Gesundheitszustand von Studierenden fördern
Interview aus Schleswig-Holstein
Wie steht es um die Gesundheit bei Studierenden in Schleswig-Holstein? Und wie können Hochschulen beim Gesundheitsmanagement unterstützen? Im Interview berichten darüber Prof. Dr. Susanne Liebermann, Professorin für Unternehmensführung und Personalmanagement sowie Simone Buuck, Referentin der Gleichstellungsstelle Betriebliches Gesundheitsmanagement an der FH Westküste.
TK: Wenn Sie einmal an die vergangenen drei Jahre denken: Wie hat sich Ihrer Auffassung nach der Gesundheitszustand der Studierenden verändert?
Prof. Dr. Susanne Liebermann: Seit dem Jahr 2018 führen wir regelmäßig Umfragen unter unseren Studierenden durch, um ihren Gesundheitszustand zu ermitteln. Unsere Ergebnisse zeigen, dass es keine signifikanten Veränderungen im allgemeinen subjektiven Gesundheitszustand der Studierenden gegeben hat. Allerdings haben uns die Studierenden in den vergangenen Jahren häufig von psychischen Beschwerden wie depressiver Verstimmung, Konzentrationsschwierigkeiten, Nervosität sowie muskuloskelettalen Beschwerden wie Nacken- und Schulterschmerzen und Rückenproblemen berichtet.
Simone Buuck: In persönlichen Gesprächen konnten wir feststellen, dass die Studierenden ein verstärktes Interesse an Gesundheitsthemen entwickeln, insbesondere in Bezug auf die Bedeutung sozialer Kontakte und die Risiken einer psychischen Überlastung. Es ist ermutigend zu sehen, dass sich die Studierenden zunehmend mit diesen Themen auseinandersetzen und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer ausgewogenen und gesunden Lebensführung entwickeln.
TK: Was sind für Sie die drei großen Themen, die einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Studierenden haben?
Liebermann: Unsere Befragungen zeigen eine enge Verbindung zwischen dem Gesundheitszustand und dem empfundenen Stress während des Studiums. Der Studienstress wird von einer Vielzahl persönlicher Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise finanzielle Sicherheit, Familien- und Wohnsituation sowie dem individuellen Gesundheitsverhalten. Aber auch Studienbedingungen, die wir als Hochschule aktiv gestalten können, spielen eine wichtige Rolle.
Der Studienstress wird von einer Vielzahl persönlicher Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise finanzielle Sicherheit, Familien- und Wohnsituation sowie dem individuellen Gesundheitsverhalten.
Wir beobachten eine zunehmende Anzahl Studierender, die neben dem Studium viele Stunden arbeiten, was die Organisation des Studiums erschwert und die Belastung deutlich erhöht. Gesundheitsbewusste Studierende, die ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit in Bezug auf ihre eigene Gesundheit haben, bewegen sich signifikant mehr, rauchen weniger und pflegen einen gesünderen Umgang mit Medien. Zudem berichten sie von weniger Prokrastination. Diese Aspekte des Gesundheitsverhaltens wirken wie auch die soziale Unterstützung als wichtige Puffer gegen Stress. Zudem profitieren Studierende von einer guten Studienorganisation sowie der Möglichkeit, sich aktiv in die Lehre einzubringen.
TK: Was tun Sie, um den Gesundheitszustand der Studierenden an Ihrer Hochschule zu verbessern?
Buuck: An der FH Westküste setzen wir auf eine aktive Einbindung der Studierenden in den Prozess des Studierenden-Gesundheitsmanagements (SGM). Aufbauend auf den Ergebnissen der Studierendenbefragungen entwickeln die Studierenden in einem partizipativen Prozess Vorschläge für Projekte, die anschließend nachhaltig umgesetzt werden. Diese Vorschläge umfassen sowohl Maßnahmen zur Förderung gesunder Verhaltensweisen als auch zur Verbesserung der Lehre und zur gesundheitsförderlichen Raum- und Campusgestaltung.
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg des SGM ist das klare Commitment aller Hochschulgremien sowie die Sensibilisierung aller Akteurinnen und Akteure an der Hochschule. Bei uns gelingt dies sehr gut. In einem eigens eingerichteten Arbeitskreis zum Thema Gesundheit sind wichtige Vertreterinnen und Vertreter von der Hochschulleitung bis hin zu den Studierenden eingebunden. Zudem arbeiten wir eng mit externen Kooperationspartnern wie der Techniker Krankenkasse und dem Studentenwerk zusammen.
An der FH Westküste setzen wir auf eine aktive Einbindung der Studierenden in den Prozess des Studierenden-Gesundheitsmanagements.
TK: Womit hilft Studentisches Gesundheitsmanagement (SGM) ein gesundheitsförderndes Umfeld zu schaffen? Worauf wird dabei besonders geachtet? Können Sie ein oder zwei konkrete Beispiele nennen, was sie im SGM umgesetzt haben oder derzeit umsetzen?
