You can also use our website in English -

change to English version
Kontakt
Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.

Den Blick gerade nach vorn gerichtet und mit leicht geöffneten Lippen starre ich in die Frontkamera meines Smartphones. Auf Snapchat würde ich jetzt den passenden Filter über mein Gesicht legen. Doch das hier ist anders. Dieses Video geht nicht an meine beste Freundin, sondern an meinen zukünftigen Chef. Einzigartig zu sein - das ist der Anspruch, den viele Bewerber an sich selbst stellen. Und doch pumpen sie ihre Anschreiben häufig mit Standardfloskeln und leeren Phrasen voll. Ann Krombholz, Karrierecoach aus München, sieht darin ein großes Manko von klassischen Papierbewerbungen. "Sie sagen wenig über den Menschen aus", so die Expertin. "Bei einem Video lernt der Arbeitgeber den Bewerber viel persönlicher kennen."

Aber die Vorstellung, ohne mein Gegenüber zu kennen, in eine Kamera zu sprechen, irritiert mich. "Präsentiere dich offen, überzeugungsstark und interessiert", rät mir Krombholz. "Ein Schuss Humor kommt auch gut an." Ganz schön viel für einen Zwei-Minuten-Spot. Länger sollte das Bewerbungsvideo laut Expertin keinesfalls dauern. Klingt wie Speed-Dating für Jobsuchende.

Präsentiere dich offen, überzeugungsstark und interessiert. Ann Krombholz, Karrierecoach aus München

Streng nach Drehbuch

Zwei Tage müsse ich für die Produktion meines Bewerbungsvideos einplanen - mindestens. Für den ersten Tag empfiehlt die Expertin, dass ich mir ein Drehbuch, also den inhaltlichen Aufbau, sowie das Setting überlege und das technische Equipment besorge. Der eigentliche Dreh passiert am zweiten Tag.

Aber schon bei Punkt eins stocke ich. Wie genau soll ich mein Video denn aufbauen? Die Begrüßung ist noch ziemlich einfach. Hier sind laut Ann Krombholz immer noch Standardfloskeln wie "Guten Tag, ich heiße …" und "Vielen Dank, dass …" angebracht. Ziemlich öde, finde ich. Selbst hätte ich gerne einen kreativeren Einstieg gewählt. "Vorsicht!", mahnt Krombholz. Kreativ ja, aber: "Je ausgefallener die Umsetzung, desto professioneller muss das Video gemacht sein", erklärt sie. "Ansonsten läufst du Gefahr, dass sich die Personalabteilung letztlich fragt, was du mit deinem Spot aussagen möchtest."

Und was will ich aussagen? Welche Geschichte möchte ich erzählen? Für meinen künftigen Arbeitgeber zählt doch vor allem eins: Wer bin ich, was kann ich, was möchte ich erreichen und warum möchte ich genau bei seinem Unternehmen arbeiten?

Bewerber wollen einzigartig sein. Ann Krombholz

Karrierecoach Krombholz hilft mir auf die Sprünge: "Überleg dir eine Kernbotschaft , die du transportieren möchtest. Sie sollte schlüssig sein und sich als roter Faden durch das gesamte Video ziehen." Dabei hilft der Blick auf den eigenen Lebenslauf: Volkswirtschaftsstudium, Bank-Praktika, ein Nebenjob in einem Wirtschaftsverlag. Aha, das Thema "Wirtschaft " ist mein roter Faden. Seit der Grundschulzeit wollte ich wissen, was sich hinter den Fassaden der großen Banken verbirgt, womit der Mann im Anzug sein Geld verdient und was die Zahlenkolonnen im Börsenteil der Zeitung bedeuten. Ich möchte Wirtschaft verstehen und anderen erklären.

Genau das werde ich im Video rüberbringen. Direkt habe ich Bilder von imposanten Bankzentralen, zeitungslesenden Kindern und haareraufenden Brokern im Kopf. Über meine Stärken soll ich in Standbild-Sequenzen sprechen: "So machst du den Arbeitgeber auch auf deine Fachkenntnisse aufmerksam", sagt Krombholz.

