Innovationsfondsprojekt: TeleDermatologie
Artikel aus Mecklenburg-Vorpommern
Ein Projekt zur Allgemein-, Fach- und Notfallmedizin im ländlichen Raum erläutert am Beispiel der TeleDermatologie.
Das Projekt TeleDermatologie verfolgt das Ziel, die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Hauterkrankungen durch multidisziplinäre, sektorenübergreifende und digitale Versorgungsstrukturen zu verbessern. Dazu wurde ein telemedizinisches Konsil zwischen Hausärztinnen und Fachärzten etabliert. Die Schwerpunkte liegen im Auf- und Ausbau telemedizinischer Strukturen. Gerade die Dermatologie bietet sehr gute Voraussetzungen, die Telemedizin zu nutzen. Die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte nutzen dafür eine App, die Veränderungen der Haut abbildet. Anschließend leiten sie die Daten an die Dermatologie der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) oder an kooperierende niedergelassene Dermatologinnen und Dermatologen weiter. Von diesen erhalten sie über die App anschließend eine konsiliarische Empfehlung zur weiteren Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten.
Das Versorgungsziel ist die Sicherstellung der Patientenversorgung bzw. dem Ausgleich des Mangels an dermatologischen Fachärztinnen und Fachärzten im strukturschwachen Raum entgegenzuwirken. Bereits seit 2013 war es TK-Patientinnen und Patienten möglich, eine poststätionäre Nachsorge über die DermaApp zu erhalten.
Ausgangssituation
Bereits heute ist eine flächendeckende, dermatologische Versorgung von Patientinnen und Patienten in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr sichergestellt. Wartezeiten für Termine von mehreren Monaten sind mittlerweile üblich. Gegenwärtig sind knapp 60 Hautärztinnen und -ärzte im Land niedergelassen. Diese können, gerade in der Fläche, die medizinisch erforderliche, dermatologische Versorgung nicht mehr im notwendigen und ausreichenden Maß anbieten. In Zukunft wird diese Problematik noch deutlich zunehmen. Zur Zeit sind die Hautarztpraxen im Land vor allem in Zentren und Mittelzentren (z. B. Rostock oder Schwerin) konzentriert. Gleichzeitig fehlen in ländlichen Gebieten, insbesondere im Osten und Süden des Landes, Dermatologen.
Beitrag zur Weiterentwicklung der Versorgung
Der Beitrag der neuen Versorgungsformen, die gesundheitliche Versorgung weiterzuentwickeln, wird durch die folgenden Aspekte gewährleistet:
- Die Verbesserung der Versorgungsqualität und die Reduktion von Versorgungsdefiziten: Die Implementierung und Nutzung der weiterentwickelten App kann zur langfristigen dermatologischen Versorgung der Patientinnen und Patienten - insbesondere in ländlichen, strukturschwachen und vom Fachärzt:innenmangel betroffenen Gebieten - beitragen.
- Die Verbesserung der Versorgungseffizienz durch Steuerung: Das bestehende Problemfeld, dass Hauterkrankungen häufig rezidivieren und erneut stationär versorgt werden, wird durch diese niedrigschwellige, interdisziplinär ausgerichtete und sektorenübergreifende, ambulante Versorgungsstruktur verbessert und dem Prinzip "ambulant vor stationär" gerecht.
- Die optimierte Zusammenarbeit zwischen den Versorgungsbereichen und Leistungserbringern: Durch gezielte Schnittstellenbildung und spezifische Handlungsempfehlungen werden vorhandene Potentiale effektiver genutzt. Außerdem werden dauerhaft, sektorenübergreifende Kompetenzen in der dermatologischen Patient:innenversorgung etabliert.
- Die Entwicklung fachlicher Kompetenzen: Die Rolle der Hausärztinnen und -ärzte wird durch das Versorgungsangebot gestärkt. Sie bilden in diesem Versorgungskonzept den Knotenpunkt in der Vernetzung zwischen Patienten und Spezialisten. Darüber hinaus können Leistungen von den Dermatologinnen an die Hausärzte delegiert werden. Dadurch können die dermatologischen Kompetenzen weiter verbessert werden.
Übertragbarkeit der Erkenntnisse
Die teledermatologische Behandlung wird in Mecklenburg-Vorpommern modellhaft angewandt. Eine Adaption auf andere Regionen mit ländlichem Charakter ist möglich. Die dermatologische Behandlung via Telemedizin ist weder an Ort und Zeit gebunden. Auch eine Übertragbarkeit auf andere Indikationen ist möglich. Dabei stellt die Abbildbarkeit einer Erkrankung die einzige Voraussetzung dar.
