Peter Franz ist Hausarzt in Katzenfurt im Lahn-Dill-Kreis und startbereit für die sogenannte "ePA für alle" ab 2025. Zugleich ist er noch zurückhaltend, was die Erwartungen an die neue ePA (elektronische Patientenakte) angeht. Im Interview spricht er über Herausforderungen, Chancen und seine Wünsche, die er mit der Patientenakte verbindet. Er spricht über Tipps, wie sich Ärztinnen und Ärzte auf die Implementierung der Akte vorbereiten können und hofft, dass dieser neue Vorstoß der entscheidende Anstoß ist, damit sich bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen überhaupt etwas bewegt und verändert.
 

TK: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung der ePA in der ambulanten Praxis? 

Peter Franz: Das fängt mit der Technik an, die trotz aller Voraussetzungen immer noch zeitweise hängt. Es gelingt immer noch nicht, dass die Geräte wirklich so zuverlässig laufen, dass man im Praxisalltag schnell und jederzeit auf Dinge zugreifen kann. Das geht weiter mit der technischen Ausrüstung, die man in der Praxis vorhalten muss: Für volle Funktionalität braucht man im Prinzip an jedem einzelnen Arbeitsplatz ein Chipkartenlesegerät und den Zugriff auf den elektronischen Heilberufe-Ausweis, damit man auch signieren kann. 

Peter Franz

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Hausarzt in Katzenfurt im Lahn-Dill-Kreis und Geschäftsführer der HSGH Hausärztliche Servicegesellschaft Hessen mbH

Weiter geht es mit der Schulung der Medizinischen Fachangestellten und der angestellten Ärzte, die mit der Technik gut klarkommen müssen. Ein Problem ist, dass meistens der ePA-Support nicht zur normalen Software-Wartung gehört. Damit kommen Extra-Kosten auf die Kollegen zu, wenn sie die Technik nicht selbst managen können. Die Technik bringt noch viele Unwägbarkeiten mit, die zusätzliche Arbeitsschritte beinhaltet, die den Anwendern und Anwenderinnen in der Praxis  auch erklärt werden müssen. Das ist ein Kampf, den wir seit Beginn der Telematikinfrastruktur und der gesamten Onlineanbindung führen. 

TK: Nach eigenen Angaben sind Sie für den ePA-Betrieb schon gut aufgestellt und könnten heute bereits vollumfänglich in die Arbeit mit der ePA einsteigen. Welche Tipps haben Sie für Ihre Kollegen und Kolleginnen? 

Franz: Bevor es überhaupt in die technische Umsetzung geht, sollten sich Kolleginnen und Kollegen jetzt damit auseinandersetzen, was technisch mit der eigenen Software möglich ist. Bei den Vorbereitungen für die ePA ist es auch unterstützend, die Schulungen der Softwarebetreiber zu nutzen. Zu prüfen ist auch, welche Ausstattung in der Arztpraxis aktuell gegeben ist. Zum Beispiel sollte man daran denken, dass man genug Chipkartenlesegeräte in der Praxis hat und nicht nur eins an der Anmeldung, worüber alles abgewickelt wird. Es gehört auch ein Lesegerät ins Sprechzimmer, um damit die Kommunikation zwischen elektronischer Gesundheitskarte und Praxisverwaltungssystem direkt umzusetzen, wenn es nötig ist. Das spart viele Wege in der Praxis.

TK: Welche zusätzlichen Informationen aus der ePA, die durch weitere Leistungserbringer eingestellt wurden, werden für die Ärztinnen und Ärzte in den Hausarztpraxen von Vorteil sein?

Franz: Ein Riesenschritt ist es, wenn die Kliniken endlich angebunden sind und ich die Arztbriefe über die ePA einsehen kann. Die Kliniken können ein echtes Zugpferd für die ePA werden. Da läuft aber noch zu viel über Papier. Es wäre hilfreich, wenn der Patient aus dem Krankenhaus kommt und der Bericht sofort da wäre. Dann kommt der Patient ins Sprechzimmer, während auf dem PC schon die vorbereitete Maske angezeigt wird. Man sieht, welche Medikamente sich wie geändert haben. 

