Welche Diabetesformen gibt es?
Diabetes mellitus lässt sich grundsätzlich in zwei Formen unterscheiden: den Typ-1- und den Typ-2-Diabetes.
Der Typ-1-Diabetes mit etwa fünf Prozent aller Diabetesfälle entwickelt sich aufgrund einer zunehmenden Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Die Folge ist von Anfang an ein echter Mangel an Insulin, das sich die Betroffenen nun ständig von außen zuführen müssen.
Weitere fünf bis fünfzehn Prozent der Diabetiker haben eine Sonderform des Typ-1-Diabetes, den verzögert auftretenden, autoimmun bedingten Insulinmangel-Diabetes (LADA = Late onset - oder auch: Latent - Autoimmunity Diabetes in the Adult).
Beim LADA-Diabetes bleibt über Jahre eine Restfunktion der insulinproduzierenden Zellen erhalten.
Der Blutzuckeranstieg beim Typ-2-Diabetes mit über 90 Prozent aller Diabetesfälle hat zunächst andere Gründe: Zum einen sprechen die Körperzellen immer schlechter auf das Hormon Insulin an - man spricht von einer Insulinresistenz.
Außerdem besteht eine Störung der Art und Weise, wie die Betazellen der Bauchspeicheldrüse das Insulin ausschütten und in den Blutkreislauf abgeben (Betazelldysfunktion). Beide Störungen, Insulinresistenz und Betazelldysfunktion, sorgen dafür, dass das Hormon Insulin seine Aufgaben im Körper nicht mehr richtig erfüllen kann.
Ein dauerhaft zu hoher Blutzucker, der erstmals während einer Schwangerschaft auftritt, wird als Schwangerschafts- oder Gestationsdiabetes bezeichnet. Später kann sich hieraus ein Typ-1- oder (häufiger) ein Typ-2-Diabetes entwickeln.
Was ist der Typ-1-Diabetes?
Für das Entstehen des Typ-1-Diabetes sind das Zusammenwirken von erblicher Veranlagung, äußeren Faktoren (zum Beispiel bestimmte Virusinfektionen) und eine Fehlsteuerung des Immunsystems verantwortlich.
Rund 400.000 Menschen in Deutschland sind an Typ-1-Diabetes erkrankt.
Im Verlauf der Erkrankung richten sich körpereigene Immunzellen (T-Lymphozyten) gegen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse (Betazellen) und zerstören diese. Die Folge des fortschreitenden Betazell-Untergangs ist ein Insulinmangel. Ohne Insulin können die meisten Körperzellen den Energielieferanten Glukose nicht mehr aufnehmen und verwerten: Der Zuckerspiegel im Blut steigt an.
Bei den meisten Menschen mit Typ-1-Diabetes tritt die Erkrankung im Kindes-, Jugend- und frühen Erwachsenenalter auf. Deshalb wurde der Typ-1-Diabetes früher oft auch als jugendlicher oder juveniler Diabetes bezeichnet. Der Typ-1-Diabetes kann sich schon beim Kleinkind oder erst im späteren Erwachsenenalter entwickeln.
Vererbung
Man geht davon aus, dass eine bestimmte genetische Veranlagung die Anfälligkeit für den Typ-1-Diabetes erhöht. Der Typ-1-Diabetes wird mit einer Wahrscheinlichkeit von drei bis fünf Prozent von einem Elternteil auf ein Kind vererbt.
Sind beide Eltern an Typ-1-Diabetes erkrankt, steigt das Risiko auf zehn bis 25 Prozent an. Bei einem zunächst nicht erkrankten eineiigen Zwilling eines Typ-1-Diabetikers liegt das Erkrankungsrisiko bei 30 bis 50 Prozent.
Typ-1-Diabetes ist häufig eine Autoimmunerkrankung
Neben der erblichen Veranlagung kommen aus heutiger wissenschaftlicher Sicht weitere äußere Einflussfaktoren (Umweltfaktoren) hinzu, die zur Erkrankung führen.
Als Auslöser sind vor allem Virusinfektionen, eventuell auch Ernährungsfaktoren, verantwortlich. Diese Einflüsse führen bei entsprechender Veranlagung zu einer fehlgeleiteten Abwehrreaktion (Immunreaktion), bei der nicht nur fremde, sondern auch körpereigene Zellen angegriffen und zerstört werden - in diesem Fall die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Es kommt in der Folge innerhalb weniger Tage bis Wochen zum Ausbleiben der Insulinproduktion. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Autoimmunerkrankung.
Zum Beispiel kann eine Virusinfektion eine Autoimmunerkrankung auslösen, bei der Immunzellen und Antikörper (Abwehrstoffe) gegen körpereigenes Gewebe reagieren.
