TK: Herr Dr. Weigert, weshalb betrifft Einsamkeit besonders ältere Menschen? 

Dr. Heinz-Dieter Weigert: Mit dem Alter kommen leider gesundheitlich bedingte Einschränkungen. Ältere Menschen sind nicht mehr so mobil, wodurch sie auch Angst davor haben, rauszugehen. Sie fühlen sich unsicher im Verkehr. Jegliche Wege - egal ob zum Einkaufen, in die Arztpraxis oder zu lieben Menschen - werden mühselig bis unmöglich. Auch durch Einschränkungen der Hör- und Sehfähigkeit werden soziale Kontakte erschwert. Hinzu kommt häufig eine Altersarmut, die dazu führt, dass einige sich die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einfach nicht mehr leisten können. Das Schamgefühl dabei verstärkt noch einmal das Gefühl der Einsamkeit. Das ist wirklich ein Problem.

Ich denke, es braucht mehr Akzeptanz, Verständnis und Rücksichtnahme im Kontakt mit Älteren. 
Dr. Heinz-Dieter Weigert, Landesseniorenrat Schleswig-Holstein

TK: Welche Faktoren begünstigen Einsamkeit bei älteren Menschen speziell in Schleswig-Holstein?

Weigert: Die Wege sind da ein ganz wesentlicher Aspekt. Diese sind oft lang und schwierig und werden deshalb gemieden. Ab einem bestimmten Alter lässt man das Auto stehen und der ÖPNV ist leider sehr lückenhaft. Dadurch sind ältere Menschen noch zusätzlich eingeschränkt. 

Es fehlen außerdem gemeinsame Begegnungsräume, in denen ältere Menschen zusammenkommen und -leben und sich vernetzen können.

Dr. Heinz-Dieter Weigert

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Dr. Heinz-Dieter Weigert vom Landesseniorenrat Schleswig-Holstein

TK: Konnten Sie durch die Corona-Pandemie eine Veränderung bei der Einsamkeit älterer Menschen beobachten?    

Weigert: Auf jeden Fall. Aus Angst, sich anzustecken, sind viele Menschen vereinsamt. Und dieses Gefühl der Angst ist teilweise heute noch da. Zudem sind Angebote für die Gemeinschaft einfach weggefallen und häufig noch immer nicht zurückgekehrt. 

TK: Was sind die Forderungen und Vorschläge des Landesseniorenrates, um die älteren Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner vor Einsamkeit zu schützen? 

Weigert: Wir sind im Altenparlament Schleswig-Holstein sehr aktiv und stellen dort Anträge. Es gibt da ganz viele Punkte, an denen man ansetzen kann: Es gilt, Barrieren im Alltag abzubauen, damit eine Teilnahme am öffentlichen Leben vereinfacht wird. Damit meine ich auch finanzielle Barrieren, die zum Beispiel durch Vergünstigungen bei VHS-Kursen, in Museen und in Sportvereinen abgebaut werden können. Dann sind da noch die Barrieren im Verkehr. Wenn Baumwurzeln aus dem Gehsteig hervorbrechen, kann das schon die Angst von älteren Menschen, am Straßenverkehr teilzunehmen, verstärken. Auch beim Wohnen muss Barrierefreiheit sichergestellt werden. Es kann nicht sein, dass Aufzüge in Hochhäusern tagelang ausfallen!

Räume für gemeinschaftliches Wohnen, auch mit jüngeren Mitmenschen, sollten gefördert werden. Zusätzliche Angebote wie kostenfreie Begegnungsräume, Cafés oder Sportgruppen sollten weiter ausgebaut werden. Eine schöne Idee sind die Begegnungsbänke in Elmshorn, die die Möglichkeit bieten, ungezwungen und spontan ins Gespräch zu kommen.  Weil das Ehrenamt dabei auch eine große Rolle spielt, gilt es außerdem, dieses zu stärken.

TK: Sehen Sie gesellschaftliche Änderungen, die notwendig sind, um das Einsamkeitsproblem älterer Menschen anzugehen?  

Weigert: Ich denke, es braucht mehr Akzeptanz, Verständnis und Rücksichtnahme im Kontakt mit Älteren. Einfach mal ein wenig geduldiger sein und vielleicht auch in der Hektik des Alltags ein paar nette Worte an der Supermarktkasse für die Mitmenschen übrighaben. Für einige ist das manchmal der einzige menschliche Kontakt und daher enorm wichtig. Zudem dürfen Alt und Jung nicht entzweit werden. Wir sollten alle ein bisschen näher wieder zusammenrücken. 

TK: Was würden Sie Seniorinnen und Senioren raten, um Einsamkeit vorzubeugen oder ihr entgegenzuwirken?  

Weigert: Raus aus dem Haus - und das jeden Tag mindestens einmal. Das ist gut für die Psyche und ermöglicht Begegnungen. Außerdem sollte man selbst aktiv Kontakte suchen. Sei das beim Einkaufen durch einen Schnack mit der Kassiererin oder in der Nachbarschaft, wo man auch mal anbieten kann, auf die Kinder aufzupassen. Ein weiterer Tipp: Sich über Veranstaltungen informieren - und dann auch hingehen! 

Sich ehrenamtlich zu engagieren, ist auch eine schöne Möglichkeit. Damit hilft man nicht nur den anderen, sondern tut auch sich selbst etwas Gutes, weil dabei Glückshormone ausgeschüttet werden. Außerdem rate ich dringend, bei Familienstreitereien auch mal über den eigenen Schatten zu springen und sich mit den Liebsten zu versöhnen.

TK-Einsam­keits­re­port Schles­wig-Holstein: "Ein­sam­keit hat viele Gesich­ter"

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Weitere Informationen

Webseite vom Landesseniorenrat Schleswig-Holstein 

Ergebnisse des TK-Einsamkeitsreports Schleswig-Holsteins.