Der integrierten Notfallversorgung Steine aus dem Weg räumen
Position aus Schleswig-Holstein
Sören Schmidt-Bodenstein, Leiter der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein, zu notwendigen Reformen in der Notfallversorgung.
Die Inanspruchnahme der Notfallambulanzen in den Kliniken steigt deutschlandweit stetig an. Wenn Menschen medizinische Hilfe benötigen, ist außerhalb der Praxisöffnungszeiten die Notaufnahme oft die erste Wahl. In Teilen ist dies auch damit begründbar, dass Patienten und Patientinnen ihre gesundheitlichen Beschwerden selten medizinisch richtig einschätzen. Diese Unsicherheit geht einher mit Ängsten, aus denen heraus vorsichtshalber die Notaufnahme aufgesucht oder der Notarzt gerufen wird. Die Folge: überlastete Notaufnahmen, lange Wartezeiten, überfordertes Klinikpersonal. Im schlimmsten Fall wird dadurch die Behandlung von Patienten und Patientinnen blockiert, die tatsächlich notfallmedizinisch versorgt werden müssen.
Sektorales Denken führt zur Fehlsteuerung
Die Ursachen dafür liegen insbesondere in der sektoralen Trennung der verschiedenen Akteure in der Notfallversorgung: Rettungsdienste, Krankenhäuser und ärztlicher Bereitschaftsdienst der kassenärztlichen Vereinigung sind unterschiedlich organisiert. Für die Patientinnen und Patienten, die medizinische Hilfe außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten suchen, sind die Zuständigkeiten unklar.
Eine Umfrage der TK zeigt, dass nur jede zweite Norddeutsche Person die bundesweite Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117 kennt. Kein Wunder, dass im Notfall vorsichtshalber direkt die Notaufnahme angesteuert wird. So ergab die Umfrage auch, dass mehr als jeder zweite Norddeutsche innerhalb der letzten zehn Jahre eigenständig eine Notaufnahme aufsuchte. Bei 43 Prozent, konnte das Ärztepersonal jedoch Entwarnung geben. Das bedeutet, dass vier von zehn Patienten bzw. Patientinnen auch in ambulanter Behandlung gut - mindestens aber genauso gut - aufgehoben wären. Hier liegt eine immense Fehlsteuerung vor, weil die Betroffenen nicht durch den ihm adäquaten Behandlungspfad gelotst wird.
Die Notfallversorgung braucht dringend eine Reform
Dass die Notfallversorgung eine Reform braucht, ist auf Bundesebene konsentiert. Dass die Gesundheitspolitik die Voraussetzungen für eine gezielte Notfallversorgung schaffen soll, wünschen sich sieben von zehn Norddeutschen.
Wir brauchen eine koordinierte, effiziente und effektive Notfallversorgung, die die Patientinnen und Patienten verstehen und die zu einer spürbaren Entlastung der Notfallambulanzen führt. Doch wie kann die Notfallversorgung in Zukunft aussehen?
Konkrete Vorschläge hierzu hat die TK im
Meinungspuls-Gesundheit zählt 2021
gemacht.
Portalpraxen als Dreh- und Angelpunkt in der Notfallversorgung
Ein sinnvoller erster Reformschritt ist die Schaffung sogenannter Portalpraxen. Diese sollten im Rund-um-die-Uhr-Betrieb an geeigneten und landesplanerisch festgelegten Krankenhäusern angegliedert werden. An der imland Klinik in Rendsburg und an der Westküstenklinik in Heide wir dieses "Ein-Tresen-Modell" bereits erfolgreich umgesetzt - unter gemeinsamer Trägerschaft von KV Schleswig-Holstein und den Kliniken.
In diesen Portalpraxen wird der Behandlungsbedarf des Patienten individuell beurteilt: Muss er stationär aufgenommen werden oder ist er bei einem niedergelassenen Arzt bzw. Ärztin in besten Händen? Er wird dann in die für ihn bedarfsgerechte Versorgungstruktur weitergeleitet.
Das "Ein-Tresen-Modell" wird auch vom SVR Gesundheit aufgegriffen. Insoweit kann die Portalpraxis als Vorstufe eines Integrierten Notfallzentrums im Sinne der SVR-Vorstellungen dienen.
Leitstellen von KV und Rettungsdienst perspektivisch zusammenführen
Der Bereitschaftsdienst der KV Schleswig-Holstein wird über eine landesweite, mit der Rufnummer 116 117 erreichbare Leistelle organisiert. Die Leitstellen von KV und Rettungsdienst sollten perspektivisch zusammengeführt werden, nach einheitlichen Kriterien erreichbar sein und so eine integrierte Notfallversorgung realisieren.
Der SVR Gesundheit spricht sich in seinen vorläufigen Empfehlungen für die Schaffung voll integrierter, regionaler Leitstellen und die Erreichbarkeit über eine bundesweit einheitliche Rufnummer (statt 112 + 116 117) aus.