Lymphdrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen
Artikel aus Hessen
Die Deutsche Krebshilfe fördert eine Therapieoptimierungsstudie an der Uniklinik Gießen, in der Kinder und Jugendliche behandelt werden.
Das Hodgkin-Lymphom ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems und mit einem Anteil von zwölf Prozent die dritthäufigste Krebserkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Die Heilungsaussichten sind vor allem bei Kindern sehr gut. Die Deutsche Krebshilfe fördert eine Therapieoptimierungsstudie an der Uniklinik Gießen, in der Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit einem neu diagnostizierten Hodgkin-Lymphom nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern behandelt werden.
Die Klinik für pädiatrische Hämatologie und Onkologie in Gießen ist eines der größten kinderonkologischen Zentren in Deutschland und seit Jahrzehnten eine national und international führende Einrichtung zur Behandlung aller bei Kinder und Jugendlichen vorkommenden Krebserkrankungen. Einer der besonderen Schwerpunkte der Klinik liegt auf der Diagnose, Therapie und Nachsorge von Lymphomen. "Unser Ziel ist es, den jungen und kleinsten Patientinnen und Patienten das gesamte Arsenal der modernen onkologischen Diagnostik und Therapie eines universitären Tumorzentrums zur Verfügung zu stellen. Nur so ist sichergestellt, dass alle Betroffenen gleichermaßen und frühzeitig von den sich stetig verbessernden Methoden in der Krebsmedizin profitieren können", sagt Professor Dr. Friedrich Grimminger, Direktor des Universitären Krebszentrums Gießen.
Krankheitsbild
Bundesweit erkranken jedes Jahr etwa 160 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren neu am Hodgkin-Lymphom. Die Erkrankung, von der Jungen und Mädchen etwa gleich häufig betroffen sind, entwickelt sich meist langsam. In der überwiegenden Zahl der Fälle beginnt die Krankheit mit schmerzlosen Schwellungen der Lymphknoten beispielsweise im Hals- und Nackenbereich, die in der Regel vom Kinder- oder Hausarzt diagnostiziert werden. Aber auch Organe wie Leber, Milz, Lunge, Knochen und Knochenmark können - vor allem auch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium - befallen sein.
Erhärtet sich im Rahmen weiterer Untersuchungen durch die Kinderonkologen des Uniklinikums Gießen der Verdacht auf die Erkrankung, wird eine Gewebeentnahme durch den Kinderchirurgen vorgenommen. Anschließend erfolgt die histopathologische Untersuchung, welche die Diagnose bestätigen kann. In Gießen ist die Referenzpathologie für Kinder und Jugendliche mit Hodgkin-Lymphom am Institut für Pathologie des UKGM angesiedelt, das von Professor Dr. Stefan Gattenlöhner geleitet wird.
Behandlung und Therapie
Das Hodgkin-Lymphom im Kindes- und Jugendalter wird in drei Risikogruppen klassifiziert: niedrig, intermediär und fortgeschritten. "Alle Patienten erhalten zunächst zwei intensive Chemotherapiezyklen. Kinder und Jugendliche mit intermediären und fortgeschrittenen Stadien werden zusätzlich - gemäß dem aktuellen Therapiestandard - mit je zwei oder vier weiteren Chemotherapiezyklen behandelt", sagt Professor Dr. Dieter Körholz, Chefarzt der Klinik für pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Patienten, bei denen nach den ersten zwei Chemotherapie-Zyklen noch aktives Tumorgewebe nachgewiesen wurde, erhalten nach Beendigung der Chemotherapie eine Bestrahlung.
Gemeinsam mit Kooperationspartnern an den Universitätskliniken in Halle (Saale) und Leipzig, die ebenfalls auf die Diagnostik von Lymphdrüsenkrebs spezialisiert sind, bildet Gießen die internationale Referenzeinrichtung für Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. Geleitet wird das Referenzzentrum von apl-Professorin Dr. Christine Mauz-Körholz. Professor Dr. Dieter Körholz leitet die aktuelle Therapieoptimierungsstudie EuroNet-PHL-C2 (European Network for Pediatric Hodgkin Lymphoma). Diese Studie wird von der Deutschen Krebshilfe gefördert und trägt das Gütesiegel A der Deutschen Krebsgesellschaft.
Therapieoptimierungsstudie
Kontrollierte klinische Studie, die der optimalen Behandlung der Patientinnen und Patienten dient und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten verbessern und weiterentwickeln soll; die Therapieoptimierung ist dabei nicht nur auf eine Verbesserung der Heilungsaussichten, sondern auch auf eine Begrenzung behandlungsbedingter Nebenwirkungen und Spätfolgen ausgerichtet.
