Gastbeitrag Roland Engehausen: Zwei Säulen für die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung
Artikel aus Bayern
In seinem Gastbeitrag schreibt Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), über die Bedeutung der Digitalisierung und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements für eine patientenorientierte Versorgung.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet enorme Chancen für eine effizientere und patientenorientierte Versorgung. Sowohl bayerische Kliniken - beispielsweise mit der Vernetzungsplattform "Mein-Krankenhaus.bayern" - als auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) - mit ihrem Telemedizinprojekt DocOnLine - gehen hier voran. KVB, BKG und die Klinik IT Genossenschaft sind in guten Gesprächen, um integrierte Schnittstellen und Synergien dieser Lösungen für digitale Prozessschritte in der Versorgung zu finden.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet enorme Chancen.
Chancen der Digitalisierung
Durch eine Verzahnung dieser beiden digitalen Leuchtturmprojekte erhoffen wir uns in Zukunft nicht nur die Patientenversorgung zu verbessern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten, sondern auch eine sichere Datenübermittlung zu gewährleisten. Gerade in der ambulanten Notfallversorgung, wo die Zeit drängt und eine enge Verzahnung der Sektoren zwingend ist, ergeben sich Anwendungsfälle für einen interoperablen Datenaustausch.
Selbstverständlich ist auch die Anbindung an die elektronischen Patientenakte (ePA) für alle vorgesehen: In diese werden derzeit hauptsächlich Dokumente durch die Patientinnen und Patienten und Leistungserbringer eingepflegt. Es ist angedacht, dass auch strukturierte Daten hinterlegt und wiederverwendet werden können.
Eine weitere Voraussetzung für die Digitalisierung sind belastbare Infrastrukturen. Es ist wichtig, infrastrukturell mit den zunehmenden Anwendungen und dem wachsenden Datentransfer Schritt halten zu können. Die Sicherheit der Daten hat dabei oberste Priorität. Investitionen in moderne Netzwerke, fortschrittliche Verschlüsselungstechnologien und professionelle Sicherheitsstrukturen sind unerlässlich, um den Schutz sensibler Gesundheitsdaten zu gewährleisten.
Eine Voraussetzung für die Digitalisierung sind belastbare Infrastrukturen.
Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, erfordert aber auch erhebliche finanzielle Mittel. Ohne ausreichende finanzielle Unterstützung können die Vorteile der Digitalisierung nicht voll ausgeschöpft werden. Die duale Krankenhausfinanzierung ist darauf noch lange nicht eingestellt.
Dies gilt sowohl für die Investitionsfinanzierung der Länder, die einen kontinuierlichen Ausbau der IT-Infrastruktur ermöglichen muss, als auch für die Betriebskostenfinanzierung der Krankenkassen, bei der die Aufwendungen für die intersektorale digitale Vernetzung von Krankenhäusern in den Kalkulationen nicht ausreichend berücksichtigt sind. Mit der Digitalisierung kann auch Geld gespart werden, allerdings nicht im direkten Versorgungsprozess, sondern übergreifend durch eine besser koordinierte und gestufte Gesundheitsversorgung.
Eine erfolgreiche Digitalisierung im Gesundheitswesen muss einen echten Nutzen für Beschäftigte und Patientinnen und Patienten bringen. Das heißt, digitale Lösungen müssen den Arbeitsalltag der Beschäftigten im Gesundheitswesen erleichtern und die Qualität der Patientenversorgung verbessern.
Anwendungen wie die ePA, Telemedizin und beispielsweise automatisierte Dokumentationsprozesse mit Sprachsteuerung können dazu beitragen, administrative Aufgaben zu reduzieren, um mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung zu schaffen. Dies gilt insbesondere in der Pflege sowohl in der akut-stationären Versorgung als auch in der Langzeitpflege.
Der doppelte demographische Effekt mit steigenden Versorgungsbedarfen aufgrund einer alternden Gesellschaft bei gleichzeitig reduziertem Fachkräftepotential in der Zukunft trifft kaum eine Gruppe so massiv wie die Pflegefachberufe. Die Unterstützungspotentiale der Digitalisierung allein werden nicht ausreichen, die Personalengpässe in der Pflege zu lösen.
Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Pflege
Pflegefachpersonen sind nach wie vor besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Dazu gehören emotionale Belastungen durch den Umgang mit kranken und sterbenden Menschen, körperliche Belastungen durch schweres Heben, lange Arbeitszeiten und mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Schicht- und Nachtdienste. Diese Gründe können zu einem hohen Krankenstand führen.
Pflegefachpersonen sind besonderen Herausforderungen ausgesetzt.
Umso wichtiger ist der Auf-und Ausbau eines Betriebliches Gesundheitsmanagements. Wichtige Erkenntnisse aus der Forschung sollten genutzt werden, um praktische Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Gesundheit der Beschäftigten abzuleiten. Insbesondere sollten präventive Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Resilienz umgesetzt werden. Maßnahmen wie Teamcoaching und Resilienztrainings sollten sich an Beschäftigte in Krankenhäusern, in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, aber auch an Beschäftigte in Einrichtungen der Behindertenhilfe richten.
Eine sehr wertvolle praktische Unterstützung bietet zum Beispiel die Psychologische Unterstützung (PSU) aus München, die Pflegefachpersonen und allen Beschäftigten im Gesundheitswesen hilft, mit den emotionalen Belastungen umzugehen. Dieses Projekt wurde als Selbsthilfe-Struktur unter anderem von Ärztinnen und Ärzten aus den Krankenhäusern gegründet und hat sich inzwischen zu einer festen Säule der Hilfeangebote entwickelt. In einem nächsten Schritt ist es notwendig, dieses Angebot mit einer soliden Sockelfinanzierung auszustatten, um diese Hilfen nachhaltig zu sichern.
Pflegefachpersonen sollen die Möglichkeit haben, ihre Arbeit selbst zu gestalten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stärkung des Selbstmanagements. Pflegefachpersonen sollen die Möglichkeit haben, ihre Arbeit selbst zu gestalten. Dies fördert die Motivation und die Arbeitszufriedenheit. Eine starke Teamarbeit hilft, die Belastungen gemeinsam zu tragen und den Arbeitsalltag besser zu bewältigen.
Auch im Bereich der Pflege kann mithilfe der Digitalisierung Bürokratie abgebaut werden, um die Pflegefachpersonen zu entlasten. Der Fokus sollte auf der Patientenversorgung und nicht auf dem Dokumentenmanagement liegen. Es kann aber nicht nur um Entlastung gehen, sondern auch um die Förderung berufliche Entfaltungsmöglichkeiten. Es ist wichtig, die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in der praktischen Pflege "am Bett" durch Professionalisierung, fachliche Spezialisierung und Verantwortungsübernahme weiter auszubauen. Große Hoffnungen ruhen auf dem angekündigten Pflegekompetenzgesetz. Damit einhergehen müssen auch entsprechende Möglichkeiten für eine deutlich überdurchschnittliche Gehaltsentwicklung in den fachlich spezialisierten Pflegeberufen und damit verbunden auch die entsprechende gesellschaftliche Anerkennung, die auch als Sozialprestige bezeichnet werden kann.
Fazit
Digitalisierung und Betriebliche Gesundheitsmanagement sind zwei zentrale Säulen, um die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung unter anderem in Krankenhäusern zu sichern und die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu verbessern. Durch standardisierte und interoperable Strukturen, belastbare Infrastrukturen, ausreichende finanzielle Mittel und einen echten Nutzen für alle Beteiligten können wir die Vorteile der Digitalisierung voll ausschöpfen. Gleichzeitig müssen wir den besonderen Herausforderungen in den Gesundheits- und Pflegeberufen durch gezielte Maßnahmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement begegnen und die fachlichen und persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten aktiv fördern.
Zur Person
Vor seinem Wechsel zur BKG nach München leitete Roland Engehausen seit 2014 als Vorstandsvorsitzender die IKK Südwest, eine regionale Krankenkasse mit rd. 640.000 Versicherten in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. In seiner beruflichen Laufbahn war Engehausen, der unter anderem Wirtschaftswissenschaften an der FU Berlin studierte, für verschiedene Krankenkassen tätig, darunter auch für die Siemens BKK in München.