"Mehr Awareness für mentale Gesundheit bei Studierenden"
Interview aus Schleswig-Holstein
Wie geht es den Studierenden im Norden? Im Interview berichtet eine Studentin der CAU zu Kiel von ihren Belastungen im Studium und wie sie versucht eine gesunde Balance zu finden.
TK: Studium, Arbeit und Freizeitleben unter einen Hut zu bekommen ist eine große Herausforderung. Kein Wunder also, dass Studierende häufig gestresst und emotional ausgelaugt sind. Wie ist das denn bei Dir? Findest Du da eine gute Balance?
Hevi Demir: Ehrlich gesagt ist meine Balance nicht so ausgeglichen, wie ich sie mir wünschen würde. Beispielsweise hatte ich zeitweise drei Jobs neben meinem Vollzeitstudium. Als besonders anstrengend empfinde ich dann den Leistungsdruck gepaart mit Termindruck. Während des Semesters hat man dann schnell mal sieben Klausuren, für die man Skripte mit 200 bis 400 Seiten lernen muss.
TK: Der TK-Gesundheitsreport 2023 hat außerdem gezeigt, dass Corona die Situation nochmal verschärft hat, insbesondere mit Blick auf psychische Erkrankungen. Wie erlebst Du das persönlich oder auch in Deinem Umfeld?
Hevi: Ja, das ist mir auch aufgefallen - sowohl bei mir selbst als auch in meinem Umfeld. Zu Anfang des Lockdowns habe ich es als angenehm empfunden, dass die Uni-Veranstaltungen digital aufgezeichnet wurden. So musste man das gesagte Wort nicht immer schnell mitschreiben, sondern konnte die Inhalte auch in Ruhe nacharbeiten. Aber am Ende hat man dann doch einen Lagerkoller bekommen, weil man immer nur zu Hause zum Studieren war oder gearbeitet hat. Alles Schöne am Studieren ist dabei weggefallen: mit den Mitstudierenden in die Mensa oder Bib zu gehen oder auch einfach mal einen Kaffee in der Freistunde zu trinken.
Alles Schöne ist dabei weggefallen: mit den Mitstudierenden in die Mensa oder Bib zu gehen oder auch einfach mal einen Kaffee in der Freistunde zu trinken.
TK: Und mit Blick auf den Umschwung zurück zur Normalität: Haben sich die Belastungen mit dem Wegfall der Coronamaßnahmen für Dich verändert?
Hevi: Gefühlt ist jetzt wieder alles beim Alten. Im Uni-Kontext werden zum Teil bewährte digitale Angebote nicht mehr weiter angeboten. Auch der Stress und Leistungsdruck ist für mich unabhängig von Corona gleich geblieben.
TK: Und was tust Du dann, um eine gute Work-Life-Balance zu finden? Hast Du bestimmte Methoden oder Rituale, um mal abzuschalten?
Hevi: Das musste ich erstmal für mich lernen. In unserer Gesellschaft ist Produktivität so hoch angesehen, dass man häufig ein schlechtes Gewissen hat, wenn man sich mal eine Pause nimmt. Aber gerade in stressigen Phasen versuche ich zumindest auf meine Grundbedürfnisse wie ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung und Bewegung zu achten. Abzuschalten gelingt mir übrigens am Besten bei banalen Tätigkeiten wie Putzen, weil ich da einen routinierten Ablauf habe und in einen meditativen Zustand gerate. Aber natürlich hilft es auch sehr Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen.
TK: Eine abschließende Frage habe ich noch: Wie könnten denn unterstützende Angebote für Studierende aussehen?
Hevi: Die Pandemie hat gezeigt, dass gerade Einsamkeit großen Einfluss auf die mentale Gesundheit hat. Deswegen würde ich mir mehr vernetzende Angebote für Studierende wünschen, bei denen man zusammen kommt, kreativ wird oder auch gemeinsam meditiert. Mein Gefühl ist auch, dass nach wie vor das Vorurteil der "faulen Studierenden" kursiert, was in der Realität einfach nicht stimmt. Umso wichtiger ist es, mehr Awareness für das Thema mentale Gesundheit bei Studierenden zu schaffen und zu hinterfragen, wie wir Arbeiten und Studieren. Als Konsequenz gilt es dann auch Größen wie Produktivität in unserer Gesellschaft zu überdenken und neu zu definieren.