Mit wenigen Klicks kann man erkennen, was sonst eine Stunde aufhält, weil man zwischen eingescannten Dokumenten und dem Medikamentenplan dauernd hin und her wechseln muss. Ja, das wären Mehrwerte in dem System, die bei einer guten Software und einer ordentlichen Anwendung sicherlich dann auch schnell zu einer effektiven Nutzung führen würden. Der Überblick über Laborwerte und technische Untersuchungen aus der Bildgebung wären zudem nützlich.

Außerdem muss die gesamte ePA durchsuchbar sein. Ich muss auch alle Informationen finden, die möglicherweise im Fließtext stecken. Mir ging es selbst mal so, dass ich eine Medikamentenunverträglichkeit hatte, die nur im Fließtext des Arztbriefes erwähnt war - nicht in der Diagnose, nicht in den Codierungen oder in den Empfehlungen. So eine Information nicht zu kennen, ist der Super-GAU für die ePA. Damit entsteht ein Haftungsproblem. Wenn wir solche Probleme von vornherein ausmerzen und dafür sorgen, dass die Informationen gut verfügbar sind und ich als Arzt mit wenigen Klicks die gewünschten Informationen erreiche - das bringt uns voran. 

Wenn die Medizinischen Informationsobjekte in der ePA bald kommen, wenn etwa ein Impfpass in der ePA auch lesbar ist und ins System übertragbar wird, dann werden wir einen Mehrwert der ePA spüren. 

TK: Was wünschen Sie sich denn von den Patienten und Patientinnen, wie sie die Akte nutzen?

Franz: Ich erhoffe mir, dass Patienten wirklich praktisch damit umgehen und die ePA wie ihren persönlichen Informationsbogen betrachten. Vor allem sollten die Patienten die wichtigen Informationen nicht verstecken. Besonders nicht vor dem Hausarzt, der wirklich alle Krankheiten sehen sollte. Auch die Kollegen sollten nicht ausgeschlossen sein. Wenn ein Arzt komplett zugriffsberechtigt ist, sieht er in der ePA die Informationen, die für die Patientenversorgung wichtig sind. Wer beispielsweise vom Urologen ein Potenzmittel und vom Kardiologen wegen Herzschmerzen ein Nitrat verschrieben bekommt, ist wegen der drohenden Wechselwirkungen tatsächlich vital bedroht. Wenn diese Informationen nicht sichtbar sind und solche  Interaktionen nicht aufgedeckt werden, steckt man in einem Dilemma.

TK: Was wird sich in Ihrem Praxisalltag durch die ePA verändern?

Franz: Anfangs wahrscheinlich nichts Wesentliches. Wenn der Patient eine Akte hat, dann erscheint an der Seite vom Bildschirm ein Symbol, dass diese existiert. Das ist dann die Option, damit umzugehen. Der Patient muss sagen, was er mit der Akte machen will und dafür auch seine Gesundheitskarte einlesen lassen. 

Man muss sich sicherlich auch erst daran gewöhnen, dass ein Blick in die ePA bei jedem Patientengespräch dazu gehören wird. Dann wird man auch bei der Anamnese mal eben schnell schauen, was von anderen Kollegen eingestellt worden ist oder welche Briefe verfügbar sind. Der Arbeitsablauf wird sich dadurch verändern. Beim Patientenkontakt wird man nebenbei auch immer intensiv in den Computer schauen. Deshalb wird das auch eine Aufgabe sein, dem Patienten gut zu erklären, dass man sich mit dem Blick in den PC trotzdem auf ihn konzentriert, weil man sich dessen Krankheitsverlauf anschaut. 

TK: Wie wünschen Sie sich die Akte?

