Strukturwandel: Dänemark als Vorbild?
Position aus Mecklenburg-Vorpommern
Die dänische Notfallversorgung wird mit Blick auf die Problemlagen in Mecklenburg-Vorpommern betrachtet.
Die Anforderungen an die Notfallmedizin ändern sich in Mecklenburg-Vorpommern kontinuierlich. Der demografische Wandel, die Abwanderungstendenzen und weniger werdende finanzielle Mittel wirken auf das Gesundheitswesen und damit auch auf die Notfallversorgung ein. In Dänemark wurde bereits zu Beginn der 2000er Jahre das Konzept der "Zentralen Notaufnahmen" entwickelt und umgesetzt. Ferner wurde die Anzahl der Krankenhäuser auf 32 halbiert, in der Aussicht Qualitätseffekte zu erzielen. Zum Vergleich: Mecklenburg-Vorpommern besitzt laut Krankenhausplan 37 Krankenhausstandorte. Dabei ist die Einwohnerzahl bei unseren nördlichen Nachbarn fast vier Mal so hoch wie in unserem Bundesland. Selbstverständlich sind die beiden Versorgungssysteme nicht einfach vergleichbar. Dennoch gibt es einzelne Aspekte, die für eine gemeinsame Betrachtung interessant sind.
Versicherungssituation in Dänemark
In Dänemark wurden laut Eurostat im Jahr 2020 rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Gesundheitsausgaben aufgewendet. Damit sind die Ausgaben in Dänemark anteilig größer als in Deutschland. Dabei sind alle Bürgerinnen und Bürger in der staatlichen dänischen Sozialversicherung angemeldet. Im World Index of Healthcare Innovation rangiert Dänemark auf Rang 14 und damit 12 Plätze hinter Deutschland. In diesem Index werden Länder nach den Faktoren Behandlungsqualität, Auswahl der Behandlungsmethoden, Wissenschaft und Technologie sowie finanzieller Nachhaltigkeit klassiert. Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, dass die Versorgung in Dänemark für die Menschen nicht günstiger und insgesamt auch nicht besser ist als in Deutschland. Allerdings besitzen einige Aspekte des dänischen Gesundheitssystems durchaus Potential, um die Versorgung in M-V zu verbessern.
Krankenhaus- und Notfallversorgung im Überblick
Dänemarks Krankenhausversorgung war in den 1990er Jahren durch eine Vielzahl kleinerer Krankenhäuser geprägt. Die Mehrzahl der Häuser verfügte über Abteilungen der Basisversorgung (Innere Medizin, Chirurgie und Unfallchirurgie, Radiologie, Gynäkologie und Geburtshilfe). Fast alle dieser stationären Einrichtungen nahmen an der Notfallversorgung teil. Dabei wurden die Patienten durch die Notaufnahme direkt auf die Station geschleust, für die eine optimale Versorgung angenommen wurde. Aufgrund komplexerer Qualifikationserfordernisse, gleichzeitig zurückgehender Patientenzahlen und horrender Vorhaltekosten setzte dann eine Schließungswelle in der Krankenhauslandschaft ein. Als Lösungsansatz wurde das Konzept der zentralen Notaufnahmen etabliert. Über diese gelangen alle nicht eingewiesenen Patienten in die Leistungseinrichtung. Die Zahl der Krankenhäuser mit Notaufnahmen wurde auf 27 reduziert. Durch die wenigen aber größeren Notfallzentren wurde ein starkes Signal für mehr Behandlungsqualität gesetzt. Die in Deutschland gegenwärtig diskutierte Ausbildung "Notfallmedizin" ist in Dänemark (als Akutmedizin) bereits etabliert. Die strukturellen Anforderungen an Notaufnahmen mit 24/7 Leistungsumfang sind klar und verpflichtend definiert. Beachtenswert ist weiterhin, dass für die Krankenhäuser mit Notaufnahmen keine Sonderfinanzierung besteht.
Rückschlüsse für Mecklenburg-Vorpommern
Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in M-V bietet das dänische Modell einige Ansätze, die geeignet sind, die Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern besser zu organisieren. Insbesondere die geringer werdenden finanziellen und personellen Ressourcen könnten mit einer stärkeren Zentralisierung besser eingesetzt werden. Die Erfahrungen aus Dänemark zeigen, dass längere Fahrtzeiten von Patientinnen und Patienten akzeptiert werden, wenn es dadurch zu einer Verbesserung der Versorgungssituation kommt. Diese Erkenntnis kann die Grundlage für eine durchdachte Verteilung der Notfall- und Versorgungskapazitäten im Land sein. Denn durch eine dosierte Zentralisierung könnten Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Leistungssektoren strukturell abgebaut werden. Außerdem würde dadurch die fachärztliche Versorgung verbessert und zentrale Versorgungsanker können von den Patientinnen und Patienten ohnehin leichter erreicht werden.