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In Deutschland erkranken Frauen etwa doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Neigen demnach auch eher Mütter zu depressiven Verstimmungen als Väter? Und wenn ja, woran liegt das?

Statistiken zeigen, dass Frauen von einer bestimmten Form der Depression weitaus häufiger betroffen sind als Männer. Deswegen liegt es nahe, dass auch Mütter öfter depressiv sind. Belegt ist das aber meines Wissens nicht.

Es existieren jedoch andere Formen der Depression, wo das Geschlechterverhältnis durchaus ausgeglichener ist. Allerdings gibt es sehr viele populärwissenschaftliche Bücher, die die Mutterschaft mit einem gewissen Burn-out-Risiko verbinden. Das liegt sicherlich unter anderem auch an der ungerechten Verteilung der sogenannten Care-Arbeit, die mit besonderen Belastungen einhergeht. Aber zu behaupten, dass sich allein aus dem Muttersein ein Risiko für irgendeine Erkrankung ergibt - das ist sicherlich falsch.

Das Pandemiegeschehen ist mit Kontrollverlust verbunden, der nachgewiesenermaßen ein großer Risikofaktor für Depressionen ist. Prof. Dr. Jeannette Bischkopf

Sie sprechen von besonderen Belastungen. Woher kommt dieser Stress im Familienalltag? 

Ich denke, vor allem vom Erwartungsdruck und der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese bereits bestehenden Belastungen im Familienalltag sind durch die Pandemie auch noch weiter auf die Spitze getrieben worden: durch Homeoffice, Schulschließungen, Quarantäne oder finanziellen Mehrbelastungen. Gleichzeitig steigert das die Gefahr, an einer Depression zu erkranken. Denn das Pandemiegeschehen ist mit Kontrollverlust verbunden, der nachgewiesenermaßen ein großer Risikofaktor für Depressionen ist. Wichtig ist mir hier aber auch zu sagen: Eltern per se sind keine besondere Risikogruppe für Depressionen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Elternschaft sogar langfristig mit einem größeren Lebensglück verbunden ist.

Schlechte Laune und Überforderung führen nicht automatisch in eine Depression. Welche Symptome sollten aber unbedingt ernst genommen werden?

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Diplom-Psychologin Prof. Dr. Jeannette Bischkopf. Foto: Hanna Boerm
Entscheidend ist zum Beispiel das Zeitkriterium: Damit die Diagnose einer Depression gestellt werden kann, müssen bestimmte Symptome über zwei Wochen lang unverändert anhalten. Das ist schon ein wichtiger Unterschied zu normalen Stimmungsschwankungen. Zu den Hauptsymptomen zählen: depressive Verstimmungen, das Erleben von Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und keinerlei Lebensmut.

Viele erleben dabei eine Veränderung der eigenen Person und können keine Freude mehr für Dinge empfinden, die ihnen früher mal wichtig waren. Und ein weiterer Faktor, der besonders auch für Angehörige deutlich spürbar ist, ist der Antriebsverlust. Also, dass sich Betroffene nicht mehr aufraffen können oder in die Gänge kommen. Ein wichtiges Warnsignal ist auch eine Veränderung des Sprachmusters und des Denkens, also das typische Grübeln, aus dem man nicht mehr herauskommt. Grundsätzlich hat diese Krankheit aber viele Gesichter und es ist deshalb so schwer, Depressionen zu erkennen.

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Depres­sionen erkennen

Ein kurzer Selbsttest der Weltgesundheitsorganisation WHO ermöglicht Ihnen eine erste Einschätzung.

Welche Folgen kann es für Kinder haben, die mit depressiven oder psychisch kranken Eltern aufwachsen?

Wenn wir uns angucken, wie viele Menschen heutzutage psychisch krank werden, dann ist es relativ wahrscheinlich, dass man mit einem seelisch erkrankten Familienmitglied in Kontakt kommt. Das Wichtige bei einer Depression ist, dass sie phasenweise verläuft und es immer wieder Zeiten gibt, in denen keine gravierenden Symptome vorkommen. Somit sind die Folgen für die Kinder auch von Fall zu Fall unterschiedlich. Generell lässt sich aber schon festhalten, dass Depressionen bei Eltern langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder haben können. Denn sie beziehen die Stimmungen ihrer Eltern sehr stark auf sich und fühlen sich so automatisch schuldig an der depressiven Verstimmung eines Elternteils.

