Entsendung: Reisezeit = Arbeitszeit?
Dienstreisen bleiben in vielen Branchen unverzichtbar. Doch wie sieht es arbeitsrechtlich aus, wenn Mitarbeitende für eine Auslandsentsendung reisen? Zählt die Reisezeit als Arbeitszeit - und muss sie vergütet werden?
BAG-Urteil: Reisezeiten sind grundsätzlich vergütungspflichtig
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 2018 entschieden: Reisezeiten, die im Interesse des Arbeitgebers erfolgen, gelten grundsätzlich als Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne (BAG-Urteil v. 17.10.2018, Az. 5 AZR 553/17).
Das bedeutet: Arbeitgeber müssen für diese Zeiten zahlen - unabhängig davon, ob die Reisenden währenddessen aktiv arbeiten oder nicht.
Welche Reisezeiten sind vergütungspflichtig?
Faktor | Was zählt als Reisezeit? |
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Vorgegebene Reiseplanung | Geben Sie als Arbeitgeber das Verkehrsmittel und den Reiseverlauf vor (z. B. Dienstwagen als Selbstfahrerin bzw. als Selbstfahrer), muss die gesamte Reisezeit vergütet werden. |
Freie Wahl des Verkehrsmittels | Dürfen Mitarbeitende selbst entscheiden, müssen sie einen zumutbaren, effizienten und kostengünstigen Reiseweg wählen. Eine verlängerte Reisezeit aus privaten Gründen zählt nicht als Arbeitszeit. |
Flugreisen | In der Regel ist nur die Dauer eines Direktflugs erforderlich und damit vergütungspflichtig. Es sei denn, besondere Umstände sprechen für eine andere Buchung. Mitarbeitende müssen dann nachweisen, dass längere Reisezeiten notwendig sind. |
Zusätzlicher Zeitaufwand | Auch Zeiten für den Weg zum Flughafen, Check-in und Gepäckaufgabe zählen dazu. Persönlicher Aufwand wie Kofferpacken oder Duschen nicht. |
Höhe der Vergütung
Das BAG leitet den Vergütungsanspruch aus § 611a Abs. 2 BGB ab, sagt aber nichts über die Höhe der Vergütung aus.
Arbeitgeber und Beschäftigte können dazu eigene Vereinbarungen treffen, zum Beispiel:
- eine abweichende Vergütung für Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit
- den vollständigen Ausschluss einer Vergütung - solange der Mindestlohn nicht unterschritten wird ( § 1 Abs. 1 MiLoG ).
Das bedeutet: Die Reisezeit und die sonstige Arbeitszeit müssen addiert werden und bilden zusammen die Gesamtarbeitszeit. Die Gesamtvergütung darf dann nicht dazu führen, dass der durchschnittliche Stundenlohn - gemessen an der Gesamtarbeitszeit - unter den gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 EUR fällt.
Fehlt eine solche Regelung, gilt die übliche Vergütung für die Haupttätigkeit.
Tipp: Klare Vereinbarungen schaffen Rechtssicherheit. Treffen Sie frühzeitig klare Regelungen zur Vergütung von Reisezeiten - ob durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Vereinbarungen. Das vermeidet spätere Missverständnisse.
Achtung: Gilt ein Tarifvertrag mit entsprechenden Regelungen, kommt es darauf an, ob der Betriebssitz des entsendenden Unternehmens in den räumlichen Geltungsbereich des Vertrages fällt.
Wichtig: Das BAG-Urteil betrifft nur die Vergütungspflicht, nicht den Arbeitsschutz nach dem Arbeitszeitgesetz . Arbeitszeitrechtliche Vorgaben bleiben unberührt.
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