"Pflege ist längst ein hochkomplexer Beruf."
Interview aus Berlin/Brandenburg
Im Interview: Staatssekretär Michael Ranft über den "Pakt für die Pflege", die Herausforderungen der (akademisierten) Pflegeausbildung und seine Vision für 2024.
TK: Herr Staatssekretär Ranft, die vierte Säule im "Pakt für die Pflege" zielt auf eine Verbesserung der Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen. Dazu zählt auch die Stärkung der Studiengänge. Was ist die Erwartungshaltung der Landesregierung an eine Akademisierung der Berufe - und welche neuen Aufgabengebiete für Pflegekräfte können dadurch erschlossen werden?
Michael Ranft: Pflege ist längst ein hochkomplexer Beruf. Durch die Akademisierung werden die wissenschaftlichen Kompetenzen im Pflegeberuf gestärkt und die Qualität des beruflichen Handelns verbessert, um eine professionelle und zeitgemäße Pflege sicherzustellen. Ebenso kann die Professionalisierung des Berufs zu einem neuen Selbstverständnis der Pflegekräfte beitragen.
Akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte können sich im Laufe ihrer Tätigkeit auf die Versorgung von einzelnen Patientengruppen spezialisieren. Sie koordinieren den gesamten Behandlungs- und Pflegeprozess von Patientinnen und Patienten mit einer bestimmten medizinischen Diagnose. Sie werden so zu Spezialistinnen und Spezialisten in einem definierten Fachgebiet.
Natürlich soll der Pflegeberuf attraktiv für junge Menschen bleiben.
TK: In Brandenburg brachen 2020/2021 durchschnittlich 15,4 Prozent der künftigen Pflegekräfte ihre Ausbildung ab. Wie könnte dieser Anteil - aus Ihrer Sicht - verringert werden?
Ranft: Zunächst einmal wäre es falsch, Ausbildungsabbrüche ausschließlich negativ zu betrachten. Umorientierungen sind in diesem Lebensabschnitt etwas ganz Normales und die Abbruchursachen sind vielfältig. Wir bewegen uns dabei in der Pflegeausbildung im Übrigen keineswegs auf einem sehr hohen Niveau. Bei den Berufen nach dem Berufsbildungsgesetz liegt die Beendigungsquote in Brandenburg mit durchschnittlich 30 Prozent fast doppelt so hoch. Aber natürlich soll die Pflegeausbildung attraktiv für junge Menschen bleiben. Mit der neuen generalistischen Pflegefachausbildung haben wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan und werden als Nächstes auch die Pflegehilfeausbildungen des Landes novellieren.
TK: Durch die Coronakrise muss auch der Pakt mit weniger Geld auskommen als ursprünglich geplant. Welche Möglichkeiten stehen Brandenburg zur Verfügung, um das Projekt trotzdem auch in den nächsten Jahren erfolgreich weiterzuführen?
Ranft: Corona bindet Personal und führt zu enormen Belastungen im Landeshaushalt. Ich hätte mir natürlich bessere Bedingungen für den Start dieses wichtigen Vorhabens gewünscht. Dass die Sicherung der Pflege für die Landesregierung nach wie vor von zentraler Bedeutung ist, zeigt sich darin, dass gleichwohl ein zweistelliger Millionenbetrag zur Verfügung steht. Das war in der Vergangenheit nicht so und bietet große Chancen. Deshalb waren alle Partnerinnen und Partner des Paktes trotz Corona sehr aktiv. Dazu gehören Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, Investitionen in Kurzzeit- und Tagespflege, der Ausbau der Pflegestützpunkte sowie das Förderprogramm "Pflege vor Ort". An diesen Zielen halten wir fest!
TK: Wie sollte die Brandenburger Pflegelandschaft im Jahr 2024 aussehen?
Ranft: Ich hoffe sehr, dass es - trotz der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen in der Corona-Pandemie - durch das Zusammenwirken aller Pflegeakteure im Land gelingt, die bestehenden Versorgungsstrukturen zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. 2024 sollte die in Brandenburg bevorzugte Pflege in der Häuslichkeit, wo derzeit über 80 Prozent aller Pflegebedürftigen versorgt werden, weiterhin diesen hohen Stellenwert haben. Die dafür erforderlichen Unterstützungsstrukturen für Pflegebedürftige und deren Angehörige sollen bis 2024 ergänzt und ausgebaut werden.
Natürlich ist dabei auch der Bund gefragt, zum Beispiel mit verbesserten gesetzlichen Regelungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege.
TK: Zuletzt noch eine persönliche Frage. Die Pandemie fordert alle heraus, auch mental. Was tun Sie, um im Gleichgewicht zu bleiben?
Ranft: Homeoffice und Kontaktbeschränkung, Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens durch Lockdown - das sind aktuell die Herausforderungen, mit denen jede und jeder von uns umzugehen lernen muss. Daher ist es jetzt umso wichtiger, auf die psychische Gesundheit zu achten, die im Alltag ja doch oft zu kurz kommt. Mir persönlich helfen die vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen in unserem Ministerium, der sportliche Ausgleich, zum Beispiel durch Joggen, sowie mein privates Umfeld. Darüber hinaus habe ich als Christ immer den Glauben und die Hoffnung, dass wir auch diese Herausforderung - wie viele andere zuvor - gemeinsam meistern werden.
Zur Person
Michael Ranft ist seit Dezember 2019 Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Der studierte Jurist war zuvor in diversen Leitungstätigkeiten im Ministerium tätig, zuletzt von 2012 bis 2019 als Leiter der Abteilung "Soziales, Familie, Integration" (ab Mai 2015 "Frauen, Soziales, Familie, Integration").