Chemotherapie und neue Therapieansätze
Kein anderes Gebiet in der Medizin konnte in den letzten Jahrzehnten so viele Fortschritte verzeichnen wie die Krebstherapie. Etwa 50 Prozent aller krebskranken Erwachsenen und 80 Prozent aller Kinder können heutzutage geheilt werden.
Es gibt mehrere Hundert verschiedene Krebserkrankungen. Betroffene profitieren von individuellen Therapieansätzen, die die Heilungschancen zum Teil deutlich verbessern. Experten wie Onkologen und Biologen verstehen immer besser, wie unterschiedliche Erkrankungen auf Zellebene funktionieren. Nicht zuletzt dank molekulargenetischer Untersuchungen von Tumorzellen gelingt es oft, schon vor Behandlungsbeginn die bestmögliche Therapie auszuwählen.
Krebs ist keine einzelne Krankheit, sondern ein komplexes Geschehen
Das Wissen über Ursprungsort, Entwicklung und Genetik der einzelnen Krebszelle ist entscheidend bei der Wahl der richtigen Therapie. Das ist einer der Gründe, warum Menschen mit einer Krebserkrankung unterschiedlich behandelt werden. Seit 1990 konnte dadurch die Sterblichkeit insgesamt um 25 Prozent gesenkt werden.
Kaum wegzudenken: lang erprobte Therapien
Operative sowie strahlen- und chemotherapeutische Verfahren sind seit etlichen Jahren etablierte Therapiemöglichkeiten und werden häufig auch miteinander kombiniert. So können Beschwerden gelindert und zum Teil langjährige Krebsfreiheit oder sogar Heilung erreicht werden.
Operation
Oft ist eine Operation fester Bestandteil der Therapie, zum Beispiel bei Brust -, Haut - oder Darmkrebs . Operativ entfernen lassen sich insbesondere sogenannte solide Tumore, die sich gut gegen das umliegende Gewebe abgrenzen. Bei einigen Krebsarten kann eine Chemotherapie oder Bestrahlung vor oder nach der Operation die Prognose zusätzlich verbessern. Auch Metastasen, also Ableger des ursprünglichen Tumors, können oft entfernt werden.
Chemotherapie
Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Medikamente erforscht, die gegen Krebszellen wirken. Inzwischen stehen verschiedenste Arzneimittel zur Auswahl, die meist als Infusion verabreicht werden. Die Wirkstoffe greifen in das Zellwachstum ein und schädigen Tumorzellen, die sich besonders schnell vermehren. Chemotherapeutika werden in der Regel mehrfach über einen bestimmten Zeitraum hinweg in sogenannten Zyklen verabreicht. Auch zum Beispiel nach einer Operation können sie helfen, das Rezidiv-Risiko zu senken.
Besonders wirksam bei Hodentumoren
Seit Ende der 80er Jahre werden Chemotherapeutika erfolgreich gegen spezielle Formen von Hodentumoren eingesetzt. Das Besondere: Auch im fortgeschrittenen Stadium und mit Metastasen bietet eine adäquate Chemotherapie gute Chancen auf Heilung.
Eine besondere Form der Chemotherapie wird bei Menschen mit leukämischen Erkrankungen eingesetzt, die sogenannte Hochdosis-Chemotherapie. Dabei werden die blutbildenden Stammzellen im Knochenmark zerstört, um Platz für gesunde Stammzellen von einem passenden Spender zu schaffen.
Bestrahlung
Die Hälfte aller Betroffenen erhält eine Strahlentherapie. Sie zerstört das Erbmaterial von Tumorgewebe oder Metastasen. Eine Bestrahlung kann auch vor oder nach einer Operation oder in Kombination mit einer Chemotherapie erfolgen.
Nuklearmedizin
In der Nuklearmedizin werden radioaktive Stoffe zur Diagnostik oder in der Therapie eingesetzt, um Krebsherde aufzuspüren oder Krebszellen zu zerstören. Die Medikamente reichern sich in stoffwechselaktiven Krebszellen an, die entstehende Strahlung können Nuklearmediziner mit speziellen Geräten messen. So entdecken sie auch kaum sichtbare Tumorzellen wie zum Beispiel Knochenmetastasen. Bei Schilddrüsenkrebs werden radioaktive Medikamente zudem eingesetzt, um Tumorzellen gezielt zu schädigen.
