Kinderschutz in der Medizin
Artikel aus Hessen
Wie kann es im Gesundheitswesen gelingen, Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellen Missbrauch bei Kindern zu erkennen und damit professionell umzugehen?
Mit dieser herausfordernden Thematik beschäftigte sich am 15. und 16. März 2024 die 18. Internationale Kasseler Fortbildung "Basiskurs Kinderschutz in der Medizin." Seit 2003 ist die TK in Hessen als Förderer dabei. Der Kurs richtet sich jedes Jahr an Fachkräfte, die im Kinderschutz tätig sind, und setzt sich für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ein. Bislang wurden rund 3.000 Teilnehmende zum Kindeswohl geschult.
Interdisziplinäre Fortbildung für Kinderschutz
Die Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin organisiert die Fortbildung zum Kinderschutz in der Medizin 1x jährlich und passt sie auch an die aktuellen Herausforderungen an. So hat beispielsweise das Thema: "Sexuelle Übergriffe in der medialen Welt" enorm an Bedeutung gewonnen. Das Hauptziel dieser regelmäßigen Veranstaltung ist es, die Teilnehmenden dafür zu sensibilisieren, wie sie mögliche Anzeichen von Kindeswohlgefährdung im Alltag erkennen und bei Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung angemessen reagieren können.
Der Kurs bietet Fachkräften aus dem Gesundheitsbereich ein Basiswissen und vermittelt deshalb unter anderem kinderschutzmedizinische Grundlagen, Interventionsstrategien und Hilfen für die Gesprächsführung. Den Basiskurs besuchen Ärztinnen und Ärzte, aber auch nichtärztliche Mitarbeitende des Gesundheitssystems, beispielsweise aus den Bereichen Psychologie, Sozialarbeit oder Pflege. Der Kurs dient als Grundlage für einen vertiefenden Aufbaukurs, der sich zum Thema Kinderschutz dann an Ärztinnen und Ärzte richtet. In diesem Rahmen haben mittlerweile über 400 Ärztinnen und Ärzte das Zertifikat Kinderschutzmedizin abgelegt.
Kindeswohl erhalten: Was tun, im Ernstfall?
Der zweitägige Basiskurs fand erneut in hybrider Form mit rund 300 Teilnehmenden statt. Etwa 70 Personen und 15 Referierende nahmen direkt im Klinikum Kassel teil, während weitere 220 Teilnehmende live zugeschaltet waren. Im Zentrum des Kurses steht, den Teilnehmenden zu vermitteln, wie sie mit den schwierigen Themen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern sicher und fachlich richtig umgehen. Dazu gehört beispielsweise die Frage, welche Verhaltensweisen und Verletzungen darauf hinweisen, dass ein Kind Gewalt erfahren hat? Und: Welche Schritte müssen eingeschlagen werden, wenn Gewalt an Kindern entdeckt wird? Dabei sind mit Gewalt nicht nur Schläge oder sexueller Missbrauch gemeint. Das Wohl von Kindern ist auch gefährdet, wenn sie angeschrien, klein gemacht, sozial isoliert oder ihnen Kontakte verboten werden.
Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen: "Kindesmissbrauch spielt sich in der Regel hinter verschlossenen Türen ab. Personen aus dem sozialen Umfeld der Kinder müssen wissen, welche Verhaltensweisen der Kinder und welche Verletzungen auf eine Gewalterfahrung hinweisen können und wie sie bei einem Verdacht sinnvoll reagieren sollten."
Dr. Bernd Herrmann, Leiter des Bereichs Kinderschutz am Klinikum Kassel:
"Befragungen von Erwachsenen haben ergeben, dass nahezu jeder Dritte im Laufe der Kindheit und Jugend von irgendeiner Form von Misshandlung, emotionaler oder körperlicher Vernachlässigung, körperlicher oder psychischer Gewalt oder sexuellem Missbrauch betroffen ist."
Aus Sicht von Dr. Herrmann ist es von essenzieller Bedeutung, dass Gewalt gegen Kinder in ihren vielfältigen Formen so frühzeitig wir nur irgend möglich erkannt und aufgedeckt wird. "Allerdings sind die körperlichen Hinweise auf Misshandlung und Gewalt oft nicht einfach diagnostizieren. Daher wollen wir den Teilnehmenden unserer Tagung mehr Sicherheit im zwingend multiprofessionellen Umgang mit dieser schwierigen Thematik geben", so Dr. Herrmann.
Aufgrund des anhaltend hohen Interesses und des seit Jahren bestehenden positiven Feedbacks der Teilnehmenden wird der Basiskurs "Kinderschutz in der Medizin" voraussichtlich auch im Frühjahr 2025 stattfinden.