Franz: Ich wünsche mir eine Akte, die gut zugriffsfähige Informationen enthält. Dass sie komplett durchsuchbar ist und ich im Alltag nicht gebremst werde, die Akte zu nutzen. Das sind die Hauptfaktoren. Wir haben einen riesigen Durchsatz von Patienten in unserer Praxis. In Deutschland hat ein Arzt im Durchschnitt 7,5 Minuten je Patient pro Kontakt zur Verfügung. Wenn da schon allein vier Minuten Aktenstudium mit enthalten sind, dann ist das für den Patienten nicht befriedigend. Und deshalb muss die ePA möglichst intuitiv nutzbar sein. Die Informationen müssen mit einem Blick erfasst werden können, damit ein Arzt weiß, was jetzt für die Behandlung relevant ist. 

TK: Inwiefern glauben Sie, dass die elektronische Patientenakte dazu beitragen wird, das Thema Effizienz und Qualität in der medizinischen Versorgung zu verbessern?

Franz: Im Prinzip wird die ePA das Arbeiten erst mal nur am Rande tangieren. Effizienz über die ePA sehe ich im Moment nicht. Aber: Das habe ich schon an vielen Stellen zuerst gedacht. Bevor man damit noch nicht praktisch gearbeitet hat, wird man die Effizienzreserven nicht sehen. Qualität in der Medizin hängt aus meiner Sicht von Zeit ab. Zeit, in der man sich mit etwas beschäftigen kann. Das ist die wesentliche Frage: Wie wird Zeit des Arztes sich in Zukunft so gestalten lassen, dass zum Beispiel das Aktenstudium leichter wird. 

Im Moment ist es noch egal, ob es eine elektronisch geführte Akte oder ein großer Leitz-Ordner ist, den man auf den Tisch liegen hat. Es ist die Frage: Habe ich die Zeit, das zu studieren? Oder nehme ich mir die letzten drei Briefe, um die Information zur aktuellen Behandlung zu haben. Effizienz verbessert sich aktuell eher an anderen Stellen im Gesundheitswesen: Das elektronische Rezept verbessert im Wesentlichen die Datenübertragung zwischen Apotheke und Krankenkasse. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat das Ausdrucken von zwei Zetteln verhindert. Es kommen weniger Patienten, die das Papier gezielt noch abholen müssen. 

Das Handling in der Arztpraxis hat sich im Großen und Ganzen noch nicht verändert. Aber tatsächlich: Die Kommunikation zur Krankenkasse ist besser geworden, weil in der Regel die AU-Bescheinigung den Krankenkassen jetzt vorliegen. Nicht jeder Patient, hat die AU früher weitergegeben. Und das Versichertenstammdatenmanagement erspart der Krankenkasse Arbeit, wenn Patienten umgezogen sind. Das passiert jetzt in der Arztpraxis, was uns in der Praxis ein längeres Einlesen der Karten beschert hat.

Zur Person

Peter Franz ist seit 2007 in seiner eigenen Hausarztpraxis in Katzenfurt (Lahn-Dill-Kreis) ärztlich tätig. Seine Praxis ist Lehrpraxis der Uni Gießen und hat in der der Region als überörtliche Landarztpraxis mit vier Fachärzten und zwei Ärzten in Weiterbildung rund 4.000 Behandlungsfälle pro Quartal. Franz ist Vorsitzender des Arztnetzes für die Region Lahn-Dill (A.N.R. LahnDill e. V.). Der Verein ist als professionelles Arztnetz der Stufe 1 als Leistungserbringer aktiv und betreibt mit den Lahn-Dill-Kliniken zusammen das MVZ Landarztnetz GmbH mit Sitz in Breitscheid. In seiner Praxis ist er selbst der beste IT-Experte. Bereits in seiner Jugend gehörten Computertechnik erforschen und Programmieren zu seiner Leidenschaft, was ihm den Zugang zu digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen leicht macht. Peter Franz lebt mit seiner Familie in Ehringshausen.