Die wichtigsten Antikörper beim Typ-1-Diabetes sind zytoplasmatische Inselzell-Antikörper (ICA), Insulin-Autoantikörper (IAA), Antikörper gegen das Enzym Glutamatdecarboxylase (GADA) und Antikörper gegen die Tyrosinkinase IA-2. Diese Antikörper sind schon Monate bis Jahre vor dem Ausbruch des Diabetes im Blut der Betroffenen nachweisbar.
Selten lassen sich für den Diabetes-Typ 1 keine immunologischen Prozesse verantwortlich machen. Man spricht vom idiopathischen Typ des Diabetes-Typ 1.
Verzögert einsetzender Typ-1-Diabetes (LADA)
Beim autoimmun verursachten Typ-1-Diabetes (LADA-Diabtetes) bleibt über Jahre eine Restfunktion der insulinproduzierenden Zellen erhalten. Wie bei Typ-2-Diabetikern entwickelt sich der Insulinmangel bei diesen Patienten erst im Lauf der Zeit. Dennoch sind die für den Typ-1-Diabetes typischen Autoantikörper nachweisbar.
Was ist der Typ-2-Diabetes?
Der Typ-2-Diabetes ist mit über 90 Prozent aller Fälle die mit Abstand häufigste Diabetesform. Beim Typ-2-Diabetes wirken mehrere erbliche und Umweltfaktoren (Lebensstil) zusammen: Genetisch bedingt sowie in Folge von Übergewicht, Fehlernährung und Bewegungsmangel sprechen die Körperzellen immer weniger auf das Hormon Insulin an (Insulinresistenz).
Hinzu kommt eine Betazell-Fehlfunktion (Betazelldysfunktion). Dabei gibt die Bauchspeicheldrüse der Betroffenen zum Beispiel nach einer Mahlzeit das Insulin zu langsam ab, wenn die Blutzuckerspiegel in die Höhe steigen und das Insulin eigentlich schnell und in hohen Mengen gebraucht würde.
Der Typ-2-Diabetes ist nicht Folge eines Insulinmangels, sondern einer Insulinresistenz. Das heißt, dass die Zellen nicht mehr ausreichend auf Insulin ansprechen und das Hormon den Zucker nicht in die Zellen schleusen kann. Der Blutzuckerspiegel steigt. Zum Ausgleich produziert die Bauchspeicheldrüse zunächst größere Mengen Insulin. Reicht auch das nicht mehr aus, um die Insulinresistenz zu überwinden, entwickelt sich ein Typ-2-Diabetes.
Früher trat dieser Diabetestyp meist erst im fortgeschrittenen Alter auf, weshalb man auch von einem Altersdiabetes oder Alterszucker sprach. Hier hat sich in den vergangenen 20 Jahren einiges verändert: Heutzutage findet sich der Typ-2-Diabetes zunehmend auch bei jüngeren Erwachsenen und immer öfter sind sogar Jugendliche betroffen.
Zu Beginn der Insulinresistenz kann der Körper die geringere Insulinwirksamkeit zunächst noch kompensieren, indem er immer größere Mengen Insulin herstellt und in den Blutkreislauf abgibt. Früher oder später reicht aber die Mehrproduktion von Insulin nicht mehr aus.
Die Körperzellen nehmen aufgrund der stärker werdenden Insulinresistenz immer weniger Zucker auf und der Glukosespiegel im Blut steigt auf krankhafte Werte an. So entstehen zunächst ein überhöhter und verlängerter Blutzuckeranstieg nach Zuckeraufnahme (gestörte Glukosetoleranz) und schließlich ein manifester Typ-2-Diabetes.
In diesem Stadium ist der Typ-2-Diabetes mit Bewegung, Gewichtsabnahme und gegebenenfalls zusätzlicher medikamentöser Therapie häufig noch gut in den Griff zu bekommen.
Nach vielen Jahren der ständigen Insulin-Mehrproduktion sind die Zellen der Bauchspeicheldrüse dann irgendwann so erschöpft, dass sie immer weniger Insulin herstellen und schließlich zugrunde gehen. In diesem Stadium muss sich der Betroffene - ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes - das Insulin von außen zuführen, das heißt: Insulin spritzen.
Was ist Insulinresistenz?
Wesentliche Krankheitsursache des Typ-2-Diabetes ist in den meisten Fällen eine Insulinresistenz. In der Regel besteht die Insulinresistenz schon viele Jahre vor der Diagnose des Typ-2-Diabetes.
Normalerweise gibt das Hormon Insulin Anweisungen an die Körperzellen, zum Beispiel Glukose aus dem Blut aufzunehmen und zu verarbeiten. Bei erhöhten Blutzuckerwerten, etwa nach einer Mahlzeit, sorgt Insulin dafür, dass Glukose aus dem Blut in die Zellen geschleust und hier zur Energiegewinnung genutzt wird.