Buuck: Die Studierendenvertretung (AStA) organisiert eine Vielzahl unterschiedlicher Bewegungsangebote von Studierenden für Studierende. Wir integrieren Angebote zur Verbesserung des Selbstmanagements direkt in das Curriculum. Dadurch möchten wir den Studierenden wichtige Fähigkeiten vermitteln, um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden eigenständig zu fördern. Das Thema Suchtprävention wird von engagierten AStA-Mitgliedern übernommen, die Schulungen erhalten haben. Aktuell arbeiten wir an der Implementierung eines Mentor:innenprogramms, das den Studierenden unterstützende Begleitung und Orientierung bieten wird.
Liebermann: Um eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Lehre zu gewährleisten, schulen wir unsere Dozierenden, um deren Sensibilität für Elemente wie konstruktive Feedbackgabe zu stärken. Zudem planen wir aktuell eine Umgestaltung des Campus, um einerseits die Ergonomie zu verbessern, andererseits dem Bedürfnis nach mehr Rückzugs- und Begegnungsmöglichkeiten gerecht zu werden.
TK: Was müsste Ihrer Auffassung nach getan werden, um den Gesundheitszustand von Studierenden zu verbessern?
Liebermann: Um den Gesundheitszustand von Studierenden zu verbessern, ist es unserer Auffassung nach wichtig, ein Verständnis für die spezifischen Herausforderungen dieser Altersgruppe zu entwickeln und ihnen Hilfestellungen anzubieten, um selbst aktiv zu werden. Es ist entscheidend, soziale Begegnungen zu fördern und Austauschmöglichkeiten zu schaffen. In einer Kultur, in der der Umgang mit eigenen Gesundheitsthemen gefördert wird, kann die Selbstverantwortung der Studierenden gestärkt werden und Kompetenzen entwickelt werden, die über die rein fachlichen Fähigkeiten hinausgehen.
An der FH Westküste setzen wir uns kontinuierlich dafür ein, die Studienbedingungen so zu gestalten, dass die Studierenden sich in dieser bedeutenden Phase ihres Lebens aktiv um ihre Gesundheit kümmern können.
Buuck: An der FH Westküste setzen wir uns kontinuierlich dafür ein, die Studienbedingungen so zu gestalten, dass die Studierenden sich in dieser bedeutenden Phase ihres Lebens aktiv um ihre Gesundheit kümmern können. Wir sind bereits dabei, eine Vielzahl von Projektideen gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern umzusetzen und planen weitere Maßnahmen in den kommenden Jahren.
TK: Stichwort digitale Lehre: Fluch oder Segen für die Gesundheit der Studierenden?
Liebermann: Während der Lockdown-Phasen haben unsere Studierenden die digitale Lehre als äußerst positiv bewertet und schätzten die Möglichkeit, ihr Studium fortzusetzen. Als Hochschule konnten wir die Umstellung von rein präsenzbasierten Lehrformaten auf digitale Lehre erfolgreich bewältigen. Die Studierenden empfanden die Online-Lehre als fair, transparent und gut organisiert. Sie berichteten, dass sie keine Nachteile für ihren Lernfortschritt oder ihre zukünftigen Berufsaussichten feststellen konnten. Voraussetzung für gesundes Lernen in der digitalen Phase war jedoch eine gute technische Ausstattung und ein hohes Maß an Autonomieerleben.
Buuck: Auch heute erweist sich die digitale Lehre als hilfreich, um flexibel reagieren zu können und nicht ausschließlich auf Präsenzlehre angewiesen zu sein. Dies kann Studierenden eine bessere Vereinbarkeit von Studium und anderen Verpflichtungen ermöglichen und reduziert den Stress, der mit der Anreise von außerhalb verbunden ist. Allerdings haben unsere Studierenden gemerkt, dass es in der digitalen Lehre schwieriger ist, sich selbst zu präsentieren und aktiv mit den Dozierenden in Kontakt zu treten. Die Hemmschwelle für einen direkten Austausch wird als höher wahrgenommen. Es ist bedenklich, dass viele unserer Studierenden die soziale Unterstützung durch Kommiliton:innen nach den Lockdown-Phasen als relativ schlecht bewerteten, was wiederum mit einem erhöhten Stressniveau in Verbindung gebracht werden konnte.
Liebermann: In unserer jüngsten Befragung äußerten unsere Studierenden einen starken Wunsch nach Präsenzlehre, möglicherweise ergänzt durch hybride Formate. Es besteht also ein deutlicher Wunsch nach einer Rückkehr zu einem gemeinsamen Lernerlebnis auf dem Campus.
Der aktuelle TK-Gesundheitsreport beschäftigt sich mit der Gesundheit von Studierenden. Er zeigt, wie sich die Belastung in den vergangenen Jahren verändert hat.