Selbst ist die Lunge
Von Corona bis Grippe, hinter vielen Atemwegserkrankungen stecken Viren. Diese Infekte können zu einer Lungenentzündung führen, aber es geht auch anders. Denn unsere Lunge kann sich während und nach einer Virusinfektion selbst reparieren. Wie dies funktioniert, hat jetzt ein internationales Forschungsteam herausgefunden.
Aus Sorge vor einer Verschlechterung haben viele Betroffene mit einer chronischen Lungenerkrankung Angst, sich zu stark zu belasten. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder klarzumachen, welche kraftvollen Selbstheilungskräfte in den Atemwegen wirksam sind.
Forschungsziel: Reparieren statt Remodeling
Im Tierreich gibt es viele Beispiele, dass sich Organe, wenn nötig, nachbilden können. Diese Fähigkeit besitzt in gewissem Maß auch unsere Lunge. Wird sie durch bakterielle oder virale Infekte oder durch Zigarettenrauch geschädigt, startet der Körper umgehend spezielle Reparaturprogramme.
So funktioniert die Lungen-Reparatur:
- Stärkere Teilung und Vermehrung von gesunden Lungenzellen
- Aktivieren und Einschleusen von Vorläuferzellen (Stammzellen)
- Umwandlung in die zur Reparatur erforderlichen Zelltypen
Bei einer chronischen Lungenerkrankung läuft die Reparatur allerdings in eine falsche Richtung, so dass es zu einem fehlerhaften Umbau des Lungengewebes kommt, dem Airway Remodeling. Statt gesundem Lungengewebe bildet sich zum Beispiel Bindegewebe in der Wand der Bronchien oder die Zahl der schleimbildenden Drüsenzellen nimmt zu. Diese Prozesse sind die Ursache für chronische Lungenerkrankungen wie Asthma, COPD oder Lungenfibrose.
Revers-Remodeling: Forschende in aller Welt bemühen sich intensiv darum, den Mechanismus des Remodeling zu verstehen und durch Medikamente wieder zurück in eine echte Reparatur umzuwandeln, das so genannte Revers-Remodeling. Mit einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung der Universität Gießen ist jetzt ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung getan.
Gießener Studie: So funktioniert die Selbstheilung
Durch einen viralen Infekt kann es zu entzündlichen Lungenschäden kommen. Um das Virus möglichst schnell unschädlich zu machen, gibt es lungenspezifische Fresszellen (Makrophagen) und jede Menge ortsunabhängige mobile Fresszellen, die bei Bedarf in die Lunge geschickt werden. Das ist auch nötig, denn Studien haben gezeigt, dass bei einer Lungenentzündung die Zahl der lungenspezifischen Fresszellen stark abnimmt. Die Lunge fordert in dieser Situation mobile Fresszellen an, die dann zu lungenspezifischen Fresszellen umgewandelt werden.
Forschungsergebnis: Bei dieser Umwandlung produziert die Lunge nach neuesten Erkenntnissen des internationalen Forschungsprojektes ein hohes Maß an einem speziellen Protein (Plet 1). Dieses Protein hat die Fähigkeit, in den Lungenbläschen gesunde Zellen wachsen zu lassen und zum Schluss diese Zellschichtbarriere schützend zu versiegeln. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht worden.
Ausblick: Die Forschenden testen jetzt in experimentellen Studien, ob die Gabe des Plet-1-Proteins als Medikament diesen körpereigenen Reparaturvorgang beschleunigen und stärken kann. Sie hoffen, damit irgendwann auch einen Weg zu finden, chronische Lungenerkrankungen "rückgängig" zu machen.
Unser Tipp: Mit den Jahren nimmt die Reparaturfähigkeit der Lunge ab. Vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der Lunge und, wenn Sie erkrankt sind, vor einer Lungenentzündung gelten im Alter als besonders wichtig. Dazu gehört die Vorbeugung vor einer Ansteckung (Impfung, Hygienemaßnahmen wie Händewaschen etc.) und dass Sie Ihr Immunsystem stark machen. Eine gesunde Ernährung, viel Wasser oder Kräutertee trinken und Bewegung an der frischen Luft sind wertvolle Booster für Ihre Abwehrkraft.