Bilanz 2024 - Ausblick 2025
Interview aus Baden-Württemberg
Am Jahresende schauen wir wieder auf die wichtigsten Ereignisse im Jahr 2024 zurück und wagen einen Ausblick auf 2025.
Das Jahr 2024 war geprägt von wichtigen Weichenstellungen für die Digitalisierung sowie dem hartem Ringen zwischen Bund und Ländern um eine Krankenhausreform - mit der Verabschiedung durch den Bundesrat in einer denkwürdigen Abstimmung zwei Wochen nach dem Scheitern der Regierungskoalition.
Doch nach der Reform ist vor der Reform. Die Umsetzung auf Landesebene in Form einer neuen Landeskrankenhausplanung wird ebenso wie die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im kommenden Jahr ein wichtiges Projekt für das Gesundheitswesen in Baden-Württemberg sein.
TK: Frau Mussa, welches Fazit ziehen Sie insgesamt für das Jahr 2024?
Nadia Mussa: Das gesundheitspolitische Jahr 2024 hat sich seinen spannendsten Moment bis zum Schluss aufgehoben: Die Zustimmung des Bundesrats zur Krankenhausreform hat nach langem Machtkampf zwischen Bund und Ländern dafür gesorgt, dass in letzter Minute doch noch der Grundstein für eine Verbesserung der stationären Versorgung auch in Baden-Württemberg gelegt wurde.
Mit dem Scheitern der Ampel-Koalition sind einige Gesetzesvorhaben begraben worden, die wichtig gewesen wären.
Ansonsten sind mit dem Scheitern der Ampel-Koalition einige Gesetzesvorhaben begraben worden, die wichtig für die Gesundheitsversorgung gewesen wären - dazu zählt etwa die Notfallreform. Andere, wie das Gesundes-Herz-Gesetz, werden wir nicht vermissen.
Die Einführung des elektronischen Rezepts hat gezeigt, dass wir mit guten Angeboten beim Thema Digitalisierung auch in Deutschland vorankommen, wenn auch mit "Ruckeln" und anfänglichen Schwierigkeiten. Das stimmt mich zuversichtlich, dass sich die "ePA für alle" im kommenden Jahr ebenfalls durchsetzen wird.
TK: Damit wären wir im kommenden Jahr angelangt. Wie sehen Ihre Erwartungen für 2025 aus?
Mussa: Ein zentrales Thema wird die Umsetzung der Krankenhausreform auf Landesebene sein. Die Anpassung des Landeskrankenhausplans aus dem Jahr 2010 sollte auf dieser Basis nun zügig in Angriff genommen und als Treiber für mehr Spezialisierung und eine bessere Arbeitsteilung genutzt werden.
Ich erhoffe mir, dass die gute medizinische Qualität in Baden-Württemberg noch weiter verbessert werden kann.
Ich erhoffe mir, dass die gute medizinische Qualität in Baden-Württemberg dadurch nicht nur aufrechterhalten wird, sondern noch weiter verbessert werden kann.
Auch wenn Baden-Württemberg sich im Bundesrat gegen die Reform ausgesprochen hat und eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht prüft, steht die Neuausrichtung der Landeskrankenhausplanung schon länger auf der "To-do-Liste" des Sozialministeriums ganz oben. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde im Lauf dieses Jahres geschaffen. Ich erwarte, dass die Krankenkassen mit ihrer Expertise engmaschig in diesen wichtigen Prozess eingebunden werden.
Zudem freue ich mich darauf, wenn im kommenden Jahr endlich die "ePA für alle" kommt und wir in der Digitalisierung im Gesundheitsweisen einen großen Schritt nach vorn machen können. Ich bin optimistisch, dass trotz Widerständen und Startschwierigkeiten am Ende das große Potenzial zur Verbesserung der Versorgung den Ausschlag für die Akzeptanz der ePA bringen wird. Auch bei diesem Thema können wir als TK unsere Erfahrungen mit unserer Patientenakte "TK-Safe" in den Prozess einbringen.
