Doch die Herausforderungen im Gesundheitssystem sind groß: Die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung steigen stark, die Frage nach dem Zugang zur Versorgung scheint drängender denn je, und in der Pflege trifft der demografische Wandel auf den Fachkräftemangel. Im "Zur Sache" stellt Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, ausgewählte Forderungen der Techniker Krankenkasse (TK) zur Bundestagswahl vor.

TK: Frau Puttfarcken, bis es zu Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl kommt, wird es vermutlich noch dauern, und das Thema Gesundheitspolitik wird nicht ganz oben auf der Agenda stehen. Welche Themen müssen aus Sicht der TK auf jeden Fall angegangen werden?  

Puttfarcken: Wir haben im Gesundheitswesen einen Reformstau. Wir sehen, dass es nicht ohne grundlegende Veränderungen weitergehen kann. Aber es gibt noch viele Effizienzpotenziale, die wir nun heben müssen. Nur so können wir eine gute Gesundheitsversorgung aufrechterhalten und diese bezahlbar machen. Wir haben uns als TK bei unseren Forderungen zur Bundestagswahl auf die folgenden sechs Themenbereiche fokussiert: Finanzierung, Zugang, Wettbewerb, Digitalisierung, Pflege und Prävention und machen hier Lösungsvorschläge.  

Die gesetzlichen Krankenkassen schultern seit Jahren immer stärker steigende Leistungsausgaben, zudem sind die Reserven nun fast aufgebraucht. Das Resultat ist, dass die Zusatzbeiträge der Krankenkassen zu Jahresbeginn deutlich ansteigen mussten. Deshalb brauchen wir ein Sofortprogramm mit kurzfristiger Ausgabendämpfung und danach weitere strukturelle Veränderungen im Gesundheitswesen, um die Ausgabenspirale zu begrenzen und die Beiträge zu stabilisieren. Wenn wir zum Beispiel wieder Ausschreibungen von Hilfsmitteln ermöglichen würden, kämen wir in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf eine jährliche Entlastung von mindestens 350 Millionen Euro. Eine andere Maßnahme wäre, den Herstellerabschlag für patentgeschützte Arzneimittel von sieben auf zwölf Prozent zu erhöhen. Das wäre eine Entlastung von circa zwei Milliarden Euro, und gerade im Bereich der Arzneimittel haben wir in den vergangenen Jahren eine echte Kostenexplosion beobachtet. Klar ist aber auch, dass der Gesetzgeber die GKV bei Weitem nicht mit ausreichenden Steuermitteln ausstattet, ihr aber gleichzeitig immer weitere versicherungsfremde Leistungen überträgt. Daher brauchen wir auch eine Dynamisierung des Bundeszuschusses für den Gesundheitsfonds.

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Wir brauchen ein Sofortprogramm mit kurzfristiger Ausgabendämpfung und danach weitere strukturelle Veränderungen im Gesundheitswesen, um die Ausgabenspirale zu begrenzen und die Beiträge zu stabilisieren. Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: In einer Forsa-Befragung im Auftrag der TK haben 95 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger angegeben, dass es in den nächsten Jahren wichtig sein wird, dass Patientinnen und Patienten einfacher und schneller Termine beim Haus- und Facharzt bekommen. Wie können die Krankenkassen dabei unterstützen?

Puttfarcken: Die Strukturen der Versorgung sind, wie man so schön sagt, historisch gewachsen, zufällig entstanden oder folgen Vergütungsanreizen. Wir brauchen mehr passgenaue Versorgung, mehr Kooperation zwischen Ärztinnen und Ärzten und anderen Gesundheitsberufen sowie mehr Koordinierung und Steuerung. Die TK schlägt unter anderem vor, eine digitale Ersteinschätzung des Behandlungsbedarfs für neue Behandlungsfälle einzuführen. Orientiert am tatsächlichen Bedarf würden Patientinnen und Patienten so schneller in die richtige Versorgungsform kommen. Ärztinnen und Ärzte der verschiedenen Fachgruppen müssten dafür Terminkontingente auf digitalen Terminplattformen zur Verfügung stellen. Das würde die Versorgungsqualität erhöhen und Wartezeiten verkürzen.

Insgesamt müssen wir die Versorgung besser organisieren. Dafür braucht es eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung und eine einheitliche Vergütung an der Grenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Weiterhin sollten andere Gesundheitsberufe mehr Aufgaben in der Versorgung übernehmen, um damit Ärztinnen und Ärzte zu entlasten. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Telemedizin kann entlastend wirken. Für einzelne Fachgebiete fordern wir zudem die Präzisierung der ärztlichen Versorgungsaufträge, zum Beispiel durch einen konkreten ärztlichen Leistungsrahmen.

TK: Bei der Forsa-Befragung kam auch heraus, dass die Zukunft der Pflege für die Hamburgerinnen und Hamburger ganz oben auf der Agenda steht. 99 Prozent der Befragten gaben an, dass es wichtig sei, den Pflegebereich sowie Pflegeberufe zu stärken, damit pflegebedürftige Menschen gut versorgt werden.

Puttfarcken: Die Tatsache, dass die Bevölkerung in Deutschland immer älter wird, wirkt sich natürlich stark auf den Pflegebereich aus. Es gibt immer mehr Menschen, die im Alltag auf Unterstützung angewiesen sind und Leistungen aus der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen.  Daher ist es wichtig, dass wir die Pflegeversicherung finanziell stabilisieren und den Pflegeberuf attraktiver machen.

Um die Pflegeversicherung zu entlasten, wäre es wichtig, dass die Investitionsfinanzierung für stationäre Pflegeeinrichtungen durch die Länder besser gefördert werden. Eine Untersuchung des IGES-Instituts zeigt, dass Hamburg mit einer Fördersumme von 2,60 Euro je Pflegebedürftigem im Bundesländervergleich einen Platz weit unten in der Tabelle einnimmt. Wenn die Länder ihre Investitionsfinanzierung erhöhen, würden damit die Eigenanteile unmittelbar und sofort gesenkt werden. Weiterhin braucht es auch hier einen dynamisierten Steuerzuschuss aus Bundesmitteln. Dieser sollte mindestens die Refinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige umfassen.

Darüber hinaus müssen alle gemeinsam - Tarifpartner, Pflegeversicherung und politisch Verantwortliche - daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver zu machen. Fachkräfte werden seit Jahren auf dem Arbeitsmarkt gesucht. Die verbesserte Bezahlung hat an diesem Mangel kaum etwas geändert. Wir brauchen daher weitere Maßnahmen, etwa Anreize und Möglichkeiten zur Weiterbildung, die Übernahme medizinischer Aufgaben und damit die Ausweitung der Fachkompetenzen oder flexiblere Arbeitszeitmodelle. Wir sehen, dass sich mit Präventionsprojekten und Maßnahmen im Pflege-Setting Potenziale mobilisieren lassen. So lassen sich gesundheitsfördernde Strukturen nachhaltig einführen, die die Gesundheit von Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch die der Pflegefachkräfte verbessern.

TK-Positionen zur Bundestagswahl 2025

Alle Forderungen der TK zur Bundestagswahl sind unter tk.de/bundestagswahl zu finden.