Medienkompetenz ist für Kinder so wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen
Position aus Bayern
Christian Bredl, Leiter der TK-Landesvertretung Bayern, erläutert, warum Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen so wichtig ist. Er hat Netzgänger 3.0 ins Leben gerufen, ein sogenanntes Peer-to-Peer-Projekt, bei dem Jugendliche anderen Jugendlichen Medienkompetenz vermitteln. Nun gibt es für Grundschulen ein neues Angebot: Das TK-Medienuniversum.
Smartphones und Tablets sind inzwischen Alltagsgegenstände wie Herd und Kühlschrank, auf die heute fast niemand mehr verzichten kann. Jung und Alt nutzen die digitalen Geräte regelmäßig, in Krisenzeiten mit wenig physischen Kontakten noch viel mehr. Videokonferenzen sind heute in Privathaushalten so alltäglich wie vor Jahren das Telefonieren.
Selbst nachdem die Kontaktbeschränkungen in Folge der Coronakrise gelockert wurden, nutzen die Menschen die digitalen Helfer weiterhin verstärkt. Sie haben sich zu wertvollen Alltagshilfen für alle entwickelt. Einkaufen, Zeitung lesen, Behördengänge, Kommunikation mit Versicherungen und Banken, Arztkontakte laufen mittlerweile selbstverständlich online.
Diese starke Verlagerung ins Digitale ist dem Wunsch geschuldet, immer in Kontakt zu bleiben - sowohl im Beruf, als auch privat. Homeoffice war vor kurzer Zeit noch was für junge Startups, Freiberufliche und eher selten für die meisten Beschäftigten. In Krisenzeiten sorgte das Homeoffice dafür, die Betriebe am Laufen zu halten und ist nun fester Bestandteil in vielen Unternehmen.
Smartphones bestimmen den Alltag
Doch die starke Durchdringung des Alltags mit digitalen Medien birgt nicht nur Vorteile: Ablenkung, ständige Erreichbarkeit, der Druck möglichst sofort zu antworten.
In einer zunehmend digitalen Welt ist es wichtig, dass Kinder frühzeitig darauf vorbereitet werden, wie sie sich sicher und eigenverantwortlich im Netz bewegen. Medienkompetenz wird oft verwechselt mit dem Bedienen von Smartphones und Computern. Echte Medienkompetenz geht jedoch weit über das Wissen um das richtige Wischen und Klicken hinaus.
Deshalb haben wir in Bayern das Projekt Netzgänger 3.0 ins Leben gerufen. Ziel ist es, dass Kinder selbstständig und verantwortungsbewusst mit den neuen Medien umgehen. Dass sie ein Gespür für das eigene Nutzungsverhalten entwickeln und sich kritisch hinterfragen: Wie viel Zeit verbringe ich online? Tut mir das gut? Halte ich es auch ohne das Smartphone aus?
Medien verantwortungsbewusst nutzen
Das öffentliche Leben findet immer öfters digital statt. Jetzt ist es besonders wichtig, Kinder frühzeitig an Strategien und Maßnahmen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Smartphones und dem Internet heranzuführen. Es ist realitätsfremd, Mädchen und Jungs möglichst lange vom Internet fernzuhalten. Kinder bewegen sich bereits jetzt autark in der digitalen Welt. Medienkompetenz ist heute für junge Menschen so wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen.
Psychischer Druck nimmt zu
Es gibt aber Schattenseiten durch die geänderte Mediennutzung. Phänomene wie Cybermobbing oder die pathologische Nutzung des Internets und der sozialen Medien belasten immer mehr die Psyche von Kindern und Jugendlichen. Insgesamt hat ein Viertel der Kinder in Bayern psychische Probleme oder Entwicklungsstörungen. Die Häufigkeit der seelischen Krankheiten bei jungen Menschen ist besorgniserregend.
Rüstzeug für eine digitalisierte Welt
Eine Ursache für die starke Zunahme der psychischen Erkrankungen bei Kindern ist, dass sie heute unter größerem psychischen Druck stehen als früher. Hier spielt die zunehmende Digitalisierung als ein Faktor unter vielen eine Rolle. Wir müssen Kindern daher bereits früh das Rüstzeug mitgeben, sich in einer digitalisierten Welt zurechtzufinden.
Medienkompetente Kinder brauchen aber auch medienkompetente Eltern. Es ist wichtig, dass die Eltern sich dafür interessieren, was ihre Kinder im Netz tun. Nur so kann ein sicheres Surfen durch die digitale Welt gelingen. Außerdem findet der Großteil der Mediennutzung in der Freizeit statt.
Wenn Erwachsene auf die Gefahren des Internets hinweisen, wirkt das oft belehrend und mit erhobenem Zeigefinger. Deshalb übernehmen bei Netzgänger 3.0 Schüler aus den neunten und zehnten Klassen die Lehrerrolle. Netzgänger 3.0 ist damit ein sogenanntes Peer-to-Peer-Projekt. Das hat den Vorteil, dass die Jugendlichen auf Augenhöhe kommunizieren und die Inhalte von Vorbildern übermittelt werden.
Angebot für das Home-Schooling
Wir müssen wir schon für jüngere Kinder Angebote für die digitale Medienkompetenz machen. Medienuniversum wurde für eine digitale Lernumgebung in der Grundschule konzipiert.
Home-Schooling ist eine neue Herausforderung für alle. Unser Angebot entlastet Familien und Schule. Auch in Zeiten nach der Coronapandemie kann dies besonders gut genutzt werden. Lehrerinnen und Lehrer können dort digitale Unterrichtsmaterialien zum sofortigen Einsatz herunterladen. Mit dabei sind auch praktische Vorschläge, wie Lehrkräfte die Kinder lebensnah auf die digitalisierte Welt vorbereiten können. Gleichzeitig lernen die 6- bis 10-Jährigen mit Modulen wie "Stress und Entspannung" oder "Ernährung" von klein auf spielerisch den gesunden Umgang mit der digitalisierten Welt.
Digitalisierte Welt gesundheitsbewusst nutzen
Die Vermittlung des Wissens über die enormen Chancen einer digitalisierten Welt, wie man sie gesundheitsbewusst nutzen kann, aber auch welche Risiken es gibt, muss strukturiert und altersgerecht spätestens mit dem Schuleintritt beginnen. Damit alle Kinder künftig die gleichen Startchancen in der digitalisierten Welt haben, sollte digitale Medienkompetenz fester Bestandteil des Unterrichts bereits in der Grundschule sein. Gleichzeitig fordere ich auch die Eltern auf, die Kinder auf ihrem digitalen Zukunftsweg offen zu begleiten und die Schulen aktiv bei der Wissensvermittlung zu unterstützen.