"Die Infrastruktur setzt der Digitalisierung Grenzen"
Interview aus Berlin/Brandenburg
Er sieht großes Chancen in der Digitalisierung und versucht sie auch zu nutzen. Doch als Hausarzt in Brandenburg kämpft Hiwa Dashti auch gegen Funklöcher, fehlenden Netzausbau und Tücken der Technik. Drei Fragen, drei Antworten.
TK: Herr Dr. Dashti, wie digital ist Ihr Praxisalltag schon organisiert? Worin bestehen für Sie die Vorteile der Digitalisierung, gerade im ländlichen Raum?
Dr. Hiwa Dashti: Wir sind stets auf der Suche nach Methoden, die unseren Praxisalltag erleichtern und die Fülle an Büroarbeit in unserer Praxis reduzieren. Seit Jahren testen wir im Rahmen der Zukunftspraxis der KBV viele neue Programme und Projekte. Aus unserer Sicht können sinnvolle digitale Lösungen uns mehr Zeit für die unmittelbare Patientenversorgung ermöglichen. Ein Beispiel: der Empfang eines elektronischen Arztbriefes. Mit wenigen Klicks ist das Dokument der richtigen Akte hinzugefügt. Früher habe ich dafür den Brief aus dem Umschlag geholt, den Brief eingescannt, auf seine Vollständigkeit überprüft, die Patientenakte im PVS (elektronisches Praxisverwaltungssystem) für die Patientinnen und Patienten gesucht und dann den Scan zugeordnet. Hier kann Papier und Zeit eingespart werden.
Die Digitalisierung im Gesundheitssystem hat ein großes Potenzial, Abläufe in der Hausarztpraxis zu vereinfachen und die Patientenversorgung zu verbessern.
Die Internetverbindung ist oft ein Hindernis, um alle digitalen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Bei Videosprechstunden beispielsweise können wir in einigen Fällen die Verbindung nicht bis zum Ende unseres Gespräches aufrechterhalten und müssen es unterbrechen.
Gerade im ländlichen Bereich haben wir aufgrund längerer Fahrtzeiten den Wunsch einer Hilfestellung durch die Digitalisierung. An einigen dieser Projekte nehmen wir bereits teil. Schwierigkeiten stellen hier auch schon mal die mangelnde Änderungsbereitschaft unserer Partner, etwa im Pflegeheim, dar. Aber auch die Infrastruktur von WLAN und Mobilfunknetz setzen der Digitalisierung schon mal Grenzen. Trotzdem gibt es erfolgreiche Pilotprojekte, etwa im Pflegebereich: Dort kann die Pflegekraft im Heim per Videosprechstunde eine Verbindung zwischen Arzt und Patient herstellen. Mit einem speziellen Stethoskop können so sogar aus der Ferne das Herz und die Lunge abgehorcht werden.
TK: Gerade ältere Menschen fremdeln mitunter mit neuer Technik. Wie werden Ihre digitalen Angebote von Ihren Patientinnen und Patienten angenommen?
Dr. Dashti: Wir machen die Erfahrung, dass viele unserer Patientinnen und Patienten gegenüber der neuen Technik offen sind. Die Möglichkeiten der Online-Terminvergabe und auch des elektronischen Rezepts werden auch von unseren älteren Patientinnen und Patienten gern angenommen. Nicht selten scheitert es aber an komplizierten und nicht intuitiven Programmen. Bei der elektronischen Patientenakte beispielsweise ist es sogar für mich im Selbstversuch schwierig gewesen, den Anmeldeweg zu beschreiten.
TK: Wo sehen Sie beim Thema Digitalisierung noch Verbesserungsbedarf?
Die Digitalisierung im Gesundheitssystem (eRezept, eAU, ePA, eArztbrief und anderes) hat ein großes Potenzial, Abläufe in der Hausarztpraxis zu vereinfachen und die Patientenversorgung zu verbessern. Um ein System zu etablieren, was das auch schaffen kann, müssen in der Entwicklung auch diejenigen beteiligt werden, die in der Praxis damit arbeiten sollen. Einzellösungen und gewinnorientierte Projekte können keine zufriedenstellende Verbesserung bringen.
Meine Vorstellung einer echten Digitalisierung wäre ein Arzt-Portal/APP, bei dem unsere Patientinnen und Patienten, Krankenhäuser, unsere Kolleginnen und Kollegen, Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner, Kostenträger, Pflegeeinrichtungen, Apotheken und alle Beteiligten in der Betreuung der Patientinnen und Patienten datenschutzkonform, sicher, intuitiv ein gemeinsames Kommunikations- und Datenaustausch-System nutzen könnten.
Ich wünsche mir eine intensive und kritische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Die Umsetzung der vom Bund gewollten und sicherlich sinnvollen Digitalisierung im Gesundheitssystem muss für die Praxen kostenneutral passieren. Es muss in Weiterbildung der medizinischen Fachangestellten investiert werden, damit diese die Patient:innen entsprechend dieser Neuerungen beraten und unterstützen können. All diese Leistungen müssen auch Kassenleistung werden. Ich bin davon überzeugt, dass durch eine koordinierte und konsequente Umsetzung der Digitalisierung schlussendlich nicht nur Kosten eingespart werden können, sondern die Patientenversorgung auch sicherer gemacht werden kann.
Zur Person
Dr. Hiwa Dashti betreibt gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Hausarztpraxis in Eberswalde (Barnim), zudem eine Zweigpraxis im benachbarten Örtchen Liepe. Vor seinem Medizinstudium in Berlin absolvierte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Der Facharzt für Innere Medizin, Nephrologie und Diabetologie ist mit Leib und Seele Hausarzt.