"Ziel der Studie ist es vor allem, allen an dieser Krankheit erkrankten Kindern eine gleich hohe Behandlungsqualität zu ermöglichen und Spätfolgen der Chemo- und Strahlentherapie, die bei der Behandlung des Hodgkin-Lymphoms erforderlich sind, zu reduzieren", sagt Professor Körholz. Das Referenzzentrum ermöglicht allen Kindern und Jugendlichen, die in einer von über 200, am europäischen Studiennetzwerk beteiligten Kliniken behandelt werden, eine qualitätsgesicherte Behandlung auf dem neuesten Stand der Forschung.
Für alle Patientinnen und Patienten, die in der Studie behandelt werden, wird zunächst das Stadium der Erkrankung festgelegt und das Ansprechen auf die Therapie beurteilt. Auf Basis dieser Beurteilung wird ein Behandlungskonzept erstellt und dem jeweiligen Behandlungszentrum mitgeteilt. Ziel ist es, die Patienten zu identifizieren, die auf die Chemotherapie schlechter ansprechen und daher eine Strahlentherapie benötigen. Für Patientinnen und Patienten mit einer Strahlentherapieindikation wird ein Strahlentherapieplan erstellt. Zudem berät das Referenzzentrum die beteiligten Ärzte bei Therapiekomplikationen oder bei einem Rückfall der Erkrankung.
Europäisches Bilddaten-Netzwerk
Mit Hilfe einer Förderung durch die EU wurde am Uniklinikum Gießen ein europäisches Bilddaten-Netzwerk etabliert, das es den am Netzwerk beteiligten Kliniken sehr leicht ermöglicht, Bilddaten ihrer Patientinnen und Patienten zur Beurteilung an das Hodgkin-Referenzzentrum zu senden. Jedes Jahr begutachtet das Referenzzentrum fast 800 Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom. Bis heute wurden insgesamt ca. 4.000 junge Patienten mit Hodgkin-Lymphom begutachtet.
Zum Vergleich: Die größten Kliniken im Netzwerk behandeln jährlich ca. zehn Patientinnen und Patienten mit Hodgkin-Lymphom.
"Durch das internationale Referenzzentrum sind unsere Experten in Gießen mit Ärzten aus 16 Europäischen Ländern vernetzt; zudem beteiligen sich Mediziner aus Israel, Neuseeland und Australien. Die Bilddaten werden im Referenzzentrum auf der wöchentlich stattfindenden Tumorkonferenz begutachtet und die Tumorkonferenzbeschlüsse innerhalb von zwei Werktagen den behandelnden Ärzten zugesandt. Hierdurch entsteht eine qualitätsgesicherte Behandlung auf sehr hohem Niveau", so Professorin Dr. Christine Mauz-Körholz.
Verbesserte Behandlungsergebnisse
Laut Professor Körholz konnten in den letzten vier Jahrzehnten durch sequentielle klinische Studien beim Hodgkin-Lymphom die Behandlungsergebnisse schrittweise verbessert und therapiebedingte Spätfolgen reduziert werden. "Beispielsweise konnte durch die Einführung der PET-basierten Therapiesteuerung die Zahl der Patientinnen und Patienten, die keine Bestrahlungsbehandlung benötigen, schrittweise erhöht werden. Die Strahlentherapie ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung einer nochmaligen Krebserkrankung, ggf. Jahrzehnte nach der ersten Therapie, nach einem Hodgkin-Lymphom im Kindesalter", sagt Professor Dieter Körholz.
Im Rahmen des klinischen Studienprogramms, an der in Gießen alle Patientinnen und Patienten mit Lymphomen teilnehmen können, werden auch die Möglichkeiten der Personalisierten Medizin untersucht und angewendet. "Die Personalisierte Medizin schärft das Bewusstsein dafür, dass nicht jeder Patient gleich ist. Wir versuchen, jedem einzelnen Patienten zu einer Therapie zu verhelfen, die für ihn geeignet ist, indem wir genetische, molekulare und zelluläre Besonderheiten eines Patienten erfassen und daraus Schlüsse ziehen, ob eine bestimmte Therapie in Betracht kommt", so Professor Körholz.
Therapieverbund und weitere Studien
Gemeinsam mit weiteren kinderonkologischen Zentren im Südwesten Deutschlands hat sich die Kinderonkologie Gießen zu einem Therapieverbund zusammengeschlossen. Hierdurch soll es den in diesen Kliniken behandelten Patienten ermöglicht werden - weitgehend wohnortnah - alle derzeit in Studien verfügbaren modernen Krebsmedikamente zu erhalten. "Auf diese Weise wollen wir gemeinsam daran arbeiten, dass künftig alle Patienten mit Krebs im Kindes- und Jugendalter geheilt werden können", so Professor Grimminger.
