Mit dieser herausfordernden Thematik hat sich im März 2025 die Internationale Kasseler Fortbildung "Basiskurs Kinderschutz in der Medizin" beschäftigt. Die in Hessen mittlerweile fest etablierte Veranstaltungsreihe, die meist jährlich und nun bereits zum 19. Mal stattfand, wird von der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) organisiert und von der TK in Hessen seit 2003 gefördert.

Schutz vor Gewalterfahrungen

Aus Sicht der Veranstalter ist Aufklärung essenziell, um Kinder vor Gewalterfahrungen zu schützen und ihnen im Ernstfall professionelle Hilfe zukommen zu lassen. Viele Fälle bleiben unentdeckt, da betroffene Kinder und Jugendliche sich zu Vorfällen, in denen sie Gewalt erlebt haben, selten direkt mitteilen. Zudem gibt es bei Missbrauch und körperlicher Misshandlung, emotionaler und psychischer Misshandlung sowie Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen nicht "die" typischen Symptome.

Betroffene können unter körperlichen Symptomen wie etwa Untergewicht oder Verletzungen leiden oder auch emotionale und psychische und psychosomatische Symptome wie Ängste und Panikstörungen, Schlafstörungen und Alpträume, selbstverletzendes Verhalten und Essstörungen zeigen. Auch Verhaltensauffälligkeiten im Umgang mit anderen Kindern oder unangemessenes sexuelles Verhalten können symptomatisch sein. Oft leiden Betroffene jahrelang, ggf. sogar lebenslang unter der erlittenen Gewalt.

Hinter verschlossenen Türen

Kindesmissbrauch spielt sich in der Regel hinter verschlossenen Türen ab. Dr. Barbara Voß 

 "Kindesmissbrauch spielt sich in der Regel hinter verschlossenen Türen ab. Personen aus dem sozialen Umfeld der Kinder müssen wissen, welche Verhaltensweisen der Kinder und welche Verletzungen auf eine Gewalterfahrung hinweisen können und wie sie bei einem Verdacht sinnvoll reagieren sollten", sagt Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen.

Dr. Barbara Voß

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen


"Befragungen von Erwachsenen haben ergeben, dass nahezu jede und jeder Dritte im Laufe der Kindheit und Jugend von irgendeiner Form von Misshandlung, emotionaler oder körperlicher Vernachlässigung, körperlicher oder psychischer Gewalt oder sexuellem Missbrauch betroffen ist", sagt Dr. Bernd Herrmann, Leiter des Bereichs Kinderschutz am Klinikum Kassel und einer der Referenten der Veranstaltung.

Gewalt gegen Kinder in ihren vielfältigen Formen muss so frühzeitig wir nur irgend möglich erkannt und aufgedeckt werden. Dr. Bernd Herrmann

Aus seiner Sicht ist es enorm wichtig, dass Gewalt gegen Kinder in ihrer vielfältigen Form so frühzeitig wir nur irgend möglich erkannt und aufgedeckt wird. "Allerdings sind die körperlichen Hinweise auf Misshandlung und Gewalt oft nicht einfach zu diagnostizieren. Daher wollen wir den Teilnehmenden unserer Tagung mehr Sicherheit im zwingend multiprofessionellen Umgang mit dieser schwierigen Thematik geben", so Dr. Herrmann.

 

Dr. Bernd Herr­mann

Portrait von Dr. Bernd Herrmann Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Oberarzt der Klinik für Neonatologie und allgemeine Pädiatrie sowie Leiter des Bereichs Kinderschutz am Klinikum Kassel

Steigende Fallzahlen bei hoher Dunkelziffer

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist fast immer eine Wiederholungstat, die sich über längere Zeiträume erstreckt und bis ins Erwachsenenleben andauern kann. Die Täter kommen meist aus dem familiären und sozialen Umfeld der Betroffenen. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche findet aber auch in institutionellen Einrichtungen statt und wird in einem geringeren Ausmaß auch durch Kinder und Jugendliche selbst ausgeübt.

Laut aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes haben hessische Jugendämter im Jahr 2023 bei mindestens 6.200 Kindern und Jugendlichen eine Gefährdung festgestellt. Das sind 580 Fälle mehr als im Jahr 2022. Da von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist, dürften die Zahlen in Wahrheit noch höher liegen.

Sicheres und richtiges Handeln

Die DGKiM hat die Veranstaltung in der Vergangenheit immer wieder an jeweils aktuelle Herausforderungen angepasst. Während der Coronapandemie wurden etwa zusätzliche Module zum Thema Kinderschutz in der Pandemie angeboten. Zuletzt hat auch die Problematik von sexuellen Übergriffen in der digitalen Welt an Bedeutung gewonnen.

Im Kurs wird den Teilnehmenden vermittelt, wie sie mit dem schwierigen Thema der Gewalterfahrung sicher und fachlich richtig umgehen können. Dazu gehört neben der Frage, welche Verhaltensweisen und Verletzungen auf eine Gewalterfahrung hinweisen könnten auch, welche Schritte eingeschlagen werden müssen, wenn Gewalt an Kindern entdeckt wird. Hierfür werden den Teilnehmenden Interventionsstrategien und Hilfen für die Gesprächsführung vermittelt.

Der Kurs richtet sich jedes Jahr an alle Fachkräfte, die im Kinderschutz tätig sind, und setzt sich für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der im Kinderschutz tätigen Fachpersonen ein. Dazu zählen Ärztinnen und Ärzte, aber auch nicht-ärztliche Mitarbeitende des Gesundheitssystems, beispielsweise aus den Bereichen Psychologie, Sozialarbeit oder Pflege. 


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