"Strukturen in Hessen werden auf den Prüfstand gestellt"
Interview aus Hessen
Hessens Gesundheitsministerin Diana Stolz bezieht Stellung zur Kooperation zwischen dem Klinikum Darmstadt und dem Agaplesion-Elisabethenstift.
TK: Ende April haben das Klinikum Darmstadt und das Agaplesion-Elisabethenstift angekündigt, künftig eng kooperieren und die Gründung einer gemeinsamen Holding prüfen zu wollen. Was halten Sie von diesem Vorstoß?
Diana Stolz: Wir stehen vor riesigen Herausforderungen im Gesundheitssystem und in der Krankenhauslandschaft. Im Zuge der Krankenhausreform werden deutschlandweit, wie hier in Hessen, Strukturen auf den Prüfstand gestellt werden. Verbundlösungen und Kooperationen sind in diesem Kontext häufig sinnvoll. Daher begrüßt das Hessische Gesundheitsministerium diesen Vorschlag und sieht darin eine Chance, die stationäre Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu sichern und zu erhalten.
Wir sehen darin eine Chance, die stationäre Versorgung auf hohem Niveau zu sichern.
TK: Wie werden Sie den weiteren Prozess in Darmstadt von Landesseite begleiten?
Stolz: Wir sind in der Regel von der Seite der Krankenhausplanung wie auch -finanzierung (Investitionskosten, Fördermöglichkeiten Bund und Land) involviert und gefragt. Dazu sind am Standort Darmstadt wie auch andernorts in Hessen vertiefte fachliche Gespräche zu führen. Wir stehen allerdings weiterhin vor der für alle Beteiligten unbefriedigenden Situation, dass der Bund mit einer geeigneten Ausgestaltung der Krankenhausreform auf sich warten lässt - diese ist immer noch offen. Die Bundesländer haben eine einstimmige Stellungnahme zum Referentenentwurf abgegeben. Für uns ist es entscheidend, dass wir regionalen Gestaltungsspielraum erhalten, damit wir auf teils sehr unterschiedliche Regionen und Erfordernisse eingehen können.
TK: Kann der Weg, den die Darmstädter Kliniken nun einschlagen werden, auch als Vorbild für andere Regionen in Hessen dienen?
Stolz: Das Modell kann definitiv ein Vorbild und eine Art Blaupause für andere Regionen sein. Derartige frühzeitige Überlegungen über Kooperationsmöglichkeiten und Synergieeffekte bieten jede Menge Chancen, die Zukunft aktiv zu gestalten. Es ist nicht gut, wenn Kliniken beziehungsweise Träger erst ins Handeln kommen, wenn die Lage bereits verfahren und überaus schwierig ist. Daher ist auch für andere Teile des Landes eine so frühzeitige Weichenstellung wünschenswert.
Das Modell kann ein Vorbild und eine Art Blaupause für andere Regionen sein.
TK: Dann hat das Land als Planungsbehörde also den Anspruch, dass solche Veränderungsprozesse auch in anderen Regionen angestoßen werden?
Stolz: Wie gerade gesagt: ja, unbedingt! Allerdings lehrt die Vergangenheit, dass derartige Prozesse erfolgreicher sind, wenn der Wunsch zu einer verstärkten Zusammenarbeit aus der Region und von den beteiligten Akteuren kommt.
TK: Die beiden Kliniken haben in ihrer Stellungnahme geäußert, dass sie für ihr Vorhaben auch auf Mittel der öffentlichen Hand benötigen. Gibt es aus Ihrer Sicht Aussicht auf solche Mittel, zum Beispiel aus dem Strukturfonds?
Stolz: Standortübergreifende Konzentrationsmaßnahmen können grundsätzlich mit Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds gefördert werden. Dieser Fonds wird aus Bundes- und Landesmitteln gespeist. Die Fachabteilung des Gesundheitsministeriums steht mit den Kliniken im Austausch, ein formeller Antrag liegt uns allerdings noch nicht vor.
TK: Die Ankündigung der Darmstädter Kliniken ist bislang öffentlich sehr wohlwollend aufgenommen worden. Fast zeitgleich hat auch das Mathildenhospital in Büdingen angekündigt, mit Blick auf die Klinikreform Leistungen abgeben zu wollen. Das wurde von der Öffentlichkeit kritisch wahrgenommen. Welche möglichen Lehren lassen sich aus diesen beiden Beispielen für die Kommunikation künftiger Veränderungsprozesse in der hessischen Kliniklandschaft ziehen?
Stolz: Die beiden Beispiele zeigen, wie herausfordernd es ist, eine notwendige Transformation einzuleiten und umzusetzen. Jede grundsätzliche (Teil-)Veränderung, sei es eine Fusion, eine Kooperation oder gar eine Schließung, bedeutet für die Betroffenen und für die Region immer Unsicherheit. Und das halte ich für sehr nachvollziehbar und normal. Daher sehe ich es auch als einen Teil unserer Aufgabe an, zu helfen, transparent zu kommunizieren. Es ist wichtig, den Patientinnen und Patienten zu erklären, dass sie sich weiterhin auf eine hochwertige Gesundheitsversorgung in Hessen werden verlassen können.
Es ist wichtig, den Patientinnen und Patienten zu erklären, dass sie sich weiterhin auf eine hochwertige Gesundheitsversorgung in Hessen werden verlassen können.
Nur so können wir Unsicherheit und Ängste nehmen. Denn eine Veränderung bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass Dinge schlechter werden. Wichtig ist es daher, beständig zu betonen, dass die ganze Krankenhausreform dazu dient, eine zukunftsfähige Struktur der stationären Versorgung aufzubauen. Das muss aber auch intersektoral gedacht und angepackt werden. Vieles wird sich ändern, das heißt aber nicht, dass es schlechter wird. Deshalb müssen wir jetzt unsere Strukturen umbauen und anpassen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung im Hinblick auf Patientenversorgung, Personal und Kosten sicherzustellen. Dabei wird der Dialog mit den Menschen eine entscheidende Rolle spielen. Ohne Kommunikation geht gar nichts, davon bin ich zutiefst überzeugt.
Zur Person
Diana Stolz wurde 1976 in Frankfurt geboren. Ihr Studium an der Verwaltungsfachhochschule Rotenburg an der Fulda (von 1995 bis 1998) beendete sie mit einem Abschluss als Diplom-Rechtspflegerin. 2002 absolvierte sie an der gleichen Einrichtung ein Aufbaustudium "Justizmanagement". Von 1999 bis 2010 war Stolz in verschiedenen Ministerien des Landes Hessen tätig. 2016 wurde sie Erste Kreisbeigeordnete des Kreises Bergstraße. Diese Funktion hatte sie inne, bis sie am 18. Januar 2024 zur Hessischen Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege berufen wurde. Seit 1997 ist Stolz Mitglied in der CDU.