Mehr als ein Drittel (38 Prozent) der im Vorfeld der Landtagswahl 2024 von Forsa repräsentativ befragten Thüringerinnen und Thüringer sagte, dass sie einen starken Mangel an Fachärzten wahrnehmen. Fast ebenso viele sprachen sogar von einem "sehr starken Ärztemangel".

Auffällig ist dabei der Wahrnehmungsunterschied zwischen jüngeren und älteren Befragten: 10 Prozent der Menschen über 60 Jahren gaben an, dass sie gar keinen Ärztemangel wahrnehmen. Bei den Unter-60-Jährigen sagten das lediglich zwei Prozent.

Aus Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geht hervor, dass die Versorgungsdichte im Jahr 2023 in Thüringen in den meisten Fachbereichen im unteren mittleren Bereich lag. Gleichzeitig sind die Ärztinnen und Ärzte nicht in jeder Region gleich gut erreichbar. Hier wird einmal mehr deutlich, wie hilfreich es wäre, ambulante und stationäre Versorgung zusammen zu betrachten.

Fachärztinnen und -ärzte in den Städten versorgen ländliche Regionen mit

Nehmen wir das Beispiel HNO-Ärzte: Statistisch gesehen gab es 2023 in Thüringen 5,3 ambulant tätige HNO-Ärztinnen und Ärzte pro 100.000 Menschen. Weniger waren es zum Beispiel in Brandenburg (HNO-Arztdichte: 4,7), Baden-Württemberg (5,0) und Rheinland-Pfalz (5,1). In Hamburg war die Arztdichte mit 8,0 besonders hoch.

Beim Blick auf die Landkreisebene wird deutlich, dass die Menschen häufig in die größeren Städte fahren, um zum Facharzt zu gehen: In Gera versorgten statistisch gesehen 9,5 HNO-Ärztinnen und Ärzte 100.000 Menschen, in Weimar 9,3 und in Suhl 8,5. Besonders niedrig war die Versorgungsdichte in den Landkreisen Sonneberg (HNO-Arztdichte: 1,8), Gotha (2,2) und dem Unstrut-Hainich-Kreis (2,9).

In diesen Regionen ist die Rolle von Fachärztinnen und Fachärzten für Allgemeinmedizin als erste Ansprechpartner besonders wichtig. Sie spielen die Schlüsselrolle, wenn wir über wohnortnahe Primärversorgung sprechen.

Mangel an Ärztinnen und Ärzten?

So nehmen die Befragten in Thüringen den Mangel an Ärztinnen und Ärzten wahr. Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
So nehmen die Befragten in Thüringen den Mangel an Ärztinnen und Ärzten wahr.

Bundesweit sechsthöchste Dichte an Hausärztinnen und Hausärzten

Gleichzeitig ist diese Struktur sehr sinnvoll, da die Allgemeinmediziner ihre Patientinnen und Patienten regelmäßig sehen und eventuelle Wechselbeziehungen zwischen Symptomen erkennen können. Der besseren Lesbarkeit und Unterscheidung wegen werden sie hier als Hausärztinnen und Hausärzte bezeichnet, was nicht über ihr breites FACHwissen hinwegtäuschen darf.

Den Fachärztinnen und Fachärzten für Allgemeinmedizin wird in Thüringen seit vielen Jahren der rote Teppich ausgerollt . Daraus resultiert eine vergleichsweise hohe Versorgungsdichte von 68,1 Hausärztinnen und Hausärzten je 100.000 Menschen in Thüringen. Im Vergleich der 17 KV-Regionen ist das der sechsthöchste Wert.

Dennoch nehmen knapp über die Hälfte der befragten Thüringerinnen und Thüringer einen starken (36 Prozent) oder sogar sehr starken (15 Prozent) Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten wahr.

Wie bei den Fachärzten gibt es einen deutlichen Unterschied in den Altersgruppen: Gar keinen Mangel bei Hausärztinnen und Hausärzten sehen 18 Prozent der Über-60-Jährigen im Vergleich zu 11 Prozent der Unter-60-Jährigen.

