20 Jahre Mammographie-Screening - eine Expertin blickt zurück
Interview aus Bayern
Brustkrebs trifft zwölf Prozent aller Frauen im Leben, am häufigsten die 50- bis 76-Jährigen. Die Radiologin und Wissenschaftlerin Prof. Dr. Sylvia Heywang-Köbrunner hat die Mammadiagnostik in Deutschland entscheidend geprägt und weiterentwickelt. Im Interview erläutert sie, warum es sich aus ihrer Sicht für Frauen lohnt, zur Früherkennung zu gehen.

TK: 2005 begann die Einführung des bundesweiten Mammographie-Screenings, an dem Sie als Expertin maßgeblich beteiligt waren - wie kam es dazu?
Prof. Dr. Sylvia Heywang-Köbrunner: 2002 beschlossen Bundestag und Bundesrat, ein Mammographie-Screening-Programm auf der Grundlage der Europäischen Leitlinien in Deutschland einzuführen. Ziel des Programms war es, Brustkrebs früher zu erkennen, um die Heilungschancen zu erhöhen und die Sterblichkeit zu senken. Besonders hierbei: die strenge Qualitätssicherung. 2005 starteten dann die ersten Screening-Einheiten mit ihrer Arbeit, aber es dauerte Jahre, bis das an jedem Standort in Deutschland der Fall war. Natürlich ging es immer auch darum, das Mammographie-Screening weiterzuentwickeln. Und die Mühen haben sich gelohnt: Seit 2019 kann anhand der Daten im Krebsregister belegt werden, dass das Mammographie-Screening sein Ziel erfüllt.
Prof. Dr. Sylvia Heywang-Köbrunner und Kathrin Heydebreck

TK: Wie sieht diese strenge Qualitätssicherung aus?
Prof. Heywang-Köbrunner: Wer im Mammographie-Screening arbeitet, durchläuft spezielle Schulungen, weitere Fortbildungen, Feedback zu seinen Ergebnissen und wird regelmäßig geprüft. Die Geräte, die wir einsetzen, werden umfassend überwacht. Wenn mit einem Gerät etwas nicht stimmt, darf an diesem Tag gar nicht erst mit dem Screening begonnen werden. Außerdem wird jeder Befund von zwei unabhängigen Personen gesehen, die das jeweils andere Ergebnis nicht kennen. Wenn etwas entdeckt wird, wird dies in der Gruppe aus Programmverantwortlichem Arzt bzw. Ärztin und diesen Befunderinnen und Befunder noch einmal besprochen. Damit stellt man sicher, dass man möglichst wenig zusätzliche Untersuchungen zur Abklärung durchführt und möglichst viele Brustkrebserkrankungen im Frühstadium findet.
Ein Podcast mit Prof. Dr. Heywang-Köbrunner zum Thema Mammographie-Screening gibt es auch im Maschinenraum Gesundheit. Die Folge finden Sie auf diesen Plattformen:
TK: Neben dem Nutzen gibt es auch hier Risiken. Wie trifft man als Laie eine souveräne Entscheidung?
Prof. Heywang-Köbrunner: Wenn ich heutzutage einen Tumor von unter einem Zentimeter Größe finde, dann liegt die Chance, dass ich mehr als 20 Jahre überlebe, bei 94 Prozent. Natürlich kann ein Screening auch immer dazu führen, dass ich zum Beispiel etwas ganz Kleines finde. Und dann müssen wir mit weiteren Bildgebungsverfahren oder einer Biopsie klären, ob das entdeckte Gewebe bös- oder gutartig ist. Eine weitere Abklärung ist zweifelsohne belastend. Aber eine Biopsie, die fast immer ambulant durchführbar ist, wird unter Lokalanästhesie durchgeführt und ist mit der Kariesbehandlung beim Zahnarzt vergleichbar.
TK: Was macht eine gute Diagnostik aus?
Prof. Heywang-Köbrunner: Als gute Diagnostikerin weiß ich, wie ich Brustkrebs aus klinischer Sicht entdecke: tasten, anschauen, der Patientin zuhören. Allerdings finden sich klinische wahrnehmbare Veränderungen meist erst bei größeren Tumoren. Eine Senkung der Sterblichkeit ist durch regelmäßiges Tasten nicht nachzuweisen.
Die einzige bei normalem bis mittlerem Risiko zugelassene Früherkennungsmethode ist das Mammographie-Screening, welches nur an hierfür zertifizierten Instituten allen Frauen alle zwei Jahre angeboten wird. Hierfür ist eine relevante Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit nachgewiesen. Bei Hochrisiko (Erkrankungen mehrerer Verwandter oder Verwandter in jungem Alter) ist je nach genetischem Befund der Einsatz von MRT und Mammographie im Rahmen des Programms familiärer Brustkrebs) etabliert. Bei unklaren Befunden ist zur weiteren Klärung neben Mammographie - je nach Befundtyp - auch der Einsatz ergänzender Methoden wie Ultraschall (sowie selten auch von MRT) wichtig.
Für bestmögliche Früherkennung werden bei der weiteren Schulung von Fachärzten gewisse Muster und Logiken trainiert, wie ich vorgehen muss, damit einem nach Möglichkeit nichts entgeht. Und man braucht die Bescheidenheit zu wissen, dass man nie ausgelernt hat. Es ist ein ständiges Forschen und Dazulernen.
Mammografie

TK: Wie (gut) kann KI bei der Diagnostik unterstützen?
Prof. Heywang-Köbrunner: Ich denke, dass die KI künftig die Befundung entscheidend unterstützen und teilweise auch übernehmen kann. Man wird wahrscheinlich immer mindestens eine Ärztin oder einen Arzt brauchen, weil jemand die Verantwortung übernehmen muss. Aber gerade in einfachen Routinesituationen ist KI wirklich sehr gut und wird zukünftig wohl zur Arzt-Entlastung beitragen können.
In unserer Praxis setzen wir die KI seit 2019 als dritten Befunder ein. Aber um die KI trainieren zu können, brauchen wir Daten. Deshalb kann ich nur jede Frau bitten, der pseudonymisierten Datennutzung ihres Mammographie-Screenings zuzustimmen. Die Ergebnisse kommen den Frauen bei zukünftigen Untersuchungen zu Gute.
Zur Person
Prof. Dr. Sylvia Heywang-Köbrunner ist Radiologin und eine international renommierte Expertin auf dem Gebiet der Mammadiagnostik. Sie absolvierte ihr Medizinstudium, ihre Promotion und die Facharztausbildung an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Ihre Forschung hat die Brustdiagnostik entscheidend geprägt: So führte Prof. Heywang-Köbrunner das Kontrastmittel-MRT der Brust weltweit und auch europaweit die Vakuumbiopsie ein. Beide Verfahren haben sich inzwischen als wichtige Instrumente der modernen Brustdiagnostik in Früherkennung und Abklärung international etabliert. Die mehrfach ausgezeichnete Radiologin leitet eine Praxis für Brustdiagnostik in München.
Mammografie - Erfahrungsbericht