Bezogen auf das Hodgkin-Lymphom wird in Gießen eine weitere, weltweite, organisierte Studie - mit über 100 Prüfzentren weltweit - für Patienten mit einem Rückfall eines Hodgkin-Lymphoms durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie werden erstmals keine herkömmlichen Chemotherapeutika, sondern moderne Immuntherapeutika eingesetzt. Die aktuelle Studientherapie wird komplett ambulant durchgeführt. Ziel ist es, mit modernen Medikamenten möglichst viele Patienten in einer Rückfallsituation ohne starke Nebenwirkungen zu heilen. Zudem befindet sich eine weitere Studie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem fortgeschrittenen Stadium eines Hodgkin-Lymphoms in der Entwicklung. Bei der Behandlung im Rahmen dieser Studie wird die herkömmliche Standardchemotherapie mit einem Immuntherapeutikum kombiniert.
Schließlich ist in Gießen eine weitere Studie zur Behandlung von Hodgkin-Lymphom Patienten mit einem Rückfall nach einer sogenannten autologen Stammzelltransplantation in Vorbereitung; bei der autologen Transplantation sind Empfänger und Spender dieselbe Person. "Hier sollen die Rückfall-Patienten mit einer Immuntherapie und allogener Stammzelltransplantation behandelt werden, bei der Spender und Empfänger verschiedene Personen sind", so Professorin Mauz-Körholz.
Wissenschaftliche und klinische Kooperation
Die Klinik für pädiatrische Hämatologie und Onkologie nimmt an allen nationalen und internationalen Therapieoptimierungsstudien teil. Bei unzureichendem Ansprechen konventioneller Behandlungsverfahren bietet das universitäre Zentrum frühe klinische Studien mit innovativen Therapiekonzepten an. Darüber hinaus stehen unterstützende Therapieverfahren und eine umfassende psychosoziale Versorgung sowie ein sektorenübergreifendes palliatives Netzwerk zur Verfügung.
Das Kinderonkologische Zentrum in Gießen ist Teil des Universitätsmedizinischem Centrums für Tumorerkrankungen Gießen (UCTG) dem interdisziplinären und Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziertem Zusammenschluss aller onkologischen Teildisziplinen einschließlich Erwachsenenonkologie. Die enge wissenschaftliche und klinische Kooperation mit den organonkologischen Fächern, der Strahlentherapie und Pathologie ist die Grundlage dafür, dass auch schwierigste Fälle mit komplexen fachübergreifenden Problemstellungen behandelt werden können. In einem regionalen Krankenhausnetzwerk wird zudem sichergestellt, dass auch Patienten in benachbarten regionalen Krankenhäusern ambulant durch einen Kinderonkologen betreut werden können.
Universitätsklinikum Giessen - Pädiatrisch-Onkologisches Zentrum Gießen/Marburg
Im pädiatrisch-onkologischen Zentrum wird das gesamte Spektrum der Krebserkrankungen behandelt, die bei Kindern und Jugendlichen vorkommen können. Es ist eines der zehn größten kinderonkologischen Einrichtungen in Deutschland in dem ca. 80 Kinder und Jugendliche mit einer neudiagnostizierten Tumorerkrankung pro Jahr behandelt werden. Zusätzlich werden jährlich ca. 35 Stammzelltransplantationen durchgeführt. Die Studienzentrale für das Hodgkin-Lymphom am Kinderonkologischen Zentrum Gießen organisiert die weltweite Durchführung klinischer Studien zur Behandlung des Hodgkin-Lymphoms bei Kindern und Jugendlichen. Die Aufgabe der Hodgkin-Studienzentrale ist dabei die Sammlung und Auswertung der klinischen Behandlungsverläufe im Rahmen der klinischen Studien und basierend auf diesen Ergebnissen die Weiterentwicklung der Therapie des Hodgkin-Lymphoms bei Kindern und Jugendlichen.
Professor Dieter Körholz ist koordinierender Studienleiter der Europäischen Kinder-Hodgkin-Studien. Er hat für seine Arbeit aufgrund seiner Behandlungserfolge im Bereich der Pädiatrischen Hämatologie und Onkologie mehrere Auszeichnungen erhalten, unter anderem das Bundesverdienstkreuz. Die außerplanmäßige (apl.) Professorin Christine Mauz-Körholz ist ebenfalls Kinderonkologin am Uniklinikum Gießen. Sie leitet die Hodgkin-Studienzentrale und ist stellvertretende Leiterin der Hodgkin Studiengruppe der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Am Kinderonkologischen Zentrum Gießen ist sie für die Behandlungseinheit für frühe klinische Studien verantwortlich. Für Ihre Arbeiten zum Hodgkin-Lymphom wurde sie mit dem Arthur-Schloßmann-Preis ausgezeichnet.