Der Großteil der Mitarbeitenden ist in der Produktion tätig. Seit 2019 unterstützt die TK das Unternehmen beim Aufbau und der Umsetzung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Beim Deutschen Personalwirtschaftspreis hat Fendt mit seinem Gesundheitsmanagement im Jahr 2022 den ersten Platz belegt. Im Interview erläutert Juliane Quaranta-Hoflin, BGM-Projektleiterin bei Fendt, wie Gesundheitsförderung in einem Produktionsbetrieb gelingen kann.

TK: Herzlichen Glückwunsch zum ersten Platz beim Deutschen Personalwirtschaftspreis. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept?

Das Wichtigste ist, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Ziel verfolgen.
Juliane Quaranta-Hoflin

Juliane Quaranta-Hoflin: Vielen Dank. Ja gerne. Ich denke das Wichtigste ist, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Ziel verfolgen - von der Geschäftsführung bis hin zu den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir haben ein Gesundheitsleitbild bei Fendt entwickelt, auf dem wir die fünf wichtigsten Prinzipien festgehalten haben und dieses überall kommuniziert.

Diese Philosophie ist die Basis für all unsere Maßnahmen, die wir dann im Unternehmen umgesetzt haben und umsetzen werden. Darüber hinaus haben wir eine Organisationsstruktur mit Expertinnen und Experten aufgebaut. Dazu zählen der BGM Steuerkreis und die Gesundheitsarbeitskreise. Zudem haben wir in jedem Bereich Gesundheitsbeauftragte benannt, die die Kolleginnen und Kollegen über Gesundheitsaktionen und -angebote informieren und Themen sowie Ideen direkt ans BGM weitergeben. Wir haben so einen direkten Draht zur Mitarbeiterschaft und erfahren deren Wünsche und Bedarfe.

Ausge­zeichnet

 Simone Keck, Ingrid Bußjäger-Martin, Gabriele Formann, Juliane Quaranta-Hoflin Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
von links nach rechts: Simone Keck (HR Koordinatorin Gesundheitsmanagement), Ingrid Bußjäger-Martin (Geschäftsführerin Finanzen und IT AGCO/Fendt), Gabriele Formann (Stv. Betriebsratsvorsitzende AGCO/Fendt), Juliane Quaranta-Hoflin (Projektleitung Gesundheitsmanagement)

TK: Ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten vor allem in der Produktion. Wo muss Gesundheitsförderung ansetzen?

Wir haben Ergonomie-Programme direkt am Arbeitsplatz initiiert.
Juliane Quaranta-Hoflin

Quaranta-Hoflin: In der Produktion haben wir es hauptsächlich mit Muskel-Skelett-Themen zu tun. In Asbach-Bäumenheim produzieren wir die Kabinen für unsere Traktoren, dort wird unter anderem viel über Kopf gearbeitet. Diese Arbeit belastet Schultern und Nacken. In Marktoberdorf bauen wir die verschiedenen Traktorenmodelle, die Arbeit erfordert viel Konzentration, und es wird viel in Handarbeit gemacht. Die Mitarbeiter ziehen die Schrauben selber an. Es gibt bestimmte Werkzeuge, die das Arbeiten erleichtern, wie Hebegeräte, dennoch ist der körperliche Einsatz nicht zu unterschätzen. Das gilt auch für die Mitarbeitenden in der Logistik und die Staplerfahrer.

Wir haben deshalb Ergonomie-Programme direkt am Arbeitsplatz initiiert. In einem aktuellen Pilotprojekt schauen wir mit einem Physiotherapeuten, ob man noch rückenschonender arbeiten bzw. wie man die körperliche Arbeit erleichtern kann. Und es werden Ausgleichsübungen mit den Kolleginnen und Kollegen durchgeführt. Natürlich gibt es auch Gesundheitsangebote für die Mitarbeitenden in der Verwaltung oder die Ingenieurinnen und Ingenieure, die überwiegend vor dem PC sitzen. Hier stehen eher mangelnde Beweglichkeit und einseitige Belastung durch die sitzende Tätigkeit im Vordergrund. Seit ein paar Jahren haben wir daher unsere Büroarbeitsplätze durch höhenverstellbare Schreibtische und ergonomische, hochwertige Bürostühle ausgestattet. 

TK: Spielt auch der Produktionsdruck eine Rolle beim Gesundheitsmanagement? Genauer gesagt, lassen sich Prozesse oder Strukturen verändern, um die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbessern?

