IPSY: Schulbasierte Suchtprävention
Artikel aus Thüringen
Psychisch gestärkte, gut informierte Jugendliche rauchen weniger, trinken weniger Alkohol und konsumieren mit geringerer Wahrscheinlichkeit illegale Drogen als andere - das ist die Grundidee des schulbasierten Suchtpräventionsprogramms IPSY. Die Abkürzung steht für "Information plus psychosoziale Kompetenz ist gleich Schutz".
Die Gleichung des Lebenskompetenz-Ansatzes geht auf. Das belegen zum einen wissenschaftliche Langzeitstudien. Zum anderen sprechen die guten Praxiserfahrungen und positiven Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das Programm. Deshalb wurde das in Thüringen gestartete Programm nach drei erfolgreichen Jahren auf ganz Deutschland ausgeweitet.
485 Thüringer Pädagogen geschult
Seit August 2015 haben sich 485 Thüringer Lehrerinnen und Lehrer und andere Pädagogen, beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, schulen lassen. Danach können sie IPSY mithilfe eines Manuals in ihren fünften bis siebten Klassen unterrichten. 214 Sekundarschulen in ganz Thüringen wurden damit erreicht.
In jedem der 17 Thüringer Landkreise und jeder der fünf kreisfreien Städte sind an mindestens zwei Schulen Pädagoginnen und Pädagogen IPSY-trainiert. Die meisten Schulen mit dem IPSY-Programm gibt es im Wartburgkreis (16), im Landkreis Gotha (16), in Jena (14), dem Saale-Holzland-Kreis (14) und dem Unstrut-Hainich-Kreis (14).
Interessant für alle Schulformen
"Wir hatten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Schulformen - Regelschulen, Gymnasien, Gemeinschafts- und Gesamtschulen und auch aus Förderzentren. Die geografische Verteilung der entsendeten Personen zeigt zudem, dass IPSY auch tatsächlich im ganzen Freistaat angenommen wurde und nicht an der typischen Jena-Weimar-Erfurt-Achse blieb. Das ist ein schöner Erfolg", sagt Prof. Dr. Karina Weichold . Die Jenaer Psychologin hat das Programm mit ihrem Team an der Friedrich-Schiller-Universität Jena entwickelt.
Ein weiterer Erfolg sei, dass die Trainings in den über fünf Jahren so verbessert werden konnten, dass nun fast 100 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Lebenskompetenzförderung mit IPSY weiterempfehlen würden.
Von Thüringen für ganz Deutschland
Nach den positiven Erfahrungen in Thüringen haben Karina Weichold und ihr Team begonnen, IPSY allen Schulen mit Klassenstufen fünf bis sieben im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung zu stellen.
Seit März 2018 können sich Pädagoginnen und Pädagogen bundesweit für Schulungen anmelden. Das erste Training außerhalb Thüringens fand im Juni 2018 in Trier statt. Seitdem wurden über 1.500 Pädagoginnen und Pädagogen aus anderen Bundesländern geschult.
Die TK ist weiter Gesundheitspartner und unterstützt das Projekt.
Suchtprävention durch Stärkung der Persönlichkeit
Eine Besonderheit von IPSY erklärt Weichold so: "Mit unserem primärpräventiven Programm setzen wir bei Schülerinnen und Schülern an, noch bevor sie anfangen zu rauchen und Alkohol zu trinken beziehungsweise bevor sich Konsummuster verfestigen."
Dabei geht es ihnen nicht nur darum, explizit vor Drogen zu warnen. "Wir gehen an die eigentlichen Ursachen für Drogenkonsum, die Aufklärungsprogramme oftmals höchstens am Rande behandeln. Jugendliche geraten meist in Abhängigkeit, weil sie sich erhoffen, mit Rauschmitteln unter Freunden Anerkennung und sozialen Status zu erlangen oder typische Probleme ihrer Lebensphasen zu lösen."
In diesen Landkreisen findet IPSY bereits statt.
Mit IPSY können Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern zum Beispiel helfen, selbstsicherer zu werden, informierte Entscheidungen zu treffen und ihre Kommunikationsfähigkeit zu stärken. "Das ist das Rüstzeug, das sie brauchen, um einfach "Nein" zu Drogen zu sagen und auch sonst gefestigter durchs Leben zu gehen", sagt Weichold.
"Ein positiver Nebeneffekt: Fast alle Beteiligten haben viel Spaß und berichten von einem langfristig besseren Klima in der Klasse."
Mehrwert für Corona-Situation: erhöhte Resilienz
Die Grundidee von IPSY ist es, Lebenskompetenzen zu stärken, die allgemein mit einer positiven Entwicklung zusammenhängen. Das sind auch die Fähigkeiten, die Resilienz erhöhen - also die Wahrscheinlichkeit, mit besonders herausfordernden Situationen wie der Corona-Pandemie zurecht zu kommen.
Die Klassengemeinschaft wird mit IPSY nach der langen Zeit des Distanz- und Wechselunterrichts gefestigt. Damit kann das Programm in der schwierigen Situation jetzt noch mehr als sonst nützlich sein. Es stärkt nicht nur jede einzelne Schülerin und jeden Schüler, sondern schafft auch eine offene, bewertungsfreie Atmosphäre und trainiert soziale Kompetenzen.
Aus der Wissenschaft in die Praxis - das Erfolgsrezept
Gesichert und verstärkt wird die Wirkung durch den langfristigen Aufbau des Programms. Nach den ersten und intensivsten Unterrichtseinheiten in Klassenstufe fünf gibt es Auffrischungen und Übungen in den Klassen sechs und sieben. Dieses Festigen der Inhalte ist eines der in der Forschung anerkannten Qualitätsmerkmale für Prävention.
Mit IPSY ist den Jenaer Wissenschaftlerinnen ein eher seltener Schritt gelungen: Ein über Jahre wissenschaftlich entwickeltes und evaluiertes Programm wurde allgemeinverständlich und für die Praxis anwendbar aufbereitet und wird nun systematisch verbreitet.
"Pädagoginnen und Pädagogen, die IPSY in ihre Klassen bringen, müssen nicht mehr hoffen, dass sie damit etwas erreichen. Denn wir wissen einfach, dass es wirkt. Der zeitliche Aufwand zahlt sich somit aus, was weiter motiviert", sagt Weichold. "Für uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es toll, dass die breite Allgemeinheit so von unserer Arbeit profitieren kann."
Darüber hinaus können die Methoden, mit Stress und belastenden Situationen umzugehen, den jungen Menschen auch später helfen, beispielsweise im Studium oder im Berufsleben.