Kinder beziehen die Stimmungen ihrer Eltern sehr stark auf sich und fühlen sich so automatisch schuldig an der depressiven Verstimmung eines Elternteils. Jeannette Bischkopf

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie später selbst seelisch erkranken?

Statistisch ist es so, dass das Risiko von Kindern psychisch kranker Eltern etwas erhöht ist. Aber da spielen eben sehr viele Faktoren eine Rolle. Sicherlich haben betroffene Kinder eine gewisse Verletzbarkeit, aber die muss sich nicht automatisch in eine Störung entwickeln. Wichtig ist, dass man Kinder darüber aufklärt und ihnen Informationsmaterial zugänglich macht.

Wie früh können Belastungen stattfinden?

Im Grunde wirken sich ja bereits die Stimmungen der werdenden Mutter auf das Kind aus. Insofern glaube ich, dass es keinen genauen Startpunkt für Belastungen gibt. Man setzt ihn eher im Nachhinein, weil man sich so selbst etwas besser verstehen kann. Wir sind also kein ungeschriebenes Blatt, wenn wir auf die Welt kommen, sondern die Einflüsse beginnen schon vorher. Die Frage könnte also auch lauten: Ab wann lassen sich bestimmte Auffälligkeiten diagnostizieren? Und da kann man sagen, dass es psychische Krisen in jedem Lebensalter gibt, die sich auch schon bei Babys und Kleinkindern zeigen können. Ein erstes Symptom könnte zum Beispiel sein, wenn kleine Kinder einfach aufhören zu spielen.

Was kann diesen Kindern helfen? Und wo finden sie Hilfe?

Ich habe gelesen, dass das telefonische Beratungsangebot "Nummer gegen Kummer" gerade sehr genutzt wird. Das bedeutet: Die Kinder können selbst mit jemandem Kontakt aufnehmen, wenn sie Hilfe brauchen, was sehr bedeutend für die eigene Selbstwirksamkeit ist.

Nur durch die Enttabuisierung können wir dafür sorgen, dass Betroffenen geholfen wird.

Zudem sind Internetquellen und Bücher wichtig, in denen betroffene Kinder hochwertige und leicht zugängliche Informationen zu dem Thema bekommen. Damit sie sich aber richtig informieren können, müssen sie zuvor aufgeklärt werden. Die Aufklärung beginnt in der Familie, aber auch Schulen sind hier gefragt. Seelische Gesundheit muss mehr verankert und kann beispielsweise bei Projekttagen thematisiert werden. Nur durch die Enttabuisierung können wir dafür sorgen, dass Betroffenen geholfen wird. Denn es ist vor allem die Angst vor Stigma, die dafür sorgt, dass mit Depressionen häufig nicht offen umgegangen und dadurch keine Hilfe gesucht wird.

Online-Seelsorge für Kinder und Jugendliche

Krisenchat ist ein virtuelles Seelsorge-Portal für junge Menschen, die sich in einer Notsituation befinden. Hier können sie anonym mit Expertinnen und Experten chatten und bekommen so ein schnelles und effektives Hilfsangebot für ihr Problem.

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Krisen­be­ra­tung per Chat

Der Krisenchat: Ein psychosoziales Beratungsangebot für Menschen bis 25

Wie können Eltern trotz Depressionen gute Eltern sein? Haben Sie Tipps für Betroffene für den Umgang mit ihren Kindern?

Das würde ja heißen, dass eine psychische Krise Eltern automatisch zu schlechten Eltern macht. Das ist falsch. Aber natürlich ist es sehr entscheidend, dass sie Verantwortung übernehmen und sich um ihre eigene Gesundheit kümmern, beispielsweise indem sie sich in Behandlung begeben. Ein weiterer Tipp lautet, dass Eltern ihrem Nachwuchs alternative Erfahrungen ermöglichen sollten. Kinder sollten Kinder sein dürfen, sie sollen mit Freundinnen und Freunden spielen oder sich im Sportverein austoben dürfen. Je nachdem, in welcher Phase der Depression man steckt, kann man auch gezielte Hilfsangebote für Familien in Anspruch nehmen. Es gibt zum Beispiel Patenschaftsprojekte für Kinder psychisch kranker Eltern.

Wie lassen sich Depressionen bewältigen? Was empfehlen Sie Betroffenen und Hilfesuchenden?

Depressionen sind gut behandelbar! Problem ist nur, dass sie wiederkehren können - allerdings dann meistens nicht so schwer und nicht so lang.

