Alleinerziehende: Verantwortung lastet schwer auf den Schultern
Interview aus Schleswig-Holstein
Der Landesverband Schleswig-Holstein des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter in Kiel setzt sich für Einelternfamilien ein und bietet ein breites Unterstützungsangebot - von Sommerfesten bis hin zu politischer Arbeit. Im Interview spricht Lisa Spikermann über Einsamkeit bei Alleinerziehenden.
TK: Warum ist Einsamkeit gerade bei Alleinerziehenden ein Thema?
Lisa Spikermann: Als alleinerziehender Vater oder Mutter ist man zwar körperlich gesehen nie so richtig alleine, weil ja 24/7 die Betreuung des Kindes übernommen werden muss. Es geht vielmehr um das Gefühl des Alleineseins. Die gesamte Verantwortung für das Kind oder die Kinder alleine tragen zu müssen, lastet schwer auf den Schultern und kann nicht nur überfordernd sein, sondern eben auch ein Gefühl der Einsamkeit auslösen.
Hinzu kommt ganz klar: Wer ein kleines Kind zu Hause hat, kann nicht mal eben mit Freunden abends essen oder ins Kino gehen, geschweige denn einen Kurztrip machen. Zwar trifft man sich häufig zu Spiel-Dates mit anderen Eltern aber die Zeit für die eigenen, selbst gewählten sozialen Kontakte bleibt auf der Strecke.
Wir sollten aufhören, immer von dem traditionellen Familienbild "Mutter Vater zwei Kinder" auszugehen.
TK: Gibt es noch weitere Faktoren, die zu Einsamkeit führen können?
Spikermann: Das Thema Finanzen spielt eine entscheidende Rolle. Wer alleinerziehend ist und Kinder zu versorgen hat, muss oft auf jeden Euro genau schauen. Doch um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, braucht man nun mal finanzielle Mittel. Familienkarten haben oft noch das klassische Bild von zwei Elternteilen und ein bis zwei Kindern - das hilft einer alleinerziehenden Mutter mit einem Kind aber nicht weiter. Hier muss unserer Ansicht nach dringend ein Umdenken passieren und Alleinerziehenden mehr Unterstützung ermöglicht werden.
Einige Alleinerziehende berichten uns, dass sie an Sonntagen und Feiertagen ein Gefühl von Ausgeschlossenheit erleben. Denn an diesen Tagen unternehmen Familien klassischerweise gemeinsame Ausflüge und der Eindruck, nicht in das gesellschaftliche Idealbild von Familie reinzupassen, kann so bei den Alleinerziehenden geweckt werden.
TK: Was unternehmen Sie als Verband gegen die Einsamkeit bei Alleinerziehenden?
Spikermann: Zu uns kommt nie jemand und sagt: Ich fühle mich einsam und brauche Hilfe. Einsamkeit ist vielmehr eine Begleiterscheinung, die dann in den Beratungsgesprächen zutage kommt. Wir spüren es auch häufig dadurch, dass uns so ein großes Gefühl der Dankbarkeit entgegengebracht wird. Endlich hört mir mal jemand zu. Endlich bin ich mal dran. Das reicht manchmal schon, um sich weniger einsam zu fühlen.
Wir organisieren natürlich auch Aktionen und Veranstaltungen, wie unser Sommerfest oder das Online-Café. Wir möchten Gleichgesinnte zusammenbringen und fördern so nicht nur den Austausch, sondern eben auch die sozialen Kontakte.
TK: Was sollte sich in der Gesellschaft zudem ändern?
Spikermann: Wir sollten aufhören, immer von dem traditionellen Familienbild "Mutter, Vater, zwei Kinder" auszugehen. Von 400.000 Familien in SH sind 100.000 Familien mit Alleinerziehenden. Das zeigt: Man ist als alleinerziehender Vater oder Mutter ganz und gar keine Ausnahme. Deshalb gilt es auch, Angebote für diese große Gruppe zu schaffen - zum Beispiel durch mögliche Kinderbetreuung beim Sport und Freizeitkursen. Eintrittskarten für alleinerziehende Familien wären ebenfalls ein richtiger Schritt und ein tolles Signal.
TK: Was raten Sie Alleinerziehenden, um Einsamkeit vorzubeugen?
Spikermann: Sich Hilfe zu holen, ist in Ordnung. Auch wenn man nur mal jemanden zum Reden braucht, um die Last auf der Seele zu teilen. Ein gutes soziales Netzwerk kann da natürlich helfen. Wenn das nicht besteht: Einfach mutig sein und Hilfsangebote annehmen. Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten.
Weitere Informationen
Webseite vom Verband für alleinerziehende Mütter und Väter in Schleswig-Holstein