Betroffene leiden unter einer sogenannten Pornografie-Nutzungsstörung (PNS). Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die weitreichende Auswirkungen auf Partnerschaft, Sexualität, Familie und berufliches Umfeld haben kann. Wenn das Suchtverhalten und der Leidensdruck sehr groß sind, handelt es sich um eine behandlungsbedürfte Erkrankung.

Projekt "PornLoS"

Um eine verbesserte Versorgung von betroffenen Patientinnen und Patienten zu erproben, wurde das Innovationsfondsprojekt "PornLoS" (Pornografie-Nutzungsstörung effektiv behandeln - Leben ohne Suchtdruck) initiiert. Es wird seit Januar 2024 in den drei Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland durchgeführt. Federführender Konsortialpartner ist die Justus-Liebig-Universität Gießen. Geleitet wird das auf dreieinhalb Jahre angelegte Forschungsprojekt von Dr. Rudolf Stark, Professor für Psychotherapie. Konsortialpartner sind die Techniker Krankenkasse (TK) und die DAK-Gesundheit sowie u.a. Hochschulen in Hessen, Rheinland-Pfalz und die Universität des Saarlandes. Zudem wird das Projekt von weiteren Krankenkassen unterstützt. Es wird mit 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert.

Kontrollverlust und subjektives Leiden

Für die Diagnose einer PNS gibt es Kriterien, die erfüllt sein müssen. An erster Stelle stehen dabei Kontrollverlust und subjektives Leiden. "Wir gehen davon aus, dass rund drei Prozent der Männer ab 20 Jahre und weniger als ein Prozent der Frauen betroffen sind", sagt Projektleiter Professor Stark. Insgesamt konnten sich rund 320 Patientinnen und Patienten aus den drei Bundesländern behandeln lassen. Sie wurden per Zufall auf vier Behandlungsprogramme mit verschiedenen Therapiezielen verteilt. 

Das erste Programm zielt auf Abstinenz ab, also keinen Pornokonsum mehr. Das zweite Programm verfolgt das Ziel einer reduzierten Nutzung und das dritte nutzt die bisher übliche Behandlung. Bei der vierten Gruppe handelt es sich um eine Kontrollgruppe, die erst nach ca. acht Monaten behandelt wird. "Wir verfolgen einen neuen Therapieansatz, der aus Einzeltherapie, Gruppentherapie und Unterstützung durch eine App besteht. Durch die Vergleichsgruppe kann gezeigt werden, ob dies einer bisherigen Therapie überlegen ist", erklärt der Projektleiter.

Nur wenige spezialisierte Psychotherapeuten

Derzeit gibt es nur wenige Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die auf Pornosucht spezialisiert sind. "Das wollen wir mit diesem Projekt ändern und haben deshalb an acht Standorten in den drei Bundesländern Koordinationszentren gebildet. Zudem wirken rund 150 niedergelassene Kolleginnen und Kollegen als Projektpsychotherapeuten mit und wurden hierfür speziell geschult", sagt Projektleiter Professor Stark.

"Gerade weil es sich um ein tabuisiertes Thema handelt, ist es für uns als Krankenkasse wichtig, unser Augenmerk darauf zu richten. Letztlich ist es bei der Pornografiesucht wie bei jeder Suchterkrankung so, dass auch das ganze Umfeld in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Betroffene können Depressionen entwickeln bis hin zu Suizidgedanken", sagt Jörn Simon, Leiter der rheinland-pfälzischen TK-Landesvertretung. "Das Projekt ist ein wichtiger Baustein, um Betroffene zu unterstützen. Wir setzen dabei auch auf die Digitalisierung, denn zur Unterstützung der Behandlung wurde eine App entwickelt, mit der die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ein Selbstmonitoring betreiben können, um Rückfälle zu vermindern", sagt Simon.

Fällt die Evaluation nach Abschluss des Projekts positiv aus, könnte das Behandlungsprogramm in die Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden. Menschen, die mehr erfahren möchten, finden alle Infos auf der Internetseite www.pornlos.de. Dort gibt es auch einen Selbsttest, der hilft einzuschätzen, ob man selbst von einer Pornografie-Nutzungsstörung betroffen ist.

Eine Million Betroffene

Bundesweit dürften Schätzungen zufolge etwa eine Million Menschen an einer Pornografie-Nutzungsstörung erkrankt sein. Dabei wird von von ca. 51 Millionen erwachsenen Männern und Frauen in Deutschland in der Altersgruppe von 18 bis 65 Jahren ausgegangen. Bei einer Betroffenheit von ca. drei Prozent der Männer und einem Prozent der Frauen ergeben sich die Zahlen von ca. 750.000 männlichen und ca. 250.000 weiblichen Personen mit einer PNS. Bezogen auf Rheinland-Pfalz - hier lebten am 31.12.2022 laut statistischem Landesamt 1,3 Millionen Männer sowie 1,28 Millionen Frauen - sind etwa 40.000 Männern und 13.000 Frauen betroffen.