"Ziel ist ein möglichst flächendeckender Ausbau."
Interview aus Sachsen-Anhalt
Im Gespräch mit Dr. Lydia Hüskens, Ministerin für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt, zum Stand der Digitalisierung im Bundesland.
TK: Frau Dr. Hüskens, Ihre Partei, die FDP, hat die Digitalisierung im Vorfeld der Bundestagswahl als "das Überlebensthema" bezeichnet. Inwiefern trifft dies gerade auf Sachsen-Anhalt und seine besonderen Herausforderungen als Flächenland mit der deutschlandweit ältesten Bevölkerung zu?
Dr. Lydia Hüskens: Sachsen-Anhalt durchlebt eine Zeit großer Veränderungen. Sie ist geprägt durch technologische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Umbrüche, deren Auswirkungen in sämtlichen Lebensbereichen für die Bürgerinnen und Bürger bemerkbar sind.
Besonders betroffen von diesen Entwicklungen ist Sachsen-Anhalt aufgrund des schneller als in anderen Ländern voranschreitenden demografischen Wandels, ebenso wie durch den Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier. Die Schaffung der digitalen Infrastruktur ist im ländlichen Raum genau wie die Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes (OZG) in einer Verwaltungsstruktur mit eher kleinen Gemeinden besonders herausfordernd. Beides bietet aber auch enorme Entwicklungschancen.
TK: Zu Beginn Ihrer Regierungstätigkeit hatten Sie angekündigt, sich zunächst ein Bild machen zu wollen, wo das Land beim Thema Digitalisierung exakt steht und welche Probleme die drängendsten sind. Wie fiel die Bestandsaufnahme aus?
Dr. Hüskens: Die Bündelung unterschiedlicher Digitalisierungsfelder im Ministerium für Infrastruktur und Digitales (MIB) bietet die Chance, im Sinne des Koalitionsvertrages eine modern aufgestellte und digital agierende Verwaltung zu formen. An vielerlei Stellen ist Sachsen-Anhalt zuletzt schon gut vorangekommen, in anderen Bereichen gibt es noch viel "Luft nach oben", so etwa bei der Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes.
Das MIB legt seinen Schwerpunkt neben den beschleunigten Ausbau der Infrastruktur vor allem auch auf die Modernisierung der Verwaltung. Es gilt "Verwaltung neu zu denken", da hier mit zunehmender Vernetzung aller Lebens- und Arbeitsbereiche durch Informations- und Kommunikationstechnologie die Organisation des Arbeitens eine zentrale Bedeutung erhält. Ein wichtiges Ziel ist es daher, neue Formen der Zusammenarbeit in einer modernen Verwaltung pilothaft zu erproben.
TK: Gerade in Bezug auf den Breitbandausbau und die Vernetzung verschiedener Akteure scheint Sachsen-Anhalt eher langsam vorwärtszukommen. Was genau sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Punkte, die die Landesregierung in ihrer digitalen Agenda bis zum Ende dieser Legislatur erreichen sollte?
Dr. Hüskens: Eines der Ziele ist die Beschleunigung der Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes (OZG). Die Zielsetzung hierbei ist es, eine Schnittstelle zwischen Land und Kommunen bei der Umsetzung des OZG zu institutionalisieren, um die Kommunen bei der Verwaltungsdigitalisierung insgesamt zu begleiten und zu beraten.
Weiteres Ziel ist ein möglichst flächendeckender Ausbau digitaler Infrastrukturen. Genannt seien hier die Stichworte Glasfaser und 5G-Mobilfunk sowie "Schulen ans Netz".
Das bisherige Festnetz-Ausbauziel wird zukunftssicher angepasst und als Infrastrukturziel (Glasfaser) auf mindestens 1 Gbit/s festgelegt. Elemente der Gigabitstrategie sind zudem konkretere Mobilfunkausbauziele und Sondervorhaben, wie etwa die Beschleunigung des Strukturwandels durch schnelleren Ausbau oder der zügige Anschluss der Schulen ans Glasfasernetz.
Ebenfalls hohe Priorität hat das Thema Strategieentwicklung und -umsetzung. In der anstehenden Legislatur werden eine Reihe von Grundlagen-Dokumenten oder Strategien neu formuliert, wie etwa die Digitalstrategie "Sachsen-Anhalt digital 2030". Zudem sollen verschiedene Fachkonzepte und -strategien in Handlungsfeldern wie zum Beispiel Informations- und Kommuniktationstechnik (IKT)-Steuerung, E-Government, künstliche Intelligenz oder Informationssicherheit von zentraler Seite aus auf den Weg gebracht werden.
TK: Im Jahr 2018 berief das Land den Digitalisierungsbeirat ein. Dessen Amtszeit lief dieser Tage aus und als Nachfolgegremium hat der Digitalrat seine Arbeit aufgenommen. Worin bestehen die Unterschiede zum bisherigen Gremium?
Dr. Hüskens: Künftig wird das MID den Digitalisierungsbeirat als Digitalrat Sachsen-Anhalt als unabhängiges Beratungsgremium fortführen. Hier sind kompetente Menschen insbesondere aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft berufen worden. Ebenso wird der Austausch mit der Wirtschaft durch den "Strategischen Wirtschaftsdialog" intensiviert, dieser hat bereits im April erstmals stattgefunden. Ziel ist es hier unter anderem, Anliegen und Bedürfnisse in einem vorwettbewerblichen Dialogformat strukturiert aufnehmen zu können und idealerweise in arbeitsteiliger Kooperation Ideen- oder Positionspapiere in strategischen Handlungsfeldern der Digitalisierung mit Blick auf das Land Sachsen-Anhalt zu formulieren.
Zur Person
Dr. Lydia Hüskens ist seit dem 16. September 2021 Ministerin für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt. Sie wurde am 26. März 1964 in Geldern geboren, ist römisch-katholisch, verheiratet und hat zwei Kinder. Nach einem Studium der Neueren Geschichte, Politikwissenschaften und Publizistik promovierte Lydia Hüskens 1990 zum Dr. phil.