"Wir stehen in Thüringen vor der Herausforderung eines Gesundheitswesens mit weniger versorgenden Menschen. Das ist ohne Frage auch bei den ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten so", sagt Guido Dressel, Leiter der TK-Landesvertretung Thüringen. "Gleichzeitig sollten wir auch auf die Erwartungen schauen. Einen echten Mangel gibt es nur in sehr wenigen Regionen. Wir haben nicht zu wenige Ärztinnen und Ärzte, sie sind nur sehr ungleich verteilt und zum Teil für Aufgaben zuständig, für die es eigentlich keinen Arzt braucht."

Trotz der vergleichsweise hohen Versorgungsdichte ist immer wieder über Regionen zu lesen, die händeringend einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für eine Hausarztpraxis suchen. Dr. Annette Rommel, die erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, sprach noch im August dieses Jahres über den rasanten Anstieg freier Hausarztsitze und sagte im selben Atemzug, dass wir Menschen im Jenaer und Erfurter Medizinstudium brauchen, die in Thüringen bleiben wollen, weil sie hier verwurzelt sind.

Das heißt auch bei der hausärztlichen Versorgung ist der Status quo nicht gesichert.

Arztentlastung durch qualifiziertes Fachpersonal und digitale Unterstützung

Neun von zehn befragten Menschen in Thüringen finden die Idee gut, dass Ärztinnen und Ärzte durch qualifiziertes Fachpersonal entlastet werden. Ja, auch dieses Fachpersonal wird in den Arztpraxen und Kliniken des Freistaats händeringend gesucht.

Deswegen ist es wichtig, den politischen Blick zu erweitern. Genau wie Pflegekräfte in der Altenpflege gehören Medizinische Fachangestellte (MFA) zu der Gruppe, die stärker in den Fokus gehört.

Ärztinnen und Ärzte entlas­ten?

91 Prozent der Befragten finden es gut, wenn Ärztinnen und Ärzte durch qualifiziertes Fachpersonal entlastet würden. Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
91 Prozent der Befragten finden es gut, wenn Ärztinnen und Ärzte durch qualifiziertes Fachpersonal entlastet würden. 

Anfangs Hürden der Digitalisierung für langfristigen Nutzen in Kauf nehmen

Gleichzeitig kann ein viel stärker digitalisiertes Gesundheitswesen arztentlastend sein. Abrechnungen und Verordnungen über digitale Formulare zu erledigen, die zum Beispiel Fehlinformationen automatisch erkennen, schafft Zeit. Die gesamte Krankheitsgeschichte, bereits durchgeführte Untersuchungen und deren Ergebnisse sowie alle verordneten Medikamente auf einen Blick zu sehen, schafft ebenfalls Zeit. Und Sicherheit.

Ja, es kann aufwendig sein, all die Daten sicher zu hinterlegen. Ja, es dauert eine Weile, bis all die verschiedenen Datenverarbeitungssysteme im Gesundheitswesen miteinander sprechen können. Und ja, das ist alles deutlich weniger einfach, als wir es vom Onlineshopping, -banking oder dem Buchen von Fahrkarten kennen. Gesundheitsdaten sind sensibler, die Strukturen im Gesundheitswesen sind komplex und über viele Jahrzehnte organisch gewachsen. Gleichzeitig wurde der Digitalisierung lange nicht der nötige Stellenwert eingeräumt, einige wichtige Interessensgruppen haben sie gebremst.

Die Anstrengungen für ein digitalisiertes Gesundheitssystem lohnen sich. Ein Blick in Länder, die in der Entwicklung schon viele Schritte weiter sind, beweist es.

Hinweis für die Redaktion

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) veröffentlicht jedes Jahr eine Landkarte, die die regionale Verteilung der Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung abbildet.

Für die repräsentative telefonische Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Mai und Juni 2024 insgesamt 501 Personen ab 18 Jahre bevölkerungsrepräsentativ für das Bundesland Thüringen.