Quaranta-Hoflin: Es gibt natürlich immer bestimmte Vorgaben, die man nicht verändern kann. Und der Produktionsdruck ist natürlich da. Aber es gibt immer Möglichkeiten: Wir arbeiten zum Beispiel an den Führungsspannen, ändern Vertretungsregelungen, wir schulen Führungskräfte und schaffen mehr Zeit für Gespräche. Insgesamt tauschen wir uns mehr aus, damit Prozesse frühzeitig angestoßen werden können. Und wir denken an die Zukunft und den demografischen Wandel im Unternehmen. Uns beschäftigt die Frage, wo und wie können wir Arbeitskräfte einsetzen, wenn sie beispielsweise an ihrem aktuellen Arbeitsplatz nicht mehr die erforderliche Leistung erbringen können. Der große Vorteil ist, dass unsere Geschäftsführung, die Führungskräfte und der Betriebsrat hierbei an einem Strang ziehen.

TK: Wie informieren Sie über Gesundheitsangebote? Schließlich sitzen ja viele Mitarbeitende nicht vor einem PC und damit vor dem Intranet…

Quaranta-Hoflin: Das stimmt, bei uns funktioniert die Kommunikation vor allem über unsere eigene Mitarbeiter- App, Aushänge oder Plakate und natürlich über die Führungskräfte und Gesundheitsbeauftragte. Die App können die Mitarbeitenden über ihren PC oder ein Smartphone nutzen, auch das private. Wir haben schwarze Bretter, diese sind in unserem Werk in Asbach-Bäumenheim schon digitalisiert. Einige Gesundheitsbeauftragte haben in ihren Bereichen eigene White Boards. Dort machen wir Werbung, beispielsweise für die betriebliche Sozialberatung und die mobile Massage. Momentan haben wir eine Apfelwoche, in der wir für das Thema Ernährung sensibilisieren.

Wir schulen Führungskräfte und schaffen mehr Zeit für Gespräche.
Juliane Quaranta-Hoflin

TK: Im produzierenden Gewerbe arbeiten immer noch vor allem Männer. Muss man die anders informieren bzw. motivieren?

Quaranta-Hoflin: Vorab, bei Fendt arbeiten auch immer mehr Frauen im produzierenden Bereich und das freut uns sehr. Männer sind zwar vielleicht eher Gesundheitsmuffel, aber wir merken auch, dass ein Wandel stattfindet. Beim letzten Ergonomie-Programm in Marktoberdorf haben 60 Prozent der Mitarbeitenden mitgemacht, das ist ein sehr guter Schnitt.

Und wir setzen auf die Führungskräfte - sie sind die Multiplikatoren schlechthin. Eines unserer großen Projekte heißt "Wir im Dialog". Dabei geht es darum, dass Führungskräfte und Mitarbeitende zu verschiedenen Anlässen, aber auch allgemein stärker in den Dialog gehen. Führungskräfte besprechen mit ihren Mitarbeitenden Fragen zum individuellen Befinden, klären Bedürfnisse und persönliche Anliegen, was die Arbeit betrifft. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin soll dabei auch motiviert werden, für sich zu sorgen und auf die eigene Gesundheit zu achten. Für "Wir im Dialog" haben wir gemeinsam mit der TK intensiv an Schulungsangeboten für Führungskräfte gearbeitet und ein Konzept etabliert, das Hand und Fuß hat. Darauf sind wir sehr stolz.

Betrieb­liche Gesund­heit managen

Esther Kruszinski, Christoph Gröblinghoff mit den TK-Beratern Claus Finger und Stephan Fischer  Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
von links nach rechts: Esther Kruszinski (Betriebliche Sozialberaterin Standort Marktoberdorf), Christoph Gröblinghoff (Vice President & Vorsitzender der Geschäftsführung AGCO/Fendt) mit den TK-Beratern Claus Finger und Stephan Fischer 

TK: Was haben Sie sich für das nächste Jahr vorgenommen?

Quaranta-Hoflin: Momentan arbeiten wir an einem Tool, das Kennzahlen erfasst, die über die Krankheitsquoten hinausgehen. Wir möchten zukünftig auch Gesundheits-Checkups anbieten und wünschen uns, dass unsere Mitarbeitenden die Gesundheitsangebote noch besser annehmen. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist die Struktur im Unternehmen, die das Thema Gesundheit in den Mittelpunkt stellt. Eine gesunde und präventive Unternehmenskultur in einem großen Unternehmen wie Fendt zu etablieren, bedeutet natürlich einen Wandel. Der braucht Zeit, zeigt sich aber letztendlich in den Ergebnissen. Ich denke wir sind - auch Dank der TK - in den letzten Jahren sehr weit gekommen und weiterhin auf einem sehr guten Weg. Die Auszeichnung beim Personalwirtschaftspreis hat das bestätigt.