Medikamentenabhängigkeit: Was hilft beim Absetzen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln?
Um von Schlaf- und Beruhigungsmitteln loszukommen, ist es am besten, die Dosis mit ärztlicher Hilfe schrittweise zu verringern. Psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung kann dabei helfen.
Es gibt Situationen, in denen man das Gefühl hat, dass alles aus dem Ruder läuft: Eine zerbrochene Beziehung oder eine schwere Krankheit etwa können zu Lebenskrisen führen und extrem belastend sein. Starke Unruhe, Schlaflosigkeit, Angst oder Erschöpfung sind mögliche Folgen.
Viele Menschen finden Mittel und Wege, mit derartigen Belastungen umzugehen. Bei anderen wollen Beschwerden wie Schlaflosigkeit einfach nicht verschwinden. Manche Menschen nehmen in solchen Phasen Benzodiazepine oder Medikamente mit den Wirkstoffen Zolpidem oder Zopiclon (sogenannte "Z-Substanzen"). Diese Medikamente gehören zu den am häufigsten von Ärztinnen und Ärzten verschriebenen Schlaf- und Beruhigungsmitteln.
Benzodiazepine können beruhigend, angstlösend, muskelentspannend und entkrampfend wirken. Sie werden auch eingesetzt, um besser ein- und durchzuschlafen. Z-Substanzen sollen vor allem bei Einschlafstörungen helfen.
Viele Schlaf- und Beruhigungsmittel machen allerdings abhängig und können starke Nebenwirkungen haben - unter anderem Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Benommenheit, Muskelschwäche, Verhaltensauffälligkeiten und Schlafstörungen. Außerdem schränken sie die Fahrtüchtigkeit ein und erhöhen besonders bei älteren und kranken Menschen die Sturzgefahr.
Abhängigkeit von Schlafmitteln
Wenn Benzodiazepine und Z-Substanzen zu lange oder in zu hoher Dosis eingenommen werden, kommt es schnell zu einer Abhängigkeit. Daher ist es wichtig, diese Medikamente nur so kurz wie möglich und in möglichst niedriger Dosis einzunehmen. Eine Abhängigkeit kann schon nach wenigen Wochen eintreten. Viele Menschen nehmen die Mittel jedoch über mehrere Monate oder sogar Jahre ein.
Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind in Deutschland 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen abhängig von Benzodiazepinen. Frauen, vor allem ältere, greifen anscheinend besonders häufig zu diesen Medikamenten.
Absetzen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln
Viele Menschen spüren während der Einnahme keine Anzeichen der Abhängigkeit. Daher ist es ein erster wichtiger Schritt, zu erkennen, dass man sich an die Medikamente gewöhnt hat oder vielleicht schon abhängig ist. Von einer Medikamentenabhängigkeit dann loszukommen, kann körperlich und psychisch sehr belastend sein. Es erfordert Geduld und Kraft, auch schwierige Phasen ohne Medikamente durchzustehen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Queensland und Bond in Australien haben untersucht, wie gut die verschiedenen Ansätze Menschen helfen, von Benzodiazepinen loszukommen. Sie werteten dazu 35 Studien mit über 16.000 Teilnehmenden aus, in denen der Nutzen folgender Maßnahmen geprüft wurde:
- schrittweise Dosisverringerung ("Ausschleichen") - mit und ohne Ersatzmedikamente
- kurze motivierende Kontakte der Ärztinnen und Ärzte - etwa ein Gespräch oder ein Brief
- psychotherapeutische Unterstützung, zum Beispiel eine Verhaltenstherapie
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden ambulant betreut und hatten zu Beginn der Studien bereits länger als drei Monate regelmäßig Benzodiazepine eingenommen.
Ausschleichen vermeidet Entzugssymptome und Rückfälle
Werden Schlaf- und Beruhigungsmittel plötzlich abgesetzt, treten Entzugssymptome auf. Je nach Wirkstoff kann es bereits nach einigen Stunden zu Beschwerden kommen - sie können aber auch verzögert eintreten, manchmal noch Wochen nach dem Absetzen.
Typische Entzugsbeschwerden sind Schlafstörungen, Unruhe, Angst, Zittern, Schwindel oder Kreislaufstörungen. Die Symptome ähneln also den Beschwerden, die man mithilfe der Beruhigungsmittel ursprünglich loswerden wollte. Das kann einen "Teufelskreis" in Gang setzen: Um sich wieder besser zu fühlen, greifen viele erneut zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Um solche Rückfälle zu vermeiden, ist es wichtig, dass beim Absetzen der Medikamente möglichst wenig Entzugssymptome auftreten. Es ist deshalb üblich, die Medikamenten-Dosis schrittweise zu verringern, bis das Mittel schließlich ganz abgesetzt werden kann. Zur optimalen Dauer eines ambulanten Entzugs gibt es keine aussagekräftigen Untersuchungen. Fachleute empfehlen einen Zeitraum von 2 bis 4 Monaten.
Es ließ sich bislang nicht zeigen, dass ein Benzodiazepin-Entzug leichter fällt, wenn während der Dosisreduzierung ein Ersatzmedikament eingenommen wird. Um beurteilen zu können, ob einzelne Präparate - zum Beispiel Antidepressiva oder Antihistaminika - das Absetzen vielleicht doch erleichtern können, müsste ihre Wirkung als Ersatzmedikamente besser geprüft werden.
Was kann den Verzicht auf Schlafmittel zusätzlich erleichtern?
Drei Studien zeigten, dass schon einfache Mittel etwas bewirken können: So hörten mehr Menschen auf, Benzodiazepine einzunehmen, wenn sie von ihren Ärztinnen oder Ärzten schriftlich dazu angehalten wurden. In einigen Studien wurden den Briefen auch Broschüren mit Informationen zu Selbsthilfestrategien beigelegt. Neuere Studien deuten außerdem darauf hin, dass die Briefe besonders hilfreich sind, wenn die Empfänger und Empfängerinnen darin persönlich angesprochen werden.
Die Studien sprechen außerdem dafür, dass mehr Menschen die Einnahme von Beruhigungsmitteln beenden, wenn sie gut über das Thema Medikamentenabhängigkeit und die nötigen Schritte beim Absetzen informiert werden. Als weiterer hilfreicher Baustein gilt eine psychologische Unterstützung. Am erfolgreichsten ist dabei anscheinend eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT).
Generell ist es sinnvoll, mit einer Ärztin oder einem Arzt zu sprechen oder sich an eine Suchtberatungsstelle zu wenden, wenn man das Gefühl hat, die Medikamenteneinnahme nicht mehr im Griff zu haben. Mit ärztlicher, psychologischer oder psychotherapeutischer Unterstützung lässt sich nach Wegen suchen, wie man am besten wieder von den Benzodiazepinen loskommt.