So viel verordnete Medikamente wie nie zuvor, aber weniger als anderswo
Pressemitteilung aus Baden-Württemberg
Stuttgart, 20. September 2024. Patientinnen und Patienten aus Baden-Württemberg haben im Jahr 2023 so viele Arzneimittel verschrieben bekommen wie noch nie. Nach einer aktuellen Auswertung der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse (TK) erhielten 2023 bei ihr versicherte Erwerbspersonen im Durchschnitt 244 sogenannte Tagesdosen. Diese seit Beobachtungsbeginn im Jahr 2000 größte Menge an verordneten Arzneimitteln lag aber immer noch 11,4 Prozent unter dem Bundesschnitt von 275 Tagesdosen.
Wenigste Verordnungen bundesweit
Im bundesweiten Ländervergleich benötigten die Menschen damit hierzulande am wenigsten Medikamente. Jede bei der TK versicherte Erwerbsperson aus Baden-Württemberg erhielt bei durchschnittlich 2,9 Arztkontakten 4,4 verschreibungspflichtige Präparate.
Mehr Schilddrüsenprobleme im Südwesten
"Allein in den letzten zehn Jahren ist das Verordnungsvolumen um 15 Prozent gestiegen", sagt Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung in Baden-Württemberg, "Den Trend beobachten wir bundesweit und fast bei allen Produktgruppen liegen wir trotz der Steigerung unter dem Bundesschnitt, lediglich Schilddrüsenmedikamente werden hier im Südwesten etwas mehr benötigt."
Sie gehörten 2023 mit 20,1 Tagesdosen zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln, hinter Blutdrucksenkern (53,5 Tagesdosen) und knapp vor Psychoanaleptika (19,1 Tagesdosen), bei denen Antidepressiva den mit Abstand größten Anteil ausmachen.
Größtes Plus bei Psychopharmaka
Während der Bedarf an Schilddrüsenmedikamenten sich in den vergangenen zehn Jahren auf ähnlichem Niveau bewegt, sind die Verordnungszahlen für Herz-Kreislauf-Medikamente und Psychopharmaka angestiegen. "Bei Arzneimitteln zur Therapie von Herzerkrankungen haben wir ein Plus von gut 21 Prozent, bei solchen mit Wirkung auf das Nervensystem sogar von 34 Prozent in den letzten zehn Jahren", erklärt TK-Leiterin Mussa. Neben dem demografischen Wandel kämen hier auch Lebensstilfaktoren beziehungsweise eine zunehmende Alltagsbelastung zum Tragen.
Preise steigen unkontrolliert
Auch die Ausgaben für Medikamente lagen 2023 mit 555 Euro je TK-Versicherte beziehungsweise TK-Versicherten in Baden-Württemberg mehr als vier Prozent über dem Vorjahreswert. "Die Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen seit Jahren. Das liegt zum einen an der wachsenden Anzahl an verordneten Medikamenten, zum Großteil aber an neuen patentgeschützten Arzneimitteln", so Mussa. Diese neuen Arzneimittel machen mittlerweile etwa die Hälfte der Arzneimittelausgaben der GKV aus - bei gleichzeitig nur etwa sechs Prozent des Verbrauchs.
Die Kosten für patentgeschützte Arzneimittel liegen mittlerweile vielfach im fünf- und sechsstelligen Bereich, auch die Millionengrenze für einzelne Arzneimittel ist längst überschritten. "Diese Entwicklung kann die Versichertengemeinschaft auf Dauer nicht finanzieren. Es müssen neue Lösungen zur Preisbildung bei Arzneimitteln her", betont die TK-Leiterin.
Zentral ist aus Sicht der TK, dass sich die Preise an den tatsächlichen Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungskosten orientieren müssen. Kurzfristig sei zudem ein reduzierter Umsatzsteuersatz für Arzneimittel von sieben Prozent nötig, wie er etwa für Grundnahrungsmittel bereits gelte.
Hinweis für die Redaktion
Die Daten stammen aus dem Länderreport BW 2024, in dem unter anderem die Arzneimittelverordnungen der rund 5,6 Millionen bei der TK-versicherten Erwerbspersonen ausgewertet werden, 606.000 davon mit Wohnsitz in Baden-Württemberg. Dazu zählen neben den Erwerbstätigen auch die Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld I.
Die Ausgabenentwicklung betrifft alle 1,2 Millionen TK-Versicherte in Baden-Württemberg unabhängig von Alter und Erwerbstätigkeit.