Fruchtbarkeitsstörungen: Was geschieht bei der Befruchtung?
Auch wenn der Befruchtungsvorgang physisch und psychisch störungsfrei abläuft, klappt er bei Weitem nicht immer, und nicht aus jedem befruchteten Ei wird tatsächlich ein Baby.
Zunächst muss ein Samenfaden (Spermium) erst einmal an sein Ziel gelangen. An den meisten Tagen im Monatszyklus der Frau liegt vor dem Muttermund, dem Tor zur Gebärmutter, ein zäher und für Samenfäden kaum durchlässiger Schleimpfropf. Dieser löst sich nur um die Zeit des Eisprungs auf, um den Spermien Einlass zu gewähren.
Wellenartige Bewegungen der Eileiterwände befördern die reife Eizelle vom Eierstock über die Eileiter in Richtung Gebärmutter. Die Befruchtung findet im Eileiter statt, den allerdings nur wenige Samenzellen erreichen. Sie gelingt nur, wenn ein Samenfaden es schafft, in die Eizelle einzudringen und mit dem Zellkern zu verschmelzen. Dazu haben die Samenfäden nicht viel Zeit, denn die Eizelle ist nur etwa zwölf Stunden befruchtungsfähig. Die Samenzellen können im Körper der Frau zwar bis zu fünf Tage überleben, sind aber nicht zu jeder Zeit maximal beweglich.
Was ist Unfruchtbarkeit?
Liegen keine Störungen vor, kommt es bei den meisten Paaren innerhalb eines halben Jahres zu einer Schwangerschaft. Nachdem empfängnisverhütende Mittel abgesetzt wurden, dauert es im Schnitt sechs bis zwölf Monate, bis eine Frau schwanger wird.
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt ein Paar als unfruchtbar, wenn die Frau innerhalb eines Jahres bei regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr nicht schwanger wird. In Deutschland sind nach diesem Kriterium rund 1,5 bis zwei Millionen Paare zumindest vorübergehend von Unfruchtbarkeit betroffen. In etwa 30 Prozent der Fälle liegt die Ursache für die ungewollte Kinderlosigkeit bei der Frau, in ebenfalls 30 Prozent der Fälle beim Mann. Bei weiteren 30 Prozent besteht eine Paarsterilität. Dies heißt, beide Partner sind von einer Fruchtbarkeitsstörung betroffen. Bei den verbleibenden zehn Prozent lässt sich keine Ursache finden.
Was verursacht Unfruchtbarkeit?
Einen wichtigen Risikofaktor für einen unerfüllten Kinderwunsch stellt das Alter dar. Die Fruchtbarkeit sinkt natürlicherweise mit dem Alter. Während bei Frauen zwischen 19 und 24 Jahren eine dreißigprozentige Schwangerschaftschance pro Zyklus besteht, sinkt die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Schwangerschaft pro Zyklus bei 25- bis 33-Jährigen auf 18 Prozent. Bei den 34- bis 44-Jährigen beträgt sie nur noch 13 Prozent. Dem steht die aktuelle Entwicklung in Deutschland und weiteren europäischen Ländern entgegen, dass Paare bewusst immer später ihre Familienplanung umsetzen.
Unabhängig davon können bestimmte Fruchtbarkeitsstörungen vorliegen, die eine Schwangerschaft verhindern.
Fruchtbarkeitsstörungen beim Mann
Eine häufige Ursache für männliche Unfruchtbarkeit ist die schlechte Qualität der Spermien. Die Samenfäden können Schäden aufweisen. Möglicherweise sind sie zum Beispiel nur unvollständig ausgebildet, nicht ausreichend beweglich oder in der Samenflüssigkeit befinden sich zu wenige Spermien. Bei vielen unfruchtbaren Männern ist die Reifung der Samenfäden gestört, zum Beispiel durch Gefäßveränderungen im Hoden. Dadurch verstärkt sich die Durchblutung und die Temperatur des Hodens steigt. So können die Spermien nicht vollständig ausreifen.
Auch Krankheiten oder Verletzungen wie Mumps, Entzündungen oder Leistenbrüche können die Hoden schädigen. Daneben gibt es eine Reihe angeborener Störungen und im Laufe des Lebens erworbener Krankheiten, die die Fruchtbarkeit des Mannes beeinflussen können, zum Beispiel:
- Hormonerkrankungen
- Durchblutungsstörungen
- Fehlbildungen der Geschlechtsorgane wie Hodenhochstand
Weiterhin ist es möglich, dass das Immunsystem die körpereigenen Samenfäden als fremd ansieht und bekämpft. Nicht zuletzt mindern in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend äußere Einflüsse die männliche Fruchtbarkeit. Die Produktion und Qualität der Samenfäden beeinträchtigen vor allem:
- Umweltgifte
- Medikamente
- Alkohol- und Drogenmissbrauch wie regelmäßiger Cannabiskonsum und Rauchen
Fruchtbarkeitsstörungen bei der Frau
Die Palette möglicher Ursachen bei Frauen ist breit, zum Beispiel:
- Hormon- und Zyklusstörungen
- Diabetes
- Starkes Über- oder Untergewicht
- Schilddrüsenstörungen
- Störungen der Eierstöcke (kein Eisprung oder nur eine unzureichende Bildung von Eibläschen)
- Verklebungen der Eileiter nach Entzündungen
- Störungen und Krankheiten im Gebärmutterhalskanal und in der Scheide
- Veränderungen der Gebärmutter durch Myome (gutartige Gebärmutterknoten)
- Endometriose (Vorkommen von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Schleimhautschicht der Gebärmutterhöhle)
- Unverträglichkeit mit den Samenfäden des Mannes
Auch äußere Faktoren können eine wichtige Rolle spielen: etwa Stress und seelische Belastungen, Umweltgifte, Rauchen, Alkohol, Drogen, Medikamente wie Kortison oder blutdrucksenkende Mittel.
Wenn der Kinderwunsch unfruchtbar macht
In etwa zehn Prozent der Fälle finden Ärzte auch trotz aufwendiger Untersuchungen keinen biologischen Grund, warum der Kinderwunsch eines Paares unerfüllt bleibt. Dann liegt der Einfluss psychologischer Gründe nahe. Bei manchen Paaren kann der Kinderwunsch Leidensdruck und seelischen Stress erzeugen, sodass die für die Fruchtbarkeit entscheidende Hormonproduktion durcheinandergerät. Dann kann auch die Reproduktionsmedizin nicht helfen.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Weil Männer und Frauen in vergleichbarem Maße von Fruchtbarkeitsstörungen betroffen sind, sollten sich immer beide Partner untersuchen lassen. Eine angemessene Behandlung setzt eine genaue Diagnose der Ursachen voraus. Nicht immer erfordert die Behandlung auch hoch komplizierte Technik.
Die Diagnose beginnt mit einem ausführlichen Gespräch (Anamnese), in dem der Arzt beide Partner befragt. Dann folgt die körperliche Untersuchung. Bei Frauen schließt sich in der Regel eine gynäkologische Untersuchung mittels Ultraschall an. Je nach Ausgangsbefund können auch Hormonanalysen, weitere Ultraschalluntersuchungen zur Darstellung der Fortpflanzungsorgane, zum Beispiel der Eierstöcke oder der Hoden oder eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) nötig sein. Bei Frauen erfolgt eine genaue Beurteilung des Zyklus.
Ob die Ursache der Unfruchtbarkeit eines Paares beim Mann liegt, kann eine Untersuchung des Spermas meist relativ leicht ermitteln. Die Spermienqualität wird mittels eines Spermiogramms beurteilt. Die Normwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordern eine Spermienkonzentration von mindestens 15 Millionen pro Milliliter, eine Gesamtspermienzahl von mindestens 39 Millionen oder mehr pro Ejakulat und eine Beweglichkeit von 32 Prozent oder mehr. Vier Prozent der Spermien müssen nach der Weltgesundheitsorganisation normal geformt sein. Die Gründe für die männliche Sterilität bleiben hingegen häufiger unklar als bei Frauen. Denn wie genau die Samenbildung reguliert, gesteuert und beeinflusst wird, ist noch unbekannt.
Wie erfolgt die Behandlung?
Die Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen kann so vielfältig sein wie die Palette der Ursachen:
- Entspannungsübungen
- Hormontherapie
- Operation
- Spezielle Aufbereitung von Spermien
- Künstliche Befruchtung (Insemination)
- Künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers im Reagenzglas (In-vitro-Fertilisation, IVF) oder als intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der eine Samenzelle direkt in die Eizelle eingebracht wird
Diagnose und Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen führen in der Regel spezialisierte Zentren für Reproduktionsmedizin oder die Ambulanzen der Universitäts-Frauenkliniken durch.
Die Angebote der Fortpflanzungsmedizin, der Hormontherapie und der künstlichen Befruchtung sind mit vielen Hoffnungen verbunden, haben aber auch zu übertriebenen Erwartungen an das geführt, was medizinisch machbar ist. Jedes Paar, das sich für eine Fruchtbarkeitsbehandlung entscheidet, sollte sich über die Kehrseiten und die Risiken einer solchen Therapie bewusst sein. Sie ist zeitaufwendig, anstrengend und kann Psyche wie Körper sehr belasten. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Nicht zuletzt greifen einige Therapiemethoden massiv in die Sexualität des Paares ein.