Evaluation
Die wissenschaftliche Evaluation des Projektes ist kurz vor der Finalisierung. Untersuchungsgegenstand ist die Messung, inwiefern sich die Qualität der dermatologischen Patientenversorgung in Mecklenburg-Vorpommern durch eine telemedizinische Mitbetreuung via App verbessert. Derzeit sind insgesamt 97 niedergelassene Hausärztinnen und -ärzte aus dem ambulanten Sektor, acht Notaufnahmen aus dem stationären Sektor und eine Rehaklinik aus dem Rehabilitationssektor an das System angeschlossen und nutzen die App. Das Ziel ist, weitere Ärztinnen und Ärzte aktiv anzusprechen. Weitere Informationen finden sich auf der Projektseite.
Bezugnehmend auf diese Fragestellung werden folgende Hypothesen überprüft:
- Die Rate an Überweisungen von Hausärztinnen an den Dermatologen kann durch den Einsatz der App reduziert und die Qualität der Versorgung verbessert werden. Die Fälle für die persönliche Behandlung werden somit auf schwere Fälle konzentriert.
- Die durchschnittliche Wartezeit der Patientinnen und Patienten nimmt ab.
- Die Zufriedenheit der Patientinnen bzw. der behandelnden Ärzte mit der Organisationsform und dem Therapieergebnis steigen.
- Der Kostenaufwand für die dermatologische Versorgung mit der App ist geringer als ohne die Anwendung des Telekonsils.
Die Evaluation ist als Methodenmix konzipiert. Dabei wird zum einen auf Routinedaten der Krankenkassen zurückgegriffen und zum anderen, sollen Patientinnen und Ärzte befragt werden. Die Evaluation der App-Anwendung erfolgt in zwei Szenarien:
- In der Pilotphase erfolgt eine einarmige Kohortenstudie mit einer Interventionsgruppe. Dabei erfolgt die Weiterentwicklung, Testung und Implementierung der App mit dem Fokus der Evaluation auf die qualitative Erhebung bezüglich der Akzeptanz und des Nutzens seitens der Leistungserbringer und der Patientinnen.
- In der Projektphase erfolgt eine dreiarmige Kohortenstudie für den Vergleich der zweiten Kohortenstudie mit zwei Kontrollgruppen. Des Weiteren erfolgt dann der Technik-Roll-Out und die Anwendung der App im Rahmen der dermatologischen Versorgung.
Das Ziel ist die Evaluation von versorgungsrelevanten Endpunkten.
Umsetzungspotential
Durch die leicht adaptierbare und gute Skalierbarkeit hat dieses Projekt großes Potential für die Übernahme in die Regelversorgung. Sofern Patientinnen und Patienten kurzfristig keinen Termin bei Dermatologen erhalten, müssen sie nun nicht zwangsläufig eine Klinik aufsuchen. Sie können sich an ihre bereits behandelnde Hausärztin wenden und werden mittels Telekonsile trotzdem parallel von Spezialisten beraten bzw. behandelt. Darüber hinaus können mögliche Versorgungsdefizite ausgeglichen werden. So wird ein Beitrag zu einer ökonomischen Krankheitsversorgung geleistet.
Konsortialpartner:innen
Die Konsortialpartner:innen des Innovationsfondsprojektes sind die Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten der Universitätsmedizin Greifswald (UMG), die Informations- und Kommunikationsgesellschaft mbH Neubrandenburg (Infokom) und das Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH (inav).
Zum Hintergrund
Aus dem von der Bundesregierung aufgelegten Innovationsfonds werden von 2016 bis 2019 jährlich 300 Millionen Euro (Anmerkung: 225 Mio. Euro für neue Versorgungsformen und 75 Mio. Euro für Versorgungsforschung) an förderungswürdige Projekte vergeben. Ziel ist es, die qualitative Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland weiterzuentwickeln. Besonders innovative und sektorenübergreifende Projekte werden gefördert. Das Projekt TeleDermatologie hat vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in der ersten Förderwelle des Innovationsfonds den Zuschlag erhalten.
Die Mittel kommen von den gesetzlichen Krankenkassen sowie aus dem Gesundheitsfonds. Sie werden vom Bundesamt für Soziale Sicherung verwaltet. Angesiedelt ist der Innovationsfonds beim G-BA. Von den insgesamt 120 eingereichten Anträgen zur ersten Förderwelle im Bereich der neuen Versorgungsformen entschied der Innovationsauschuss die Förderung von 29 Projekten.