TK: Welche besonderen Herausforderungen und Chancen sehen Sie dabei speziell in Baden-Württemberg?
Mussa: Baden-Württemberg sollte bei der Modernisierung des Gesundheitswesens weiter zügig vorangehen.
Die Voraussetzungen sind dafür sehr gut. Zum Beispiel bei der Digitalisierung: Baden-Württemberg hat mit über 50 geförderten Modellprojekten viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Nun gilt es, stärker in die flächendeckende Anwendung zu kommen. Wir dürfen nicht in Einzelprojekten denken, sondern in Strukturen und Standardprozessen - und zwar vernetzt und interoperabel. Insbesondere das Projekt MEDI:CUS bietet die Chance, im ersten Schritt Krankenhäuser und später weitere wichtige Akteure bei der Digitalisierung zu unterstützen. Dabei sollte das Land alle Mittel und Know-How in die Ertüchtigung der Infrastruktur legen. Viele wichtige Instrumente kommen neben der ePA ohnehin, wie z.B. Messenger Dienste, aber häufig sind die Krankenhausinformationssysteme und Praxisverwaltungssysteme nicht anschlussfähig zur Nutzung dieser gesetzlich vorgeschriebenen und von Krankenkassen finanzierten Tools.
Im stationären Bereich haben die Landesregierung - und auch einige Landkreise - bereits etliche Schritte hin zu modernen und leistungsfähigen Strukturen unternommen. Baden-Württemberg weist im Vergleich der Bundesländer die wenigsten Krankenhausbehandlungen pro 100.000 Einwohner auf. Der medizinische Fortschritt schreitet unaufhaltsam voran, so dass trotzdem die Auslastungszahlen der Betten in den Krankenhäusern nur bei ca. 71 Prozent liegen. So kann ein Krankenhaus nicht wirtschaftlich betrieben werden. Das Land muss also weiter daran arbeiten, die Strukturen immer weiter anzupassen und zukunftsfähig zu gestalten.
Im ambulanten Sektor haben wir es geschafft, die Honorarverhandlungen mit einem Gesamtplus von 6,5 Prozent abzuschließen - ein positives Signal für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung.
Wenn es nun noch gelingt, endlich die einzelnen Sektoren besser zu vernetzen, kann Baden-Württemberg unter den Bundesländern sogar eine Vorreiterrolle einnehmen.
TK: Das kommende Jahr wird auch von Wahlkampf geprägt sein - auf Bundesebene und im Hinblick auf die Landtagswahl 2026 zunehmend auch auf Landesebene. Wie wird sich hier die TK positionieren?
Mussa: Entscheidend wird sein, die Finanzierung der GKV zu sichern und die Beiträge zu stabilisieren. Darüber hinaus muss der Zugang zur medizinischen Behandlung effizienter und gerechter gemacht werden, etwa über Plattformlösungen zur Terminfindung.
Wir benötigen kluge Lösungen, um mit den steigenden Bedarfen an Pflege bei gleichzeitigem Fachkräftemangel umzugehen.
Wir benötigen auch kluge Lösungen, um mit den steigenden Bedarfen an Pflege bei gleichzeitigem Fachkräftemangel umzugehen. Das Land könnte hier Entlastung für stationär Pflegebedürftige schaffen, indem es die Investitionskosten der Pflegeheime übernimmt. Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den höchsten Eigenanteilen für Pflegebedürftige. Eine handlungsfähige Pflegeversicherung steht auf der bundespolitischen Tagesordnung. Hier braucht es kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen und langfristige Perspektiven.
Fairer Wettbewerb zwischen den Krankenkassen ist ein weiteres Thema, ebenso nutzerfreundliche Digitalisierung für alle Anwenderinnen und Anwender. Schließlich legen wir einen Schwerpunkt auf die Stärkung der Prävention in Verbindung mit Klimaschutz. Durch gezielte Nutzung von Gesundheitsdaten kann gerade die individuelle Prävention verbessert werden.