Wenn Insulin an spezielle Rezeptoren in der Zellwand andockt, setzt sich eine komplizierte Signalkette in Gang. Ein genau aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel verschiedenster Eiweiße ermöglicht das Weiterleiten des Insulinsignals von der Zellwand in das Zellinnere. Es folgt die Umsetzung der Signale in bestimmte Aktionen. Man spricht von einem Insulin-Signalweg.
Bei der Insulinresistenz ist die Weiterleitung dieser Befehle gestört. Die Körperzellen reagieren nur noch eingeschränkt auf das Insulinsignal, sodass Insulin nicht mehr richtig wirken kann. Eine der Folgen ist, dass weniger Glukose in die Zellen aufgenommen wird. Der Zuckerspiegel im Blut steigt dauerhaft an und es entwickelt sich eine Diabeteserkrankung.
Insulinresistenz ist übrigens nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für den Typ-2-Diabetes. Die Betroffenen entwickeln oft besonders früh Gefäßschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die irgendwann in einen Herzinfarkt oder Schlaganfall münden können.
Vererbung und Lebensstil
Für die Insulinresistenz lässt sich eine erbliche Veranlagung nachweisen. Insbesondere, wenn der Vater oder die Mutter an einem Typ-2-Diabetes erkrankt sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, irgendwann selbst eine Insulinresistenz beziehungsweise einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln.
Dass die Vererbung beim Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle spielt, weiß man aus Vergleichsbeobachtungen an Zwillingen. So beträgt das Erkrankungsrisiko für eineiige Zwillinge von Typ-2-Diabetikern 50 bis 90 Prozent.
Heutzutage geht man davon aus, dass Vererbung jedoch nicht die alleinige auslösende Ursache der Erkrankung ist: Der Typ-2-Diabetes entwickelt sich überwiegend dann, wenn entsprechende äußere Einflüsse beziehungsweise ein entsprechender Lebensstil hinzukommen.
Besonders gefährdet sind Menschen, die neben ihrer Insulinresistenz-Veranlagung übergewichtig sind (vor allem das Bauchfett ist gefährlich), sich falsch ernähren (zu viele Kalorien, zu viel Fett, zu wenig Nährstoffe) und bewegungsarm leben. Umgekehrt lässt sich bereits mit etwas mehr körperlicher Aktivität und einer gesünderen Ernährung die Insulinresistenz entscheidend verringern.
Was ist der Schwangerschaftsdiabetes?
Der Schwangerschaftsdiabetes, auch Gestationsdiabetes genannt, ist die häufigste Stoffwechselerkrankung in der Schwangerschaft. Man versteht hierunter eine Glukosetoleranzstörung, die während einer Schwangerschaft beginnt oder erstmals entdeckt wird.
Diese Definition schließt die Möglichkeit nicht aus, dass die Glukosetoleranzstörung unerkannt möglicherweise schon vor der Schwangerschaft bestand. Im Jahr 2010 waren in Deutschland etwa vier von 100 Schwangeren betroffen. Unbehandelt birgt der Gestationsdiabetes erhebliche Gesundheitsrisiken für die Mutter und das ungeborene Kind.
Ein Schwangerschaftsdiabetes wird häufig in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche entdeckt. In dieser Zeit nimmt natürlicherweise die Insulinempfindlichkeit der Zellen im Körper der Schwangeren ab. In der Folge wird nicht mehr so viel Glukose aus dem Blut in die Zellen geschleust, und der Blutzuckerspiegel kann leicht ansteigen.
Verantwortlich hierfür sind die vom Mutterkuchen (Plazenta) gebildeten Hormone wie Östrogen, Gestagen und Human Placental Lactogen (HPL).
Bei Frauen mit Gestationsdiabetes steigt die Blutglukose deutlich über das normale Maß hinaus an. Nach der Entbindung sinken die Zuckerwerte dann meist wieder in den Normalbereich. Allerdings haben Frauen mit Gestationsdiabetes ein deutlich erhöhtes Risiko, innerhalb der nächsten Jahre einen definitiven Diabetes zu entwickeln.
Etwa 35 bis 60 Prozent aller Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes entwickeln in den folgenden zehn Jahren einen Diabetes.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes ansteigen lassen: Alter über 30 Jahren, Übergewicht, bewegungsarmer Lebensstil, Diabetes in der Familie, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder Geburt eines mehr als vier Kilogramm schweren Kindes in der Vergangenheit.
Welche Diabetesformen gibt es noch?
Ein Diabetes kann grundsätzlich auch durch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder im Rahmen anderer Krankheiten oder bei bestimmten genetischen Störungen auftreten. Auch manche Medikamente, insbesondere Kortison, können an der Entstehung eines Diabetes beteiligt sein.