Neue Therapiemethoden dank Labortechnik
Antihormontherapie
Einige Krebserkrankungen werden durch Hormone zum Wachstum angeregt, zum Beispiel bestimmte Brust- oder Prostatakrebsarten. Weisen die Tumorzellen bestimmte Hormonrezeptoren auf, können antihormonelle Medikamente das Tumorwachstum hemmen.
Antikörper
Zuletzt verhalfen Antikörper der Medizin zu neuen Erfolgen. Die Eiweißmoleküle haben großes Potenzial: Sie markieren beispielsweise Krebszellen, blockieren gezielt Stoffwechselwege oder schleusen Wirkstoffe in die Tumorzellen ein. Einige Lymphome , leukämische Erkrankungen, aber auch Brust- oder Lungenkrebs lassen sich so immer besser behandeln.
Hyperthermie
In speziellen Zentren können bestimmte Erkrankungen wie wiederkehrende Brusttumore, Lymphknotenmetastasen oder fortgeschrittene Enddarmtumore zusätzlich mit Wärme behandelt werden. Im Bereich des Tumors werden Temperaturen von bis zu 43 Grad erreicht, die besonders für veränderte oder mutierte Zellen Stress bedeuten. Der Körper kann die dadurch geschädigten Zellen danach selbstständig abbauen. Hyperthermie ist keine Standardtherapie. Fragen Sie Ihren Arzt, ob diese Therapie für Sie einen Nutzen bringen kann.
Selbstheilungskräfte in Zukunft gezielt aktivieren?
Ihr Körper hat durch seine Abwehrzellen die Fähigkeit, funktionslose oder defekte Zellen zu erkennen und abzubauen. Tumorzellen schaffen es, diesem körpereigenen Sicherheitsmechanismus zu entgehen. Forscher wollen in Zukunft Ihr Immunsystem gegen die Krebszellen gezielt "scharf schalten". So wie Ihr Körper gegen einen Schnupfen vorgeht, so könnten auch bald Krebszellen zum Ziel des Immunsystems werden.
Immuntherapie
Seit kurzer Zeit werden Antikörper auch eingesetzt, um das körpereigene Immunsystem zu aktivieren. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren lösen quasi eine Bremse, die die Abwehrzellen daran hindert, Krebszellen zu zerstören. Gegen einige Krebserkrankungen sind schon heute Therapien verfügbar, zum Beispiel bei fortgeschrittenen Formen von Lungenkrebs, schwarzem Hautkrebs oder Nierenzellkarzinomen.
Impfen gegen Krebs
Schätzungsweise neun Prozent aller Krebserkrankungen werden in der westlichen Welt durch Viren oder Bakterien ausgelöst. Humane Papillomviren beispielsweise werden mit Gebärmutterhalskrebs in Verbindung gebracht. Die entsprechende Impfung kann das Risiko, daran zu erkranken, senken. Auch bei Magenkrebs , bestimmten Lymphomen oder Lebertumoren gelten bestimmte Viren oder Bakterien als Risikofaktor. Wissenschaftler suchen derzeit nach Wegen, Impfungen auch in der Therapie einzusetzen, wenn die Erkrankung bereits im Gange ist.
Tuberkulose-Impfstoff bei Blasenkrebs
Auf eine etwas andere Weise wird derzeit Blasenkrebs behandelt: In bestimmten Situationen wird die Blase nach einer Operation mit einem Impfstoff gegen Tuberkulose gespült. Das Immunsystem reagiert mit einer lokalen Entzündung, die das Rückfallrisiko nachweislich senkt.
Therapie mit Viren noch in der Erprobung
Forscher wollen auch Viren zukünftig gezielt in der Krebstherapie einsetzen. Viren können in Zellen eindringen und diese direkt zerstören oder Abwehrzellen aktivieren. In Studien erproben Wissenschaftler bereits erste Forschungsansätze. Auch Bakterien werden derzeit erforscht, zum Beispiel um neue Therapien gegen Darmkrebs zu entwickeln.
Augen auf bei alternativer Medizin
Auf der Suche nach wirksamen Therapien stoßen Betroffene oft auch auf alternative Methoden wie Naturheilkunde. Nicht immer ist deren Nutzen auch belegt. Wechselwirkungen mit der bisherigen Therapie können sogar einen gegenteiligen Effekt haben. Möchten Sie Ihre Therapie zum Beispiel mit pflanzlichen Wirkstoffen unterstützen, halten Sie vorab unbedingt Rücksprache mit Ihrem Arzt.