"Ein Drittel Geimpfte unter den älteren Erwachsenen ist nicht viel"
Artikel aus Thüringen
In Thüringen steigt das Risiko an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu erkranken. Erst im Januar 2024 kam mit dem Landkreis Altenburger Land ein neues FSME-Risikogebiet hinzu. Gleichzeitig bleibt die FSME-Impfquote in Thüringen niedrig. In Erfurt kann man deutschlandweit den einzigen Master im Fach Gesundheitskommunikation studieren. Dort wird unter anderem erforscht, warum sich Menschen für oder gegen eine Impfung entscheiden.
Valeria Maslov ist Studentin der Gesundheitskommunikation und Praktikantin bei der TK in Thüringen. Sowohl für ihre Masterarbeit als auch im Praktikum hat sie sich mit FSME und der Impfung dagegen beschäftigt. FSME ist eine grippeähnliche Virusinfektion, die eine Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute verursachen kann. Im Interview spricht sie über ihre Erkenntnisse.
TK: Was hat Sie dazu motiviert, sich mit dem Thema FSME zu befassen?
Valeria Maslov: Das war vor allem persönliches Interesse: Ich halte mich gerne draußen in der Natur auf und gehe regelmäßig wandern. Dabei ist mir unweigerlich auch schon die ein oder andere Zecke begegnet. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, welche Krankheiten sie möglicherweise überträgt und wie man sich eigentlich schützen kann.
Da ich in Thüringen lebe, fiel mir schnell auf, dass bereits die Hälfte des Landes zum FSME-Risikogebiet gehört. So bin ich zum Thema FSME und FSME-Impfung gekommen. Im Rahmen meines Praktikums bei der TK habe ich mich dann außerdem konkret mit Impf-Daten aus Thüringen beschäftigt.
TK: Wie haben sich die FSME-Risikogebiete in Deutschland und speziell in Thüringen entwickelt?
Maslov: Die Zahl der FSME-Risikogebiete in Deutschland hat sich laut Daten des Robert Koch-Institutes, also des RKI, in den letzten 20 Jahren verdoppelt - 2004 waren es 90, aktuell sind wir bei 180.
In Thüringen hat sich die Zahl der Risikogebiete im selben Zeitraum sogar vervierfacht. Aktuell sind in Thüringen über die Hälfte der Stadt- und Landkreise als FSME-Risikogebiet ausgewiesen. Eine Karte verdeutlicht eindrucksvoll, wie sich die Risikogebiete vom Südosten her ausbreiten.
In Thüringen hat sich die Zahl der Risikogebiete innerhalb von 20 Jahren sogar vervierfacht.
TK: Welche Gründe konnten Sie dafür finden?
Maslov: In der Wissenschaft wird vor allem über klimatische Veränderungen als Grund für die Ausbreitung von Zecken und dadurch übertragene Krankheiten wie FSME diskutiert. Steigende Temperaturen aufgrund des Klimawandels begünstigen die Fortpflanzungsfähigkeit von Zecken. Sie verlängern die Saison, in der Zecken aktiv sind und fördern somit die Suche der Zecken nach einem Wirt.
TK: Was haben Sie über die FSME-Impfquoten in Deutschland und Thüringen herausgefunden?
Maslov: Die FSME-Impfquoten - also für die Grundimmunisierung plus gegebenenfalls Auffrischimpfung - in Deutschland variieren laut RKI stark, sind jedoch insgesamt eher niedrig. Auch in Thüringen ist das der Fall.
Die FSME-Impfquoten in Thüringer Risikogebieten lagen im Jahr 2020 bei 29,8 Prozent, was zwar etwas höher ist als in FSME-Risikogebieten anderer Bundesländer, aber dennoch insgesamt auf einem niedrigen Niveau. Außerdem ist die Impfquote seit dem Jahr 2013 leicht rückläufig.
Auffällig sind außerdem Unterschiede in den Altersgruppen: Der Impfschutz ist bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 5 und 18 Jahren am höchsten und nimmt bis zum 30. Lebensjahr kontinuierlich ab. Konkret heißt das, dass im Jahr 2020 über 35 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Thüringer Risikogebieten gegen FSME geimpft waren, während es bei den 30-Jährigen nur noch knapp 20 Prozent waren.
Der Impfschutz ist bei Kindern und Jugendlichen am höchsten und nimmt bis zum 30. Lebensjahr kontinuierlich ab.
Im angrenzenden Bundesland Bayern, in dem fast alle Stadt- und Landkreise als FSME-Risikogebiet ausgewiesen sind, stagniert die FSME-Impfquote ab dem Alter von 30 Jahren zwischen 20 und 25 Prozent. Im Gegensatz dazu steigt die FSME-Impfquote in Thüringer Risikogebieten ab dem 30. Lebensjahr allmählich wieder an. Ältere Erwachsene im Alter zwischen 65 und 80 Jahren ziehen mit einer Impfquote von etwa 35 Prozent nahezu mit den Kindern und Jugendlichen gleich. Ein Drittel Geimpfte unter den älteren Erwachsenen ist natürlich trotzdem nicht viel.
TK: Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?
Maslov: Erwachsene sind im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen weniger gut gegen FSME geschützt. Dabei ist eine hohe Impfquote vor allem bei Erwachsenen wichtig, da die Zahl der gemeldeten FSME-Fälle ab dem Alter von 40 Jahren deutlich ansteigt.
So wurden laut Daten des RKI für das Jahr 2023 fast doppelt so viele FSME-Erkrankungen unter den über 60-Jährigen gemeldet, wie unter den 5- bis 39-Jährigen.
Es wurden fast doppelt so viele FSME-Erkrankungen unter den über 60-Jährigen gemeldet wie unter den 5- bis 39-Jährigen.
Das ist besonders relevant, weil aus der Wissenschaft bekannt ist, dass gerade ältere Menschen bei einer FSME-Erkrankung im Vergleich zu Kindern ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Verläufe, Komplikationen und bleibende Schäden haben.
Das unterstreicht die Notwendigkeit einer verstärkten Aufklärung der Bevölkerung über die Erkrankung FSME und die Bedeutung der FSME-Impfung.
Zur Person
Valeria Maslov studiert seit 2021 im Master Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. Kurz vor Studienabschluss absolviert sie von Februar bis Mai 2024 ein Praktikum in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der TK-Landesvertretung Thüringen.
Hinweis für die Redaktion
Die Risikogebiete und weitere Fakten zur Erkrankung stellt das Robert Koch-Institut online zur Verfügung. Die Auswertungen zu FSME-Impfquoten beziehen sich auf Daten der KV-Impfsurveillance aus dem Epidemiologischen Bulletin 2023 des RKI. Die gemeldeten FSME-Erkrankungen stammen aus einer Abfrage bei der SurvStat@RKI 2.0-Anwendung.