"Wichtig ist, die Informationen dort zur Verfügung zu stellen, wo die Menschen sind"
Interview aus Thüringen
Dr. Sarah Eitze, Lehrbeauftragte im Masterstudiengang Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, erklärt, warum sich Menschen für oder gegen eine FSME-Impfung entscheiden. Außerdem geht es darum, welche Gründe besonders bei älteren Menschen eine Rolle spielen und wie man sie dazu motivieren kann, sich über die FSME-Impfung zu informieren.
TK: Was sind Gründe dafür, warum sich Menschen für oder gegen eine Impfung entscheiden?
Dr. Sarah Eitze: Ganz allgemein betrachten wir meistens fünf Gründe, die Menschen in ihren Impfentscheidungen berücksichtigen.
Zuerst ist wichtig, dass Vertrauen in die Sicherheit und Effektivität von Impfungen besteht.
Zweitens müssen Menschen ihr Risiko für die Krankheit realistisch einschätzen, um zu beurteilen, wie wichtig eine Impfung für sie sein kann.
Als drittes betrachten wir wahrgenommene Barrieren auf dem Weg zur Impfung: Haben Personen zum Beispiel keinen Hausarzt, keine Hausärztin oder müssen stundenlang im Wartezimmer sitzen, wird eine Entscheidung für die Impfung unwahrscheinlicher.
Müssen Personen zum Beispiel stundenlang im Wartezimmer sitzen, wird eine Entscheidung für die Impfung unwahrscheinlicher.
Das Informationsbedürfnis ist ein weiterer Einflussfaktor: Wenn Menschen viele Informationen suchen, kann das die Entscheidung so erschweren, dass sie am Ende unfähig sind eine Entscheidung zu treffen. Diese Menschen verschieben die Entscheidung also auf später - und nehmen die Impfungen eher weniger in Anspruch. Hier spielt sicherlich auch eine Rolle, dass Menschen bei ihrer Informationssuche im Internet auf Falschinformationen treffen.
Zuletzt spielt der Gemeinschaftsschutz eine Rolle, wenn die Impfung gegen übertragbare Krankheiten schützt. Wenn meine eigene Impfung davor schützen kann, dass ich die Krankheit an ältere oder chronisch kranke Menschen weitergebe, dann kann das meine Impfentscheidung ebenfalls beeinflussen.
TK: Gibt es Faktoren, die insbesondere bei älteren Menschen eine bedeutende Rolle bei der Impfentscheidung spielen?
Dr. Eitze: Wir sehen in unseren Befragungen oft, dass ältere Menschen ihr Risiko für Krankheiten unterschätzen. Mit dem Alter nimmt die Belastbarkeit des Immunsystems ab. Krankheiten erwischen uns deutlich schwerer und Folgeerkrankungen werden wahrscheinlicher. Deshalb sind viele Impfungen ab 60 wieder explizit empfohlen.
Da sich viele Menschen in diesem Alter aber - zum Glück - noch gesund und munter fühlen, unterschätzen sie den potenziellen Schweregrad der Erkrankungen. Deshalb halten sie ihren Impfschutz nicht immer so aktuell wie möglich. Wir kennen diese Zusammenhänge zum Beispiel aus der Arbeit an der Kampagne impfen60+ und den Ergebnissen der Infektionsschutzstudie der BZgA.
Wir sehen in unseren Befragungen oft, dass ältere Menschen ihr Risiko für Krankheiten unterschätzen.
TK: Welche Gründe spielen im Zusammenhang mit der FSME-Impfung eine Rolle?
Dr. Eitze: Aus den Ergebnissen einer kürzlich abgeschlossenen Masterarbeit wissen wir, dass auch hier die Risikowahrnehmung wieder eine Rolle spielt. Je niedriger die Anfälligkeit oder der Schweregrad der Erkrankung eingeschätzt wird, desto weniger würden sich Menschen für eine Impfung entscheiden.
Zusätzlich ist die Selbstwirksamkeit wichtig. Personen, die sich dazu in der Lage fühlen - das heißt es als einfach empfinden - sich impfen zu lassen, zeigen eine erhöhte Bereitschaft zur FSME-Impfung.
Wichtig ist außerdem, ob Personen die Wirksamkeit der Impfung wahrnehmen. Ungeimpfte Befragte, die eine hohe Überzeugung von der Wirksamkeit der FSME-Impfung haben, zeigen eine gesteigerte Bereitschaft zur Impfung.
Allerdings sind auch andere Faktoren wie individuelle Impfeinstellungen und persönliche Vorerfahrungen relevant und können die Entscheidung für eine FSME-Impfung beeinflussen.
TK: Wie können wir mehr ältere Menschen dazu motivieren sich über FSME und die Impfung gegen diese Erkrankung zu informieren?
Dr. Eitze: Wichtig ist, die Informationen dort zur Verfügung zu stellen, wo die Menschen sind. Mit einer Social-Media-Kampagne wird man die abenteuerlustige, 62-jährige Wanderin oder den 69-jährigen, täglichen Spaziergänger nicht erreichen. Das klappt jedoch vielleicht mit Beiträgen in Gesundheits- und Wissenschaftsmagazinen im Fernsehen, mit Broschüren in der Apotheke oder mit Zeitungsartikeln.
Aufklärungsbedarf besteht in Risikogebieten, im Aktivitätszeitraum - Frühling bis Herbst, nicht nur im Sommer! - und über Alltagssituationen. Denn auch beim Spaziergang im Park oder im Kleingarten können sich Zecken verbreiten.
Aufklärungsbedarf besteht in Risikogebieten, im Aktivitätszeitraum - und über Alltagssituationen.
Anschließend sollte man die Hürden auf dem Weg zur Impfung niedrig und den Weg so kurz wie möglich halten. Das kann zum Beispiel bedeuten, Impfungen in Apotheken anzubieten, Impfungen in die Vorsorgeuntersuchungen einzubeziehen und aufsuchendes Impfen für zum Beispiel Wandervereine gezielt anzubieten. Ein besserer Zugang durch weniger praktische Hindernisse könnte langfristige positive Auswirkungen haben.
Zur Person
Dr. Sarah Eitze arbeitet am Lehrstuhl Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt als Post-Doc. Sie ist außerdem Forscherin am Institute for Planetary Health Behaviour (IPB) und Co-Direktorin des WHO Collaborating Centre for Behavioral Research in Global HealTh (BRIGHT). Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Erfurt hat sie bei Projekten wie impfen 60+ und dem COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) mitgewirkt.