Vernetzte Infusionstechnik
Artikel aus Sachsen-Anhalt
Weniger Dokumentationsaufwand, mehr Patientensicherheit dank neuer Infusionspumpen: In seinem Gastbeitrag beleuchtet Dr. Sebastian Brandt, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und perioperative Schmerztherapie am Städtischen Klinikum Dessau, einen besonderen Aspekt der Digitalisierung.
Das Städtische Klinikum Dessau hat über 500 Infusions- und Spritzenpumpen beschafft. Diese große Investition von 900.000 Euro war einerseits notwendig geworden, da bei den teilweise über 20 Jahren alten Bestandsgeräten die Ausfallquote durch Defekte immer mehr anstieg und die Lieferung von Ersatzteilen ausläuft. Andererseits will sich das Klinikum den Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen stellen und in Zukunft eine elektronische Patientendokumentationen auch im Bereich der Intensivmedizin und im OP nutzen.
Eine direkte Kommunikation der Infusionstechnik mit dem angeschafften Patienten Daten Management System (PDMS) war mit der vorher genutzten Gerätegeneration nicht möglich. Finanziert wurde die gesamte Maßnahme im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes mit Fördermitteln der Europäischen Union.
Über Infusions- und Spritzenpumpen erhalten Patienten genau dosierte Gaben von Medikamenten, Infusions- oder Ernährungslösungen verabreicht. Diese können aus Spritzen, Flaschen oder Beuteln kontinuierlich aber auch als Bolus über einen venösen Zugang verabreicht werden. Im Vergleich zu den alten Pumpen fällt die wesentlich kompaktere Bauweise und das große, farbige Display mit Touchfunktionalität auf. Es lässt sich auch aus etwas Distanz noch gut ablesen.
Die intuitive, geführte Touchscreen-Bedienung erleichtert die Therapieeingabe und Handhabung - ganz besonders in stressigen Situationen. Die Medikamente sind in einer, durch die Klinik konfigurierte, individuellen Datenbank auf den Pumpen vorhanden. Standarddosierungen, Laufraten und Boli können als Vorschlag vorgegeben werden.
Farbdisplay zeigt Wirkstoffe an
Mit Einführung der neuen Infusionstechnik wird auch die Programmierung der Infusionslaufraten von Milliliter je Stunde auf eine Dosierungsangabe unter Berücksichtigung des Patientengewichts umgestellt. Das große Farbdisplay zeigt die Wirkstoffe im DIVI-Farbcode an. Pflegekräfte und Ärzte können damit durch einen Vergleich des Farbcodes auf dem Spritzenetikett und im Display erkennen, ob das richtige Medikament auf der Pumpe programmiert worden ist. Da die Pumpen miteinander kommunizieren, ist es auch möglich, zwei Pumpen mit dem gleichen Medikament zu bestücken.
Eine Pumpe ist dann im Standby-Modus, während die andere Pumpe das Medikament appliziert. Ist eine Infusion aufgebraucht, übernimmt automatisch die andere Pumpe. Bei kreislaufunterstützenden Medikamenten, wie zum Beispiel Katecholaminen, werden so Blutdruckschwankungen können dadurch durch Spritzenwechsel verursachte Blutdruckschwankungen signifikant reduziert werden.
Technik auch für den OP
Alarme werden nicht nur auf der Pumpe, sondern durch einen großen Leuchtbalken auch auf der Dockingstation angezeigt. In einer späteren Phase sollen die wichtigsten Statusinformationen der Infusionstechnik, wie zum Beispiel Restlaufzeiten, Alarme und Netzwerksstatus auf einem Monitor am Pflegestützpunkt angezeigt werden. Dies bedeutet einen erheblichen Gewinn für die Patientensicherheit und darüber hinaus eine Arbeitserleichterung für Intensivpflege und Intensivmediziner.
Zunächst wurden die operative und konservative Intensivstation mit den digitalen Pumpen bestückt. Bis Mai 2024 sollen dann auch der OP, die Intermediate Care Station, die Notaufnahme und die Kinderintensivstation mit der neuen Technologie ausgestattet werden.
Zur Person
Nach Studium in Göttingen, Kiel und Marburg begann Dr. Sebastian Brandt seine Weiterbildungszeit am Universitätsklinikum Kiel. Im Jahr 2005 wechselte er für einen Forschungsaufenthalt an das Universitätsspital Bern, Schweiz. Hier erfolgte auch die Promotion und er legte 2009 die Eidgenössische Facharztprüfung (FMH) im Fach Anästhesiologie ab. 2010 wechselte er im Rahmen eines EU-Forschungsprogramms mit einem Marie-Curie-Stipendium an das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Ab 2016 war er dort als Leitender Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin tätig. Seit 2022 ist er Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und perioperative Schmerztherapie.