Christian Bredl: In Gesprächen mit Ärztinnen und Ärzten nehme ich wahr, dass es momentan immer noch Probleme mit der Praxissoftware gibt, kannst Du das bestätigen?

Prof. Dr. Siegfried Jedamzik: Ja und nein. Für die Praxissoftware-Hersteller ist es momentan relativ anspruchsvoll, alle Schnittstellen zu schaffen, damit die ePA zum Laufen kommt. Ich denke aber, dass die meisten gut vorbereitet sind und dass gerade die, die die personellen und technischen Kapazitäten haben, die Schnittstellen schaffen und das System 2025 elegant funktionieren wird.  

Bredl: Wir sind gerade dabei, unsere 11,7 Millionen Versicherten anzuschreiben. Erfreulich ist, dass wir eine geringe Widerspruchsquote haben. Spannend wird die Phase sein, in der der Arzt oder die Ärztin beginnt, die Akte zu befüllen. Wie nimmst Du die Haltung der Ärzteschaft wahr?

Prof. Jedamzik: Ich sage immer schulen, schulen, schulen und reden, reden, reden. Ich stelle viele eigene Videos ins Netz und bekomme einen großen Response. Mir ist wichtig, dass ich als Hausarzt die ePA befürworte. Und die Vorteile aufzeige: Durch die ePA komme ich schnell an die Informationen, die ich über meinen Patienten oder meine Patientin brauche, zum Beispiel, was hat der Kollege verordnet oder was hat die Klinik verordnet? 

Aber natürlich gibt es Bedenkenträger und denen sage ich, dass wir durch die ePA riesige Fortschritte machen, weil wir digitalgestützt zusammenarbeiten. Natürlich verstehe ich, wenn manche Ärztinnen und Ärzte Bedenken haben, weil sie keine Informatiker sind und gerade deswegen muss alles technisch elegant funktionieren. Ich bin ein Fan des One-Klick-Verfahrens, das heißt, mit einem Klick komme ich an die Information, die ich brauche. Und natürlich wird des am Anfang holprig sein, aber das war es bei der eAU oder beim eRezept auch und wer spricht heute noch davon? Niemand! Ich kann nicht tolerieren, dass man jetzt noch bremst. Die ePA muss kommen, sie wird für die Bürgerinnen und Bürger einen großen Fortschritt bringen und vor allem auch Menschenleben retten.

Die ePA wird Menschenleben retten.
Prof. Dr. Siegfried Jedamzik

Chris­tian Bredl und Prof. Dr. Sieg­fried Jedamzik

Christian Bredl und Prof. Dr. Siegfried Jedamzik Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Der Leiter der TK-Landesvertretung Bayern Christian Bredl (links) und der Hausarzt und Geschäftsführer der Bayerischen TelemedAllianz Prof. Dr. Siegfried Jedamzik haben über die ePA diskutiert.

Bredl: Damit hast Du recht, aber ich höre auch kritische Stimmen zum Beispiel hinsichtlich des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Was ist, wenn der Arzt bestimmte Daten nicht sehen darf, weil die Patientin oder der Patient das nicht will. Oder wenn Ärztinnen und Ärzte die Abrechnungen und die Diagnosen der oder des anderen sehen? Wie reagierst du, wenn du mit diesen Themen konfrontiert wirst?

Prof. Jedamzik: Also zu diesem Thema kann ich nur eines sagen: Allein meine Ethik als Arzt verbietet es mir, irgendein Problem im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zu sehen. Das heißt, ich habe die Patientin oder den Patienten anständig, korrekt, zielgerichtet, therapeutisch und diagnostisch zu behandeln und mit ihm eine Kommunikation aufzubauen. Also das sehe ich für mich persönlich so und ich nehme an, das trifft auch auf die Ärzteschaft zu. Und wenn jemand seine Daten bewusst nicht einstellt, dann ist das kein Vertrauensbruch, sondern einfach die freie Entscheidung eines Menschen. Wir leben in einer freien Gesellschaft. Das heißt, der Bürger und die Bürgerin müssen selbst entscheiden können, wie er oder sie sein bzw. ihr Leben steuert. Und jeder ist im Grunde genommen auch selbst für seine Gesundheit verantwortlich. Das heißt, ich sehe da kein Problem. 

Allein meine Ethik als Arzt verbietet es mir, irgendein Problem im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zu sehen. 
Prof. Dr. Siegfried Jedamzik

Bredl: Das Ziel der scheidenden Bundesregierung ist es, dass 80 Prozent die elektronische Patientenakte nutzen werden? Wird das gelingen oder wird man sogar noch mehr Nutzerinnen und Nutzer gewinnen können?

Prof. Jedamzik: Es kommt darauf an, wie ich die Definition dieses Satzes "die Patientenakte nutzen" betrachte. Ich würde mir wünschen, dass die Patientinnen und Patienten die Akte zumindest bezüglich ihrer Medikation nutzen. So bekommen wir eine bessere Arzneimitteltherapie-Sicherheit. So eine Akte und ihre Vorteile müssen meines Erachtens auch intensiv beworben werden. Also wenn man wirklich hinterher ist, wenn man die Ärzteschaft gewinnt und die Apothekerinnen und Apotheker, dann sollten bis Ende nächsten Jahres 80 Prozent erreichbar sein. Mein Wunsch sind natürlich 100 Prozent. 

Bredl: Gott sei Dank gibt es Pioniere wie dich, die in den vergangenen Jahrzehnten immer für die Digitalisierung geworben haben. Trotzdem haben wir in Deutschland immer noch sehr viel Luft nach oben...

Prof. Jedamzik: Jeder, der sieht, welchen Vorteil er damit hat, wird die Digitalisierung unterstützen. Ein Arzt, der beispielsweise im Notfall schon direkt wichtige Informationen bekommt und damit schneller und besser behandeln kann, wird die Digitalisierung und ePA annehmen. Dasselbe gilt für die Nutzerinnen und Nutzer. Ich könnte hunderte solcher Beispiele anführen. Und ich erwarte von einem nüchtern, sachlich, aber auch emotional denkenden Menschen, dass er für sich klar entscheidet: Das ist was Gutes, da mache ich mit.