Die Digitalisierung hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Gesundheitssektor, eröffnet aber zeitgleich zahlreiche Möglichkeiten, den neuen Herausforderungen zu begegnen. Die demografische Entwicklung führt zu einer älter werdenden Bevölkerung, wodurch der Bedarf an Gesundheitsversorgung steigt, während die Anzahl der Fachkräfte im Gesundheitswesen abnimmt. 

Prof. Dr. Bern­hard Breil

Prof. Dr. Bernhard Breil, Professor für Gesundheitsinformatik an der Hochschule Niederrhein Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Professor für Gesundheitsinformatik an der Hochschule Niederrhein

Technologien wie Medizinische Informationssysteme, Künstliche Intelligenz oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa) haben das Potenzial, Erkrankungen zu erkennen, zu lindern oder die Diagnosestellung zu unterstützen. Neben den immer besser werdenden technischen Möglichkeiten ist es auch wichtig, die Auswirkungen auf die Anwenderinnen und Anwender dieser Technologien zu betrachten.

Die Fragestellung

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt sich die Frage, welche Technologien eine hohe Akzeptanz haben und wie sich diese fördern lässt. Für die Beantwortung dieser Frage ist es entscheidend, das Zusammenspiel von Produkt, Nutzerinnen und Nutzern sowie deren Aufgabe zu betrachten.

Die Methodik

Messmethoden aus dem Bereich der Usability-Forschung wie die Beobachtung, die Befragung, Eyetracking-Messungen und "Lautes Denken" helfen, Einblicke in die Wirkung von Technologie auf die Anwenderinnen und Anwender zu erhalten. Die Ergebnisse fließen dann in Akzeptanzmodelle wie das Technology-Acceptance Model (TAM) oder in die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) ein. 

Solche Modelle zeigen, dass es vor allem auf Faktoren wie die Leistungserwartung (die Überzeugung, dass die Nutzung der Technologie die berufliche Leistung verbessert) und die Aufwandserwartung (der wahrgenommene Aufwand, der mit der Nutzung der Technologie verbunden ist) ankommt.

Die Beispiele

Die UTAUT-Faktoren sollen einmal am Beispiel der elektronischen Patientenakte (ePA) demonstriert werden. Leistungserwartung bedeutet, dass die ePA die Effizienz ärztlicher oder pflegerischer Arbeit verbessern muss, indem sie schnellen Zugriff auf Patienteninformationen und eine bessere Koordination der Pflege ermöglicht oder hilft Fehler zu reduzieren, um so die Qualität der Patientenversorgung zu erhöhen. 

Die Aufwandserwartung kann bei einer ePA durch eine benutzerfreundliche Oberfläche erreicht werden, die es den medizinischen Fachkräften leicht macht, sich einzuarbeiten. Schulungen und unterstützende Materialien helfen darüber hinaus, den Lernaufwand zu minimieren. 

Wenn Führungskräfte und angesehene Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus die Nutzung eines solchen Systems fördern, macht sich der Faktor Sozialer Einfluss bemerkbar. 

Bedingungsbezogene Erleichterungen wie vom Krankenhaus bereitgestellte notwendige technische Infrastrukturkomponenten, wie stabile Netzwerke und ausreichend Computer, bilden den vierten Faktor. Einfluss hat darüber hinaus die Preis-Leistungs-Erwartung, wenn das Krankenhausmanagement nach Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse feststellt, dass die langfristigen Vorteile, wie verbesserte Effizienz und reduzierte Fehler, die anfänglichen Investitionskosten überwiegen. 

Durch kontinuierliche Nutzung wird das ePA-System zu einem integralen Bestandteil ihrer täglichen Arbeit, was im UTAUT-Modell über den Faktor Gewohnheit abgebildet wird.

Weitere Faktoren, die eine Rolle spielen, sind die wahrgenommene Verletzlichkeit (die Frage, inwieweit ich eine Erkrankung wie zum Beispiel Bluthochdruck als Bedrohung wahrnehme) oder die Selbstwirksamskeitserwartung (der Glaube an die eigenen Fähigkeiten) aus der Protection-Motivation-Theory (PMT).

Die Folgen

In der Health-IT-Industrie sollte der Schwerpunkt auf konsequente Nutzerorientierung gelegt werden, um eine gute Usability und User-Experience zu gewährleisten und den Aufwand für die Nutzung einer Anwendung so gering wie möglich zu halten. 

Ein Mangel an Informationen über eHealth-Angebote bleibt eine bedeutende Barriere für die Nutzungsbereitschaft, daher muss die eHealth-Kompetenz sowohl auf Patientenseite als auch auf Seiten der Leistungserbringer weiter gefördert werden. Es ist daher wichtig, dass auch die Wissenschaft in die Bewertung des Nutzens von Technologie einbezogen wird und diese Informationen bereitstellt. Hier besteht noch ein methodischer Nachholbedarf, da beispielsweise ein Goldstandard sowohl in der Definition als auch in der Messung der eHealth-Kompetenz fehlt.

Zur Person

Bernhard Breil ist Medizininformatiker und Psychologe und lehrt seit 2013 als Professor für Gesundheitsinformatik an der Hochschule Niederrhein. Seit Januar 2020 leitet er als Dekan den Fachbereich Gesundheitswesen. In der Lehre hält Vorlesungen über Klinische IT-Systeme, Interoperabilität und IT-Projektmanagement. In seiner Forschung konzentriert sich Breil auf die sozio-technischen Aspekte an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik.