutlich ab.

Wie unterscheiden sich die Menschen in ihrer Angst?

Grundsätzlich haben alle gesunden Menschen Angst. Aber es gibt Varianzen in der Angstreaktion: Sie kann zum Beispiel stärker und weniger stark ausgeprägt sein, schneller oder langsamer ablaufen und eher den Körper, das Denken oder das Verhalten beeinflussen. Entscheidend ist, wie schnell die Angst wieder nachlässt, denn das sagt viel darüber aus, ob es sich um gesunde oder problematische Angstreaktion handelt.

Wie viel Angst ist denn "normal" und ab wann wird sie zur Krankheit?

Ganz grundsätzlich ist Angst als solche sinnvoll und notwendig. Eine Angststörung liegt vor, wenn die Angst unangemessen ist. Bedeutet: Sie ist zu stark oder hält zu lange an, tritt ohne ausreichenden Grund auf, lässt sich nicht kontrollieren und verursacht Leidensdruck. Wenn Sie beispielsweise über einen Zebrastreifen gehen und ein Auto kommt erst knapp vor Ihnen zum Stehen, dann ist Ihre Angst absolut nachvollziehbar. Können Sie den Zebrastreifen jedoch - ohne dass überhaupt ein Auto in Sicht ist - nicht überqueren, dann ist diese Angst übertrieben. Dazwischen gibt es Abstufungen. Solange man subjektiv das Gefühl hat, die Angst und die Situation kontrollieren zu können, hat sie kaum negative Folgen.

Fakten helfen meist wenig, wenn jemand Angst vor einer - aus objektiver Sicht - vollkommen harmlosen Situation hat. Was hilft stattdessen?

Es spricht nichts dagegen, erst einmal selbst zu versuchen, die Angst in den Griff zu bekommen. Wer unter Agoraphobie leidet, also der Angst vor öffentlichen Plätzen, kann zum Beispiel aufschreiben, warum er sich vor Kaufhäusern fürchtet, und im Anschluss an den dortigen Besuch schauen, ob sich die eigenen Befürchtungen bewahrheitet haben.

Man kann dafür sorgen, dass Angstreaktionen seltener auftreten, indem man zum Beispiel den Stress im Leben reduziert und sich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentriert.

Mit sogenannten kognitiven Verzerrungen, also falschen Bewertungen in Bezug auf eigene Körpergefühle oder Reaktionen anderer Menschen, ist es etwas schwieriger. Aber auch hier schaffen es manche Menschen, ihre Ängste mit Hilfe der Drei-Spalten-Technik zu regulieren: Dabei wird in drei Spalten gegenübergestellt, was objektiv passiert ist, wie die eigene Interpretation der Situation lautet und was ein neutraler Beobachter wohl dazu sagen würde.

Ganz grundsätzlich kann man dafür sorgen, dass Angstreaktionen seltener auftreten, indem man zum Beispiel den Stress im Leben reduziert und sich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentriert.

Funktioniert das nicht, empfehle ich eine psychologische Verhaltenstherapie. Die langen Wartezeiten sind hier ein großes Problem, weshalb Hausärztinnen und Hausärzte zur Überbrückung häufig Psychopharmaka verschreiben. Die können bei starken Ängsten hilfreich sein, aber sollten nicht dauerhaft eingesetzt werden.

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Hilfe bei krank­hafter Angst

Übermäßige Angst lässt sich gut behandeln. Erfahren Sie mehr über die therapeutischen Möglichkeiten.

Wie können Außenstehende dem Betroffenen helfen? 

Das hängt von der Situation ab und von der Beziehung der Außenstehenden zum Betroffenen. Handelt es sich um vollkommen fremde Personen, ist es den meisten Betroffenen lieber, wenn die Umwelt den Angstreaktionen möglichst wenig Aufmerksamkeit schenkt. Freunde oder Familienangehörige sollten hingegen versuchen, empathisch mitzuschwingen. Sie sollten Verständnis für die Angstreaktion zeigen, gleichzeitig aber auch vermitteln, dass es sich um keine reale Gefahr handelt, beziehungsweise dass man die Mittel hat, die Situation zu bewältigen.

Wer die Angst mit aller Gewalt zu unterdrücken versucht, verstärkt und verlängert sie paradoxerweise.

