Schluss mit dem Multitasking
Gleichzeitig telefonieren, E-Mails checken, Musik hören und nebenbei Freunde online treffen - für viele Menschen gehört Multitasking zum Alltag. Expertinnen und Experten aus Psychologie und Neurowissenschaft aber sagen: Was man Multitasking nennt, ist eigentlich nur eine Illusion.
Wer versucht, alles auf einmal zu erledigen, schafft nichts richtig. "Das Gehirn kann sich immer nur auf eine Sache konzentrieren, denn das Bewusstsein hat zu jedem Zeitpunkt immer nur einen Inhalt. Multitasking kann also nur bedeuten, dass ein Mensch innerhalb eines größeren Zeitraums nacheinander verschiedene Dinge tut", sagt etwa der Münchner Hirnforscher Professor Ernst Pöppel.
Lieber Schritt für Schritt statt Multitasking
Also lieber eins nach dem anderen tun - Schritt für Schritt statt Multitasking? Ja, sagt die Wissenschaft. Jedenfalls immer dann, wenn wir bewusst Entscheidungen treffen müssen. Denn für alles, was wir nicht automatisch tun können, brauchen wir Aufmerksamkeit. Wir müssen Informationen auswählen, einordnen und dann entscheiden, was wir tun. Selbst dann, wenn wir eine SMS schreiben. An wen soll sie gehen? Was soll darin stehen? Haben wir alles richtig geschrieben? Dabei können wir uns immer nur auf eine Aufgabe zur Zeit konzentrieren.
Multitasking ist eine Selbsttäuschung
Professor Iring Koch, Psychologe und Multitasking-Experte der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, erklärt: "Viele Menschen glauben zwar, dass sie manches gleichzeitig erledigen und Multitasking betreiben können. Tatsächlich wechseln sie aber in Bruchteilen von Sekunden von einer Aufgabe zur anderen. Und jedes Mal müssen sie ihre Aufmerksamkeit auf die neue Aufgabe ausrichten und entscheiden, was zu tun ist." Multitasking ist also nur möglich, wenn Handlungen ganz automatisch ablaufen, etwa wenn wir während eines Spaziergangs telefonieren.
Unser Gehirn verhindert Multitasking
Jede der zwei bis drei Millionen Nervenfasern aus unserem Körper leitet pro Sekunde bis zu 300 Impulse an das Gehirn. Sie liefern Informationen darüber, was wir sehen, hören, riechen, ob wir auf einem Stuhl sitzen, ob irgendwo Gewebe geschädigt wird und vieles mehr. Die Informationen werden im Ultrakurzzeitgedächtnis gespeichert. Schenken wir ihnen keine Aufmerksamkeit, verlöschen sie nach wenigen Zehntelsekunden wieder.
Wenden wir ihnen hingegen Aufmerksamkeit zu, bleiben sie länger bestehen, und wir können auf sie reagieren. Dazu müssen sie im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden. Das Arbeitsgedächnis ist das Nadelöhr, durch das Information hindurch muss, damit wir es - unter Umständen - langfristig speichern können. Was ins Arbeitsgedächtnis gelangt, wird uns bewusst. Wir können es verarbeiten, mit anderen Informationen verknüpfen, wir können damit Probleme lösen und wir nutzen es, um unsere Handlungen zu steuern. Und nur an das, was das Arbeitsgedächtnis passiert hat, können wir uns später erinnern.
Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und damit der Aufmerksamkeit ist begrenzt. Unser Gehirn nimmt deshalb immer nur Teilausschnitte dessen bewusst auf, was wir wahrnehmen - und zwar die, die für uns bedeutsam oder unerwartet sind. Damit wir aufmerksam sein können, blendet unser Gehirn andere, irrelevante Reize aktiv aus. Auf diese Weise konzentrieren wir uns auf die wichtige Information. Multitasking für mehrere relevante Aufgaben ist dadurch nicht möglich.
Stress durch Multitasking
Wer alles auf einmal tun muss, gerät daher meist in Stress. So zählt auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Multitasking als einen der wichtigen Stressoren bei der Arbeit auf. Es gibt zwar auch Menschen, die Multitasking lieben und in solchen Situationen zur Hochform auf laufen - jedenfalls zeitweise. Sie haben die Abwechslung gern und fühlen sich zumindest nicht unwohl, wenn viel los ist. Studien zeigen aber: Leistungsfähiger sind diese Menschen beim Multitasking nicht. Sie leiden nur weniger darunter.
Die meisten anderen aber geraten in solchen Situationen in Stress. Sie wissen, dass sie nicht alles schaffen können, oder glauben es zumindest. Wenn dann noch die Angst vor negativen Folgen dazu kommt, zum Beispiel vor Kritik, dann wird der Kopf rot, der Atem geht flacher, das Herz schlägt schneller, man reagiert gereizt, weinerlich oder fahrig und nervös - kurz, man ist im Stress.
Niemand kann zu gleicher Zeit an zwei Orten sein. Den meisten Menschen ist das klar. Genauso klar sollte man sich machen: Niemand kann zwei komplexe Aufgaben gleichzeitig erledigen. Die Devise muss also heißen: Mach eines nach dem andern - Schritt für Schritt. So wird das Ergebnis besser, und man braucht weniger Zeit als beim vergeblichen Versuch, wirklich alles gleichzeitig zu machen.
Stressfolgen schnell verstehen
Schauen Sie sich die Folgen von Stress in der Stress-Body-Map aus unserem TK-GesundheitsCoach an.
Jede Unterbrechung kostet Zeit
"Wer nur für drei Minuten aus einer Aufgabe herausgerissen wird oder sich selbst einer neuen Aufgabe zuwendet, braucht danach zwei Minuten, um wieder auf dem gleichen Stand wie vorher zu sein", sagt die Arbeits- und Organisationspsychologin Dr. Fritzi Wiessmann. "Wird der Beschäftigte sehr häufig unterbrochen, beziehungswiese lässt er sich selbst gerne ablenken, können sich die unnötig vergeudeten Minuten auf bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit addieren."