Deswegen ist es ganz wichtig, dass man sich mit Depressionen in Behandlung begibt. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Betroffenen guttun können. Beispielsweise indem sie die seelische Gesundheit generell zum Thema machen und versuchen, sie zu erhalten. Hier helfen eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung, gezielte Entspannungsübungen oder eine gute soziale Einbindung im Leben.

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Indi­vi­duell und profes­sio­nell

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Was sicherlich auch eine wichtige Rolle beim Thema Depressionen spielt, ist das Thema soziale Gerechtigkeit: also dass man seelisch gesünder ist, wenn psychosoziale Risiken abgebaut werden. Deswegen sind die Prävention und Bewältigung von Depressionen auch immer eine sozialpolitische Aufgabe und kann eben nicht nur allein gelingen, sondern braucht auch einen Kontext.

Haben Sie Tipps für Betroffene, wie sie ihren Kindern die gedrückte Stimmung erklären können? 

Das kommt natürlich auf das Alter der Kinder an, und Eltern sollten sich auch immer fragen, inwieweit eine Erklärung dem Nachwuchs nützt. Manchmal reicht es auch zu sagen: Das ist meine Krankheit und ich kümmere mich jetzt darum. Wenn zu viel erklärt wird, birgt es auch die Gefahr, dass die Grenze des Kindes überschritten wird. Die wichtigste Aussage, die dem Kind vermittelt werden muss, ist, dass es nicht seine Schuld ist und dass sich um das Problem gekümmert wird.

Wie schafft man es, aus der Sprachlosigkeit innerhalb von Familien zu kommen? Und wie kann man mit Depressionen besser umgehen?

Sprachlosigkeit in Familien gibt es nicht nur im Hinblick auf Depressionen, sondern es kommt darauf an, wie offen und ehrlich allgemein kommuniziert und miteinander umgegangen wird. Wie werden beispielsweise Stress und Probleme innerhalb der Familie behandelt und besprochen? Viele Paare berichten, dass es auch vor der Depression eines Angehörigen eine große Sprachlosigkeit im Zusammenleben gab. Was in solchen Fällen helfen kann, ist ein niedrigschwelliger Zugang zum Thema, beispielsweise über Bücher. Es gibt einige Bücher, die die mentale Gesundheit über Metaphern greifbarer machen. Darin können sich Betroffene selbst wiedererkennen und darüber leichter ins Gespräch kommen.

Die wichtigste Aussage, die dem Kind vermittelt werden muss, ist, dass es nicht seine Schuld ist und dass sich um das Problem gekümmert wird.

Was sollte sich in der Gesellschaft verändern? Wie können wir die Stigmatisierung von psychischen Krankheiten überwinden?

Ich glaube, die Stigmatisierung ist ganz stark gebunden daran, wie Unterschiedlichkeit in unserer Gesellschaft gewürdigt wird. Das Annehmen von Diversität ist ein entscheidender Faktor, um psychische Krankheiten zu enttabuisieren. Es ist wichtig, dass mehr Informationen über psychische Krisen und deren Behandlung veröffentlicht werden, sodass es einfach normaler wird.

Es ist immer noch leichter, von einer körperlichen Erkrankung als von einer seelischen zu sprechen. Erst, wenn das gleichwertig ist, haben wir eine Entstigmatisierung erreicht. Meiner Meinung nach sollte außerdem das Überwinden von psychischen Krankheiten mehr gewürdigt werden. Betroffene werden nicht einfach von Spezialistinnen oder Spezialisten geheilt, sondern leisten schwere Arbeit, um daraus zu kommen. Das verdient mehr Anerkennung.

Wie erkennen Eltern, ob das eigene Kind depressiv ist?

Ein erstes Symptom könnte zum Beispiel sein, wenn kleine Kinder einfach aufhören zu spielen.

Das ist wieder sehr altersabhängig. Ein allgemeingültiger Tipp wäre aber: Eltern sollten offene Augen und Ohren für ihren Nachwuchs haben. Wenn ihnen dabei etwas auffällt und sie sich fragen: Was ist da los? Was stimmt nicht? Dann sollte man das Gespräch suchen und gemeinsam mit dem Kind schauen, was sich vielleicht verändert hat und warum. Aber ganz wichtig: Eltern können Depressionen nicht diagnostizieren. Es wäre falsch, das von ihnen zu verlangen, und auch Kinder sollten nicht einfach in irgendwelche psychischen Kategorien eingeordnet werden.

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Hilfen für Kinder im Stress

Mit der App Aumio kommen Kinder zur Ruhe und finden Hilfe beim Umgang mit schwierigen Gefühlen.

Gesundheitstipps für die Familie 

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