Je ruhiger und gelassener Freunde und Familie sind, desto eher können sie andere beruhigen. Sätze wie: "Das wird schon wieder" oder "Reiß dich zusammen" sollten dabei unbedingt vermieden werden. In manchen Fällen hilft es auch, gemeinsam mit dem Betroffenen eine Angstsituation aufzusuchen und diese gemeinsam durchzustehen. Dabei sollte jedoch immer klar sein, welcher Zweck dahintersteckt: Es geht nicht darum, in der Situation keinerlei Angst zu bekommen. Stattdessen sollen die Betroffenen erfahren, dass die befürchteten, katastrophalen Konsequenzen, zum Beispiel eine Ohnmacht, nicht eintreten und dass die Angst mit der Zeit von allein abnimmt, wenn man sie kommen lässt. Denn wer die Angst mit aller Gewalt zu unterdrücken versucht, verstärkt und verlängert sie paradoxerweise.

Welche positiven Effekte kann es haben, Ängste zu überwinden? 

Angst zu überwinden, ist eine wunderbare Erfahrung der Selbstwirksamkeit: Wer Ängste hinter sich lässt, macht die Erfahrung, auch mit großen Herausforderungen erfolgreich umgehen zu können. Das stärkt das Selbstvertrauen. Dabei ist es wichtig, sich selbst einzugestehen, was man Großartiges geleistet hat. Gerade Menschen mit Ängsten, die sich häufig schwach fühlen, neigen dazu, ihre eigenen Erfolge zu wenig wertzuschätzen.

Hier können Außenstehende helfen, indem sie den Betroffenen klarmachen, welch große Leistung diese vollbracht haben.

Angst zu überwinden, ist eine wunderbare Erfahrung der Selbstwirksamkeit. 

Hinter dem Begriff Mut steckt schließlich nicht die Freiheit von Angst, sondern die Überwindung von Angst. Die mutigen Menschen, die ich kenne und bewundere, sind unsere Angstpatientinnen und -patienten, die ihre Therapie erfolgreich abgeschlossen haben. 

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Entspan­nungs­tech­niken

Ängste vorbeugen und lindern - mit Entspannungstechniken, die zu Ihnen und Ihren Bedürfnissen passen.

Gibt es eigentlich Menschen, die gar keine Angst spüren?

Es gibt eine sehr kleine Gruppe Menschen, bei denen man vermutet, dass die körperliche Seite der Angst fehlt, beziehungsweise nur begrenzt vorhanden ist. Bei diesen Personen zeigt die Amygdala - das ist eine Hirnregion, die sozusagen als "Alarmzentrale" fungiert - keine wirkliche Reaktion. Diese Menschen merken zwar, dass etwas passiert, aber sie können es nicht richtig einordnen. Daneben gibt es noch die allerdings umstrittene Idee, dass bei der sogenannten Soziopathie veränderte Angstreaktionen vorliegen.

Welche Faktoren entscheiden darüber, ob und vor wovor wir Angst haben?

Angst ist uns angeboren. Bestimmte Ängste kommen zuerst, andere entstehen später. Einige wachsen sich aus, andere nicht mehr so ganz. Aber Ängste werden auch gelernt. Versuche zeigen, wie Ängste von Erziehungspersonen an Kinder weitergegeben werden. Wenn die Mutter ängstlich ist, dann krabbelt das Kind im Zweifelsfall nicht mehr weiter. Die Entstehung von Ängsten ist also ein Zusammenspiel aus Erbe und Umwelteinflüssen.

Angst ist uns angeboren. 

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wovor haben Sie Angst?

Ich bin kein besonders ängstlicher Mensch, aber auch ich habe natürlich Ängste. Eine einprägsame Angsterfahrung hatte ich vor einigen Jahren beim Tauchen, als ich trotz aller Vorbereitung plötzlich das falsche Gefühl hatte, keine Luft zu bekommen. In diesem Moment habe ich realisiert, wie sich meine Patientinnen und Patienten fühlen müssen. Das war sehr lehrreich. Manchmal habe ich aber auch banale Ängste, wenn es zum Beispiel darum geht, irgendjemanden anzurufen, aber das ist normal.

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Psycho­the­rapie

Erfahren Sie, wie Sie eine Psychotherapie beantragen, welche Behandlungsarten die TK bezahlt und wie Sie einen Therapieplatz finden.

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