In Deutschland werden immer mehr Arzneimittel verordnet. Im vergangenen Jahr bekam eine bei der TK-versicherte Erwerbsperson 275 Tagesdosen verordnet. Im Vergleich zum Jahr 2000 bedeutet das einen Anstieg um 37 Prozent. Dieser Anstieg allein würde schon zu Mehrkosten führen. Doch zusätzlich steigen die Preise für Arzneimittel immer weiter - besonders neue patentgeschützte Arzneimittel treiben die Ausgaben für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in die Höhe. Nach 14,6 Milliarden Euro im Jahr 2018 gab es bis 2022 fast eine Verdopplung auf 28 Milliarden Euro. Das ist etwa die Hälfte aller Arzneimittelausgaben der GKV, obwohl die entsprechenden Medikamente nur sechs Prozent des Gesamtverbrauchs ausmachen.

Stefan Groh

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Leiter der TK-Landesvertretung Saarland

Bleibt es bei diesen Entwicklungen, kann die Versichertengemeinschaft die Preise auf Dauer nicht mehr finanzieren. Deshalb brauchen wir neue Lösungen für die Preisbildung - und kurzfristige Maßnahmen, um die Arzneimittelausgaben zu stabilisieren. Schließlich sollen die Versicherten auch in Zukunft gut mit Arzneimitteln versorgt werden und von neuen Therapien profitieren

Echte Innovation?

Aktuell dürfen Hersteller die Preise der patentgeschützten Arzneimittel in den ersten sechs Monaten völlig beliebig festlegen. Erst danach wird ein Erstattungsbetrag verhandelt. Hinzu kommt, dass angeblich innovative Medikamente häufig keine echten Innovationen sind. Zum Beispiel kommen kurz vor Patentende die Arzneimittel mit nur kleinsten Veränderungen neu auf den Markt. Damit wird die Dauer des Patents künstlich verlängert, was zu einer längeren Exklusivität und weiterhin hohen Preisen führt. Das ist zwar völlig legal, aber hoch problematisch. Die Unmengen an Geld, die hier bezahlt werden, fehlen an anderer Stelle.

Transparenz bei der Preisfindung

Daher muss das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - kurz AMNOG - dringend weiterentwickelt werden. Dabei müssten sich die Preise zukünftig an den tatsächlichen Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungskosten orientieren. Auch der Nutzen und der medizinische Bedarf sollten bei der Preisfindung eine Rolle spielen. Wichtig ist, dass klare Kriterien definiert werden, um zu fairen Preisen zu kommen. Gute und innovative Arzneimittel, die eine Versorgungslücke schließen, sollen schließlich auch weiterhin gut bezahlt werden.

Reduzierter Umsatzsteuersatz gefordert

Eine weitere Maßnahme, die zu Entlastungen bei der GKV führen würde, wäre ein reduzierter Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Der gilt beispielsweise schon bei Grundnahrungsmitteln. Es ist daher nicht erklärbar, wieso Medikamente weiterhin voll besteuert werden.

Und wenn wir gerade bei Steuern sind. Immer mehr Pharma-Riesen nutzen Schlupflöcher, um Steuern zu minimieren: Die 15 größten europäischen und amerikanischen Arzneimittelhersteller haben nach einer Recherche von Investigate Europe mehr als 1300 Tochtergesellschaften in Steueroasen und Niedrigsteuergebieten gegründet. Damit sollen die Unternehmen allein in den vergangenen fünf Jahren Gewinne von 580 Milliarden Euro angehäuft haben. Solidarität und Fairness sehen anders aus!