Die ersten Sekunden sind entscheidend

Überleg dir eine Kernbotschaft , die du transportieren möchtest. Ann Krombholz

Apropos Aufmerksamkeit - wie beim Speed-Dating gilt auch beim Bewerbungsvideo: Der erste Eindruck zählt. Wer einen Recruiter schon in den ersten Sekunden langweilt, muss damit rechnen, dass er den Film vorzeitig abbricht. Um das zu verhindern, empfiehlt die Expertin einen kurzen Vorspann. Dazu passende Musik macht selbst den Personaler hellhörig. Eine gute Beleuchtung ist ebenso Pflicht wie ein Hintergrund, der sich farblich von der Kleidung abhebt. Beim Outfit gilt die Daumenregel: Besser etwas zu viel als zu wenig. "Zeige dich so, wie du das Unternehmen auf einer Messe vertreten würdest", empfiehlt Krombholz.

Sei, wie du bist

Vor allem heißt es aber authentisch bleiben. Auch beim Sprechen vor der Kamera. Den Text selbst formulieren, nicht ablesen und eine natürliche Sprache verwenden. Wenn ich ins Stocken gerate, mache ich trotzdem weiter. Hinterher kann ich die besten Sequenzen zusammenschneiden. Auch hinter der Kamera aufgeklebte Textkärtchen sind eine gute Gedächtnishilfe.

Nach dem sechsten Anlauf und noch mehr Versprechern habe ich meinen Text endlich im Kasten. Ausbaufähig ist meine Körperhaltung: Egal wie ich mich in meinem Bürostuhl auch drehe - im Video wirke ich, überspitzt formuliert, wie ein zusammengekauertes Häufchen Elend. "Im Stehen klappen die Schultern nicht so leicht nach vorne", erklärt die Beraterin. "Falls du sitzen möchtest, dann lehne dich an einer Wand an. So sitzt du automatisch aufrechter und wirkst selbstbewusst."

Mut zur Lücke

Ein authentisches Auftreten ist oft mehr wert als eine perfekte Schauspielleistung.

Auch meine größte Angst - die vor der Technik - kann mir Krombholz nehmen. Für den Videodreh sei das Smartphone vollkommen ausreichend. Den Ton sollte man jedoch separat aufnehmen und dann über einfache Videoschnittsoftware wie etwa iMovie mit dem Film kombinieren. Großer Vorteil: Die Software schlägt auch Musik vor, die vom Urheberrecht befreit ist.

Nach zwei Tagen Bürogebäudefilmen, Sprechtextformulieren und gefühlten hundert Mal "Recorddrücken" habe ich es endlich geschafft. Eine Minute und 48 Sekunden ist mein Video lang. Regie, Bild, Ton - alles aus einer, nämlich meiner Hand. Was ich gelernt habe? Mut zur Lücke. Ein authentisches Auftreten ist oft mehr wert als eine perfekte Schauspielleistung. Und den Schlusssatz meiner Bewerbung meine ich genauso: Ich würde mich freuen, bei Ihnen schon bald noch viel mehr Geschichten erzählen zu können.

Tipps für die Video-Bewerbung

1. Guck in die Kamera!

Achte darauf, wo an deinem Computer die Kamera angebracht ist. Genau dorthin solltest du auch blicken, nicht auf den Monitor.

2. Komm auf den Punkt!

Small Talk hat bei Videotelefonie keinen Platz. Der Arbeitgeber möchte schnell mehr über dich erfahren. Konzentriere dich daher auf deine wichtigsten Aussagen.

3. Mach dich hübsch!

Auch wenn nur dein Oberkörper zu sehen ist - kleide dich angemessen von Kopf bis Fuß. So fühlst du dich automatisch besser und gibst peinlichen Zwischenfällen keine Chance.

4. Teste die Technik!

Prüfe deine Internetverbindung und vergewissere dich, dass dein Zimmer gut beleuchtet ist. Bei Laptops auf ausreichend Akku-Kapazität achten!

Studenten im Prüfungs